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»Sei nicht traurig, Tante Anaid«, sagte Grikor. »Wenn es ganz schlimm wird, schlachten wir alle Vögel und essen sie auf. Ich verspreche, tüchtig dabei zu helfen«, scherzte er. »Aber darf Asmik nun mit uns auf den Tschantschakar kommen?«

»Ach, Junge, was hat ein kleines Mädchen auf dem Tschantschakar zu suchen? Vorgestern habt ihr sie auch mit in die Berge geschleppt. Sie hat sich ihre Schuhe ganz zerrissen. Was habt ihr dort zu suchen?«

»Was wir dort zu suchen haben? Kann man denn hier ruhig sitzen, wenn es in den Höhlen des Tschantschakar einfach von Honig trieft?... Komm, Asmik!«

»Es handelt sich nicht nur um den Honig«, fügte Armjon erklärend hinzu. »Wir wollen rauskriegen, auf welche Weise Menschen in die Höhlen kamen, und wir wollen versuchen, an die alten Gerätschaften heranzukommen, die in den Höhlen zurückgeblieben sind.«

»Davon verstehe ich nichts, Armjon; aber wenn du dabei bist, kann Asmik meinetwegen mitgehen. Auf dich kann ich mich verlassen. Auf diesen Schlingel da verlasse ich mich nicht«, lachte Anaid und deutete auf Grikor.

Die Kinder nahmen Schaufeln und Spitzhacken und machten sich auf den Weg.

Sie hatten sich kaum einige Schritte von der Farm entfernt, als Grikor bereits zu murren anfing.

»Was ist dir nur eingefallen, Armjon? Was du alles haben willst! Wenn es um Honig geht, komme ich mit; geht es aber um altes Gerümpel - dann bleibe ich lieber bei meinen Kälbern. «

»Wenn wir rausfinden könnten, wie die Menschen in diese Höhlen gekommen sind, werden wir auch den Honig rausholen«, tröstete Armjon.

Grikor war nun doch einverstanden und ging mit.

Als die Kinder den Fuß des Tschantschakar erreicht hatten, stiegen sie in der Schlucht bis zu der Stelle hoch, an der der Tschantschakar und die Schwarzen Felsen so nahe aneinander rücken, daß sie sich fast berühren. Die steilen Felswände bilden hier einen schmalen Korridor, der wirklich einer Großstadtstraße mit Wolkenkratzern zu beiden Seiten gleicht. Die Kinder standen nun sozusagen auf dem ,Fahrdamm' und schauten hinauf, wo sich hoch oben die dunklen Umrisse der Höhleneingänge abzeichneten.

Es war ein heißer Tag. In der Schlucht regte sich kein Lüftchen, und die Steine waren von der Sonne so durchglüht, daß man sich kaum darauf setzen konnte.

Immer wieder wischten sich die Kinder den Schweiß von der Stirn und mußten sich ausruhen.

»Selbst eine Katze kann auf diese Felsenspitzen nicht hinauf. Wie haben es nur die Menschen fertiggebracht?« überlegte Armjon.

»Vielleicht haben sie die Felsenwände durch eine Brücke verbunden, auf der sie dann von den Schwarzen Felsen auf den Tschantschakar hinübergegangen sind?« meinte Asmik. »Einen anderen Weg kann ich mir nicht denken.«

Die Kinder schwiegen eine Weile. Was ist zu tun? Womit soll man anfangen? dachte jedes für sich.

Ein verdorrter Baum, der sich durch eine Felsspalte zwängte, erregte Armjons Aufmerksamkeit.

»Das war doch eine Eiche«, sagte er, »wie ist die hierher gekommen?«

Nachdem Armjon mehrere Steine ausgegraben und beiseite geworfen hatte, lockerte er mit der Spitzhacke an zwei, drei Stellen das steinige Erdreich und legte die Wurzeln des morschen, aber einstmals großen und kräftigen Baumes frei. Ein paar schmächtige, grüne Sprosse ragten aus dem Boden hervor; es waren aus den Wurzeln geschossene wilde Triebe.

Armjon dachte lange nach. Plötzlich hellten sich seine Züge auf, und er rief seinen Gefährten in freudiger Erregung zu:

»Jetzt ist mir alles klar! Hier hat ganz früher eine mächtige Eiche gestanden. Ihre Wipfel müssen bis zur Mitte des Felsens gereicht haben, also bis zum Eingang zu der Bienenhöhle. Die Menschen sind an dieser Eiche hochgeklettert. Auf dem gleichen Wege haben sie ihre Geräte hinaufgeschafft.«

»Weshalb sind die Menschen denn in die Höhlen gezogen?« wollte Asmik wissen.

»Um sich vor irgendwelchen Feinden zu retten natürlich«, antwortete Grikor. »Es ist erwiesen, daß hier im Gebirge in früheren Zeiten Menschen in fast unzugänglichen Höhlen gelebt haben.«

»Und was ist aus der Eiche geworden?« fragte Asmik neugierig.

'»Die Eiche hat vielleicht der Blitz getroffen. Verstehst du es jetzt? Du kennst doch unseren Dali-Dagh? Die Sonne scheint, es ist ein klarer Tag, aber plötzlich — Wolken, Donner, Gewitter! Sieh nur — schon wieder ziehen Wolken herauf. . . «

Und in der Tat, das Gewölk, das sich über dem Dali-Dagh zusammenzog, wuchs schnell an und wurde dunkler und drohen-der. Bald hatte es sich über den ganzen Himmel ausgebreitet und stand wie eine dunkle Wand über dem Sewan. Grelle Blitze zerrissen diesen schwarzen Umhang mit ihren feurigen Strahlen und beleuchteten für Augenblicke den dunklen Wasserspiegel.

Ein Donnerschlag ließ die Luft erzittern.

Armjon und Asmik hatten sich rechtzeitig in den Schutz eines Felsens gerettet und sahen jetzt, wie der Regen in Strömen niederrauschte. Ihre Freude war groß.

»Das ist das Richtige für unsere Küken! « jubelte Asmik. »Oh, wie gut ihnen das tun wird! Der Teich wird voll werden, und die Gänschen und Entlein werden schwimmen und plantschen.«

Armjon und Asmik hockten sich auf einen Stein, denn sie merkten, daß sie ihren Unterschlupf nicht so bald würden verlassen können. — Es goß mit unverminderter Heftigkeit vom Himmel herab.

»Du darfst aber kein Wasser mehr für die Gerste aus dem Teich nehmen«, sagte Asmik bestimmt. »Ich erlaube es nicht.«

»Du erlaubst es nicht? Und der Plan? Zwanzig Zentner Gerste von jedem halben Hektar? Übrigens wird das Wasser jetzt nicht nötig sein. Nach einem solchen Regenguß werde ich bis zur Ernte keins mehr brauchen... Grikor, was machst du da?«

Grikor stand im strömenden Regen und ließ sich mit Wonne ganze Bäche über das Gesicht laufen.

»Ich will mich erfrischen! Seid ihr wasserscheu? Wasser ist eine Himmelsgabe für unsere versengte Erde. Ihr sollt mal sehen, wie jetzt alles grün wird nach diesem Regen! Ihr sollt mal sehen, wie unsere Kälber sich auf das frische Gras stürzen werden! Im Herbst kommen sie dann auf die Viehwaage. Man wird sie wiegen und zu mir sagen: ,Grikor Owsepowitsch, bitte, holen auch Sie sich eine Prämie ab!' Das hätte mir gerade noch gefehlt — mich mit dem lahmen Bein in das Kolchoslager zu schleppen, um die Prämie abzuholen! Und obendrein muß man für das Prämienkalb auch noch einen Platz im Stall zurecht-machen! « sagte Grikor und bemühte sich, seinen Spaß mit dem nötigen Ernst vorzubringen.

»Grikor, komm her zu uns, du wirst ja naß bis auf die Haut! Wirst dich erkälten«, warnte Asmik.

»Laßt mich, ich fühle mich hier sehr wohl!«

Armjon und Asmik mußten ihn mit Gewalt unter den Felsvorsprung ziehen. Dort saßen sie nun dicht beieinander, während in der Schlucht der Donner schauerlich widerhallte, in kurzen Abständen Blitze aufzuckten und der Regen sich in ausgiebigen Strömen über die von Hitze erschöpfte, ausgedörrte und durstige Erde ergoß.

Der Angriff auf den Tschantschakar

Die Zeitung mit Kamos Bild machte im Dorf die Runde. Man riß sie sich förmlich aus den Händen. Endlich gelangte sie auch zu dem alten Jäger.

Großvater Assatur war ganz aus dem Häuschen.

»Komm, laß dich umarmen«, rief er und drückte den heftig errötenden Kamo an seine Brust.