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»Laß gut sein, Asmik«, tröstete Armjon. »In dem Buch über Geflügelzucht, das ich gelesen habe, heißt es, daß selbst, wenn die Glucke das Nest oft verläßt und die Eier ein bißchen abkühlen, die Küken dabei nicht gleich umkommen: aber ihre Entwicklung verzögert sich. In dem Buch wird auch gesagt, daß zu große Wärme schädlich ist.«

»Ja, natürlich, bei zweiundvierzig Grad Wärme gerinnt das Eiweiß«, brachte Kamo sein Wissen an. »Wir haben doch die Temperatur in den Brutöfen nicht zu stark hochgetrieben?«

»Nein, sie hat neununddreißig Grad nie überstiegen, dafür bürge ich«, erwiderte Armjon.

»Ihr macht euch ja ganz verrückt«, unterbrach sie Grikor und hielt im Schnitzen inne. »Glaubt mir, die Küken horchen der-weilen in ihren Schalen auf mein Klopfen und flüstern sich zu: ,Unsere Badewanne ist noch nicht fertig, warum sollen wir uns beeilen?«

»,Ja, wirklich«, besann sich Kamo, »worin sollen unsere Küken in den ersten Tagen baden? Auf — nach Hause! Jeder soll das herbringen, was er entbehren kann: Tröge, Schalen, Schüsseln.«

»Recht so, Kamo!« pflichtete ihm Anaid bei. »Sobald die jungen Entlein und Gänslein aus dem Ei kriechen, drängen sie gleich zum Wasser. Holt also Gefäße herbei.«

In Kürze waren im Stall eine Unzahl Futtertröge, Schalen, verbeulte Schüsseln und Wannen aufgestellt und mit Wasser

gefüllt. Auch Grikor hatte inzwischen seine Badewanne fertiggeschnitzt.

»So, jetzt können sie ausschlüpfen«, erklärte er befriedigt. »Bitte schön, meine Lieben, ihr seid herzlich willkommen!«

Was Grikor berichtete

Grikor war, wie immer, vom frühen Morgen an im Stall gewesen.

Mitten im Unterricht wurde die Aufmerksamkeit der Schüler plötzlich von einem Jungen abgelenkt, der sich im Schulhof herumdrückte und geheimnisvolle Zeichen machte.

Kamo, der seinen Platz in der Nähe des Fensters hatte, sah hinaus und erkannte Grikor.

Als dieser Kamo sah, hielt er die Hände hoch und zeigte acht Finger. Dabei strahlte er über das ganze Gesicht. Er hüpfte und tanzte auf seinem gesunden Bein, wölbte eine Hand und schmiegte sie so zärtlich an die Wange, als halte er darin etwas sehr Zerbrechliches.

Kamo hatte sofort begriffen. Er war so aufgeregt, daß er Armjon die Neuigkeit am liebsten gleich zugerufen hätte. Als er aber einen strengen Blick des Lehrers auffing, blieb er ruhig und verlegen auf seinem Platz sitzen.

In der Pause liefen Kamo und Armjon hinunter, um Asmik die frohe Botschaft zu bringen.

Beim Anblick ihrer strahlenden Gesichter schrie Asmik auf:

»Sind sie ausgeschlüpft?«

»Und wie viele! Acht Stück!«

Ohne langes Reden war es den Kindern klar, daß sie unmöglich auch nur einen Augenblick länger in der Schule bleiben konnten. Sie erbaten sich von Aram Michailowitsch die Erlaubnis, fortzugehen, und stürmten, ohne das Ende des Unterrichts abzuwarten, zum Stall.

Grikor kam ihnen schon entgegen.

»Die Küken, die Küken!« schrie er. »In ganzen Regimentern schlüpfen sie aus! «

»Wo sind sie?... Heb doch mal eine Glucke auf! Zeig doch mal!... Laß mich ans Guckloch! Ach, wie süß sie aussehen! — Gib mir mal eins!. . . «

Die Kinder umdrängten die Brutöfen. Sie schrien und lachten durcheinander. Vorsichtig nahm Asmik ein winziges, in aschen-farbenen Flaum gehülltes Küken mit niedlichem gelbem Schnäbelchen und dunkelgrauen, bleifarbenen Füßchen in die Hand. Sie drückte das Küken behutsam an ihre Wange und erwärmte es mit ihrem Atem.

Dann standen die Kinder etwas ratlos herum; sie wußten nicht, was nun zuerst geschehen mußte.

Inzwischen hatten sich auch andere Kinder und Frauen am Stalleingang eingefunden.

»Sind wirklich Küken ausgeschlüpft?« fragte eine der Frauen mißtrauisch.

»Von den Eiern unter den Glucken oder denen in der Blechbüchse?« wollte eine andere wissen. »Laßt mal sehen!«

»Nein, nein!« wehrte Asmik ab. »Die Tiere bekommen Angst, das geht nicht. «

Großvater Assatur, der eben erst vom Sewan-See zurückgekehrt war, drängte sich durch die Wartenden und trat in den Stall.

Asmik öffnete gerade den einen Brutofen. In dem weich ausgepolsterten, erwärmten Kasten wimmelte es von Dutzenden winziger dunkelgrauer Küken.

»Was sind das für welche, Töchterchen?« fragte der Alte ganz aufgeregt.

»Das sind kleine Wasserhühnchen, Großväterchen«, antwortete Asmik, die ihre Freude kaum bezähmen konnte. »Schau doch, wie viele Eier noch geplatzt sind, eins nach dem andern schlüpft aus.«

»Was muß denn jetzt geschehen?« fragte der Großvater.

»Sie müssen gefüttert werden.«

»Kocht die Möweneier«, schlug Armjon vor.

»Gleich, gleich«, sagte Asmik. »Aber es sind nicht genug, sie reichen doch nicht für die vielen Küken.«

»Sorge dich nicht, Kindchen«, beruhigte sie der Großvater. »Ich werde schon was ausfindig machen.«

Nachdem er seinen langen Bart zusammengerollt und ihn sorgfältig in den Archaluk[4] gesteckt hatte, eilte der Großvater zur Kolchosverwaltung:

»Bagrat, mein Bester, gib uns Eier aus dem Lager, so an die hundert — die Küken sind ausgeschlüpft, wollen fressen.«

»Leicht gesagt«, brummte Bagrat, »hundert Eier! Soll ich sie vielleicht dem Kindergarten wegnehmen, soll ich den Kindern die Eier entziehen? Nur um eure Küken zu füttern, damit sie satt werden, wachsen und davonfliegen?«

Der Alte ärgerte sich. Er wurde energisch:

»Ich sage dir noch einmal, sofort, noch in dieser Minute rückst du die Eier heraus! Nein, was seid ihr doch für hartherzige Menschen! Die Kinder finden schon seit einem Monat keinen Schlaf mehr, und ihr stellt euch wegen der paar Eier an! Schreibe, schreibe, sofort, sonst, das schwöre ich dir, ziehe ich meinen Dolch!« drohte der Großvater, natürlich im Scherz.

»Nanu? Hier geht es ja hart auf hart«, bemerkte Aram Michailowitsch, der in diesem Augenblick eintrat. Er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.

Auch Bagrat lachte.

»Ach ja«, rief er, »da hat sich unser Alter mit den Kindern eingelassen, und nun will er mich erdolchen, wenn ich keine Eier für die Küken rausrücke. Ich bin ja gar nicht so, aber erst muß ich sie mit eigenen Augen sehen. Alles muß seine Ordnung haben...«

»Ein ganzer Stall voll Küken ist es«, polterte der Großvater.

»Gut, wir wollen sie uns ansehen! «

Asmik kam ihnen aus dem Stall entgegengelaufen.

»Nun, Onkel Bagrat, wann wird unsere Farm anerkannt?«

Bagrats meist so grimmiges Gesicht wurde weich. Jedesmal wenn er diesem kleinen Mädchen begegnete, erhellte sich seine finstere Miene. Asmiks Vater, Owanes, war ein treuherziger, ehrlicher Mensch gewesen. Er hatte Seite an Seite mit Bagrat gegen die Faschisten gekämpft, sie hatten aus demselben Napf gegessen, und Owanes hatte Bagrat damals im Nahkampf das Leben gerettet. — Owanes war in Bagrats Armen gestorben.

Er war in der Schlacht an der Oder für die Sowjetheimat gefallen.

Schweigend strich Bagrat über das seidige, kastanienbraune Haar des Mädchens, und es wurde ihm wie immer beklommen ums Herz.

Als er in den Stall trat, erblickte er die Küken und lächelte. »Die Stimmung bessert sich«, blinzelte Grikor den Kameraden zu.

»Sie sind also tatsächlich ausgeschlüpft«, rief Bagrat. »Jetzt ist es eine andere Sache, jetzt kann der Rechnungsführer meinet-wegen euer Unternehmen registrieren.«

Er zog einen Notizblock aus der Tasche, schrieb einen Zettel aus und reichte ihn Grikor, der sogleich damit zum Lager lief.

»Dein Glück, Bagrat, jetzt hast du dein Leben gerettet«, lachte Großvater Assatur.

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4

Archaluk = kurzer gesteppter Rock.