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Eine ganz große Freude

Das, was Asmik erlebt hatte, geschah in dieser Nacht auch in vielen anderen Häusern des Dorfes Litschk. In den Achselhöhlen der Kinder regten sich die Küken; das leise Knac ken der aufplatzenden Eierschalen und ein schwaches Piepen waren zu hören. Flaumig und noch feucht, sahen die kleinen Geschöpfe aus ihrer schützenden Hülle in die Welt.

War das an diesem Tage eine Freude im Dorf! Die Kinder wollten sich von ihren Schutzbefohlenen gar nicht mehr trennen. Sie streichelten sie, fütterten sie mit hartgekochten, klein-gehackten Eiern und brachten sie nur widerstrebend zu Asmik in die Farm.

Hier herrschte Hochbetrieb. Auch unter den Glucken schlüpften die Küken aus. Die Alten lockten und gackerten ärgerlich und wußten nicht recht, was sie tun sollten: erst die ausgeschlüpfte Brut herumführen oder in Erwartung der übrigen auf den Eiern sitzenbleiben? Das komische Aussehen ihrer Küken schien sie auch zu wundern: So große plumpe Kinder hatten sie Zeit ihres Lebens noch nicht ausgebrütet!

In dem zweiten Brutofen, in dem die Temperatur gleichmäßig geblieben war, brachen jetzt ebenfalls die Schalen auf. Großvater Assatur betrachtete gerührt das Gewimmel der runden Flaumbällchen und schüttelte nur den Kopf. Seine Verwunderung war so groß, daß er sogleich nach Hause eilte, um die Sache seiner Frau zu erzählen.

»Ich sage dir, Nargis, in dieser geheizten Blechkiste, diesem Brutofen, wie die Kinder das nennen, schlüpfen die Küken zu Hunderten aus«, erzählte der Großvater. Seiner Gewohnheit gemäß mußte er übertreiben. »Denk dir nur, die Hühner sind jetzt fürs Brüten abgemeldet; sie brauchen nicht mehr einen ganzen Monat auf den Eiern zu sitzen und brauchen sich nicht um ihre Küken zu kümmern! Soll doch die eiserne Henne die Küken ausbrüten! Inzwischen legen sie fleißig Eier. Es ist wirklich wunderbar, wie weit es die Wissenschaft gebracht hat! «

»Was erzählst du für Märchen! Ohne Glucke kann man doch keine Küken ausbrüten? Ohne das Mutterherz geht es doch nicht«, empörte sich die Greisin.

»Was hat das Herz damit zu tun? Die Küken schlüpfen aus den Eiern, Asmik füttert sie und pflegt sie — wozu braucht's da noch ein Mutterherz?« polterte der Großvater.

Aber Großmutter Nargis konnte das nicht einsehen.

»Wie soll es denn ohne Mutter gehen? Kann man denn ohne Mutter auskommen?« entrüstete sie sich. Wie alle Mütter hatte sie so manche schlaflose Nacht an der Wiege ihrer Kinder zugebracht. Sie konnte es nicht fassen, daß irgendein lebendiges Wesen ohne mütterliche Liebe und Fürsorge entstehen und aufwachsen sollte.

Der Großvater aber hatte es eilig, wieder in den Stall zu kommen.

Ganz unerwartet erschien an diesem Tage auch der Kolchosvorsitzende Bagrat im Geflügelstall. Als er die eben ausgeschlüpften Gänslein sah, leuchtete es in seinen Augen fröhlich auf. Aber er ließ sich seine Freude nicht allzusehr anmerken, kaute auf den Lippen und schien insgeheim etwas zu berechnen. Dann sagte er trocken:

»Alles kommt auf die Abrechnung an, Kinder. Wenn am Ende des Jahres eure Abrechnung mehr Gewinn als Verlust aufweist, dann werde ich berichten, daß euer Unternehmen in Ordnung ist.«

»Es kommt nicht nur auf die Abrechnung an, Onkel Bagrat«, widersprach Kamo. »Hier ist doch viel wichtiger, daß wir zum erstenmal versuchen, wilde Vögel in Massen zu zähmen und sie mit unserem zahmen Geflügel zu kreuzen.«

»Mich interessieren solche Versuche nur, wenn sie dem Kolchos Nutzen bringen«, fiel ihm der Vorsitzende ins Wort. »Soll der Jugendverband die Verantwortung für den Versuch übernehmen! Wir liefern euch das Futter, nicht wahr? Stimmt es, daß das Futter bewirtschaftet ist? Bin ich dem Volk dafür verantwortlich? Ich bin es. Ihr habt eine Geflügelfarm gegründet, aber habt ihr dann an das Futter für den Winter gedacht?« fragte er in strengem Ton.

»Das Futter werden wir von zu Hause mitbringen«, antwortete Kamo kleinlaut.

»Von zu Hause? Ihr seid Großsprecher! Ich habe schon angeordnet, daß dort drüben ein halbes Hektar Land umgepflügt wird. Es ist für euch. Die Saatgerste bekommt ihr dieses Mal aus dem Kolchoslager. Geht zum Lagerverwalter, die Anweisung ist schon ausgeschrieben.«

Der Vorsitzende machte kehrt, blieb aber nach ein paar Schritten wieder stehen und sagte:

»Das Stück Land müßt ihr natürlich selbst bearbeiten. Der Agronom wird euch dabei helfen und euch beraten, damit es richtig gemacht wird. Alles muß nach wissenschaftlichen Methoden gemacht werden«, fügte er streng hinzu. »Sonst wird euch das Land wieder abgenommen.«

Bagrat entfernte sich. Die Kinder sahen sich an und brachen in ein fröhliches Jubeln aus. Am liebsten hätten sie ein paar Luftsprünge gemacht.

»Kann man dem Onkel Bagrat böse sein«, fragte Kamo, »wenn er auch oft so brummig ist?«

»Ja, weißt du auch, warum er so ist und weshalb er so auf Ordnung sieht?« fragte Armjon.

»Na, das ist sein Charakter«, meinte Kamo.

»Nein«, erwiderte Armjon, »vor dem Krieg soll er nicht so gewesen sein. Aber er war bei der Roten Armee fünf Jahre Ältester in einer Kompanie. Und der Kompanieälteste hat für Ordnung zu sorgen. Bei der Roten Armee hat Onkel Bagrat gelernt, daß Disziplin über alles geht.«

»Das ist auch ganz richtig«, stimmte Kamo zu. »Man braucht ihm nichts übelzunehmen. . . Nun, Armjon und Grikor, kommt, wir holen uns die Gerste.«

»Für unsere Küken!« jubelte Asmik.

»Jetzt, wo die vielen Küken da sind, muß jeder seine bestimmte Arbeit haben«, sagte Kamo. »Armjon, du mußt das Aussäen der Gerste besorgen und mußt eine so gute Ernte einbringen, daß auf jedes Küken fünf Kilogramm Futter kommen.«

»Fünf Kilogramm?« staunte Armjon.

»Armjon wird unsere Küken schon nicht hungern lassen«, mischte sich Asmik ein.

»Ich werde mein Bestes tun«, erklärte er, »sie werden bestimmt nicht hungern. . . «

Gegen Abend führte Asmik ihre Glucken mit den Küken zum Flüßchen. Sie hatte nicht bemerkt, daß ihr Seto in einiger Entfernung im Schutz der Hecken nachschlich.

Großvater Assatur aber war das nicht entgangen.

»He! Mach schnell, daß du aus der Nähe der Farm verschwindest. Sonst ziehe ich dir das Fell über die Ohren!« schrie der Alte ernstlich erbost.

»Eure Farm!« Seto lachte spöttisch. »Die schwimmt ja weg!« Bestürzt eilte der Großvater zum Flüßchen.

In der Tat, die ,Farm' schwamm davon, wenigstens ihre Insassen. Die kleinen Gänschen, Entlein und Wasserhühnchen tummelten sich vergnügt in ihrem Element, schwammen und tauchten unter... Allmählich aber wurden sie von der Strömung flußabwärts fortgetragen.

Laut gackernd liefen die Glucken am Ufer entlang und riefen in ihrer Hühnersprache um Hilfe. — So seltsame Küken hatten sie noch nie ausgebrütet.

Der Sewan heute und morgen

Wer im Juni über den Semjonowski-Bergpaß kommt, vird beim Anblick des Sewan-Sees in Begeisterung geraten. Wie sehr er auch in Eile sein mag, er wird dennoch stehenbleiben, um sich an der unbeschreiblichen Schönheit des himmelblauen Wasserspiegels zu erfreuen, der sich, zwischen den Bergen eingebettet, vor seinen Blicken ausbreitet. Ja, schön ist der Sewan-See um diese Jahreszeit! Die den See umgebenden Berge, sonst so grau und düster, legen im Juni ein üppiges grünes Gewand an und schmücken sich mit einer unübersehbaren Menge von Blumen. Zwei scharf voneinander abweichende Farbtöne bezaubern beim Anblick des Sewan-Sees das Auge: das helle Blau der weiten Wasserfläche und das Smaragdgrün der von den Ufern des Sees ziemlich steil emporsteigenden Berghänge.

An einem schönen Junimorgen hatten sich die Kinder am Abhang eines beim Dorfe Litschk gelegenen Berges nieder-gelassen und blickten auf das schöne, friedliche Bild.