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Der Mann war brutal, ungehobelt, grausam und gefährlich. Er hatte ein kaltes Herz und ein hitziges Temperament. Möglich, daß er nicht immer so gewesen war, doch Taniane hatte beobachtet, wie er sich seit dem Tag des Aufbruchs in die Welt mehr und mehr verändert hatte, sich mehr und mehr selbstherrlich und autonomistisch betragen hatte. Murrend und grollend, aufmuckend wider jegliche Entscheidung Koshmars, die Alleinmärsche ins bergige Grenzland, wann immer er Lust dazu verspürte, der Aufbau seiner eigenen kleinen Verteidigungsstreitmacht, ohne Koshmar erst um die Erlaubnis zu bitten, und endlich die direkte Konfrontation mit dem Häuptling, die Machtprobe — und die Vergewaltigung von Kreun, auch dies, wie er sie so einfach zu Boden warf und sie gegen ihren Willen mißbraucht hatte.

Ja, so war Harruel. Wahrscheinlich kopulierte er dort draußen in der Wildnis jetzt mit sämtlichen Frauen, die mitgezogen waren, und nicht nur mit seiner Gefährtin, Minbain; auch mit Thaloin und Weiawala und Galihine und Nittin. Denn er war ja jetzt der ‚König‘. Und er konnte tun, was in seinem Belieben stand. Er würde auch mit mir kopulieren, wenn ich mitgegangen wäre, dachte Taniane. Aber andererseits, es gab Schlimmeres, als mit einem König zu kopulieren.

Sie machte sich Gedanken darüber, warum Kreun ihn wohl abgelehnt hatte. Vielleicht deshalb, weil ihr der Kopf dermaßen voll war von dem Sachkor; ja, bestimmt deswegen. Zwang, das war nicht recht, aber normalerweise brauchte ja auch niemand mit Gewalt zur Kopulation gezwungen zu werden. Es genügte üblicherweise, wenn jemand einen höflich dazu einlud. Hätte Harruel Taniane in der Siedlung aufgefordert, sie hätte gewiß mit ihm kopuliert. Aber — er hatte sie eben nie aufgefordert. Immer war er für sich geblieben, immer nur hatte er finster drein-geblickt und in sich hineingebrummt. Vielleicht hat er mich für zu jung gehalten, dachte sie plötzlich bestürzt. Dabei war sie ja nicht viel jünger als Kreun, und die hatte ja auch seine Aufmerksamkeit erregt. Kreun ist sehr schön, behaupten die Leute, sagte sich Taniane, aber immerhin, von mir sagt man das ja auch.

Die Vorstellung, mit Harruel zu kopulieren, erregte sie. Ach, diese ganze männliche Kraft, diese ganze unheimliche Gewalttätigkeit. in der Umschlingung ihrer Beine! Ihn vor Lust stöhnen zu hören! Das harte Zupacken seiner Finger an dem Fleisch ihrer Arme!

Ja, schön und gut, aber Harruel, der war jetzt da draußen, irgendwo in der Wüste und Wildnis, und sie, sie hockte noch immer in Vengiboneeza, und sie wartete noch immer darauf, daß sie endlich älter sein werde, daß endlich ihre Zeit komme. Aber vielleicht kam die nie. Koshmar strotzte von Lebenskraft. Und das Grenzalter war abgeschafft. Taniane hatte sich früher immer träumerischen Wunschvorstellungen hingegeben, daß sie eines Tages Häuptling und Stammesführerin sein werde. Und nun erkannte sie, daß die Verwirklichung ihres Traumes in immer fernere Zukunft entschwand.

„Aber — würdest du denn Häuptling werden, wenn du jetzt bei Harruel wärst?“ fragte Haniman sie mit einem zweifelnden Blick. Haniman war in jüngster Zeit ihr Hauptfreund und ihr Kopulationspartner. Er wollte zwar auch immer gern mit ihr tvinnern, aber das hatte Taniane ihm nie erlaubt. „Harruel ist doch selbst Häuptling. Was sonst soll ‚König‘ bedeuten. Außerdem hat er schon eine Gefährtin. Da gab es doch für dich gar keinen Platz mehr.“

„Minbain wird immer älter. Das Leben in der Wildnis ist schwer. Vielleicht stirbt sie in ein, zwei Jahren.“

„Und dann würde Harruel dich erwählen? Klar, vielleicht würde er. Oder er nimmt dem Salaman die Weiawala weg, oder die Thaloin dem Bruikkos. Harruel ist König. Er kann tun, was ihm beliebt.“

„Ich glaube, er würde mich wählen.“

Haniman lächelte. „Und damit wärst du die Gefährtin des Königs. Aber hättest du damit irgendwelche Macht? Hat Minbain dadurch Macht gewonnen?“

„Ich bin anders als Minbain.“

„Ja, das ist allerdings wahr. Und du hältst dich für fähig genug, einen Brocken von Harruels Autorität und Macht für dich abzuzwacken, geht es darum?“

„Es läge im Bereich meiner Möglichkeiten, ja“, sagte Taniane.

„Wie Hresh es ausdrücken würde: es läge auch im Bereich deiner Möglichkeiten, fliegen zu lernen, indem du mit den Armen wedelst, wenn du dich nur lang genug darum bemühst. Aber auch das ist nicht sehr wahrscheinlich, außer durch ein Wunder.“

„Fliegen, das nicht. Aber ich hätte bestimmt Mittel und Wege gefunden, wie ich Harruel um den Finger wickeln kann.“ Taniane lächelte hinterhältig und verstohlen. „Und Harruel wird nicht ewig leben. Es ist ziemlich gefährlich, dort draußen im wilden Land. Weißt du noch, die Rattenwölfe? Und die Blutvögel? Wenn also dem Harruel etwas widerfahren würde, was meinst du, würde dann Konya König werden? Oder würden die Auswanderer aus der Stadt vielleicht dem Alten Brauch den Vorzug geben wollen und sich ein Weib zum Häuptling erwählen, was meinst du?“

Haniman lachte, scharf und schnaubend. „Wie bist du doch bezaubernd, Taniane! Aus dem Nichts beschwörst du dir Hauptrollen herauf — als Harruels Bettgefährtin, an Minbains Stelle, und als Harruels Herrin, sobald du sein Bett teilst. und dann gar noch als Harruels Nachfolgerin, wenn er tot ist. Aber wie die Dinge nun mal liegen, bist du jetzt hier, und der Harruel ist irgendwo, ziemlich weit weg, und er verschwindet mit jedem Tag weiter von hier.“

„Das weiß ich“, sagte sie und wandte das Gesicht weg.

Plötzlich fegte sich Hanimans Hand auf ihr Knie, und dann bewegte sie sich ein Stückchen weiter nach oben, den Schenkel hinauf, und hielt inne, wo ihre Schenkel zusammenstießen. Taniane wehrte die Hand nicht ab.

Ihre Gedanken verdüsterten sich. Sie lebte hier, und Harruel war weit, und — wie Haniman ihr so deutlich vor Augen geführt hatte — sie braute sich da ein Wunschsüppchen von großen Dingen für sich selber zusammen — aus dem Nichts. Sie hatte ihre Wahl getroffen; also mußte sie jetzt auch damit leben.

Wenn doch nur dieser Hresh nicht so ein Idiot wäre!

Immer noch spürte sie ein schmerzliches Zucken, wenn sie an Hreshs Blödheit zurückdachte, damals, als er sich so saudumm an sie rangemacht und sie gebeten hatte, mit ihm zu tvinnern. Selbstverständlich hätte sie nur allzu gern mit ihm! Aber sie hatte sich gezwungen gefühlt, ihn abzulehnen. Denn wenn sie damals, in jenem Augenblick, so bereitwillig auf sein Verlangen eingegangen wäre, dann hätte sie auch jegliche Hoffnung begraben können, diesen Jungen so für sich zu gewinnen, wie sie es beabsichtigte. Sicher, er hätte mit ihr getvinnert, und dann hätte er dankeschön gesagt und wäre abgezogen, um in der wilden Freude der Neuentdeckung, wie sie über einen kommt in den ersten Tvinnr-Tagen, vielleicht gleich danach mit Bonlai oder Sinistine oder Thaloin zu tvinnern — oder auch mit Haniman, wer konnte das schon wissen? —, und dann würde sich die wilde Begeisterung legen, und Hresh würde eine feste Tvinnr-Partnerschaft mit jemand eingehen. Mit irgendeinem. Und nicht unbedingt mit ihr, Taniane. Ihre Absicht, als sie ihn abgewiesen hatte, war gewesen, daß er abzog, beleidigt, um sich anderwärts eine gewisse Tvinnr-Erfahrung zu holen, um dann zu ihr zurückzukehren und in etwas geziemenderer, taktvollerer Weise erneut zu bitten (und sie wegen der Abfuhr natürlich nur um so mehr zu begehren). Und dann hätte sie ihn mit Freuden akzeptiert. Nur — das hatte er eben nicht getan. Statt dessen hatte er seither kaum je ein Wort mit ihr gesprochen; er hatte sich von ihr ferngehalten, ganz so, als würde es ihm brennenden Ärger verursachen, sie auch nur anzuschauen.

Der Trottel! Der Allerweiseste im Stamm — und dennoch ein solcher Dummkopf!

Hanimans Hand schlich sich weiter zwischen Tanianes Schenkel. Mit der anderen Hand begann er ihre Schulter zu streicheln. Die Hand glitt zu ihrer Brust.