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Kamo beugte sich über den Rand der Schlucht und rief hinab:

»Gleich werden die Krüge runtergelassen, gebt gut acht!«

Kamo und Grikor schleppten einen der großen Krüge, um den sie einen Strick geschlungen hatten, vorsichtig zum Rande der Felsenplatte und begannen ihn unter allen erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen in die Tiefe hinabzulassen.

Großvater Assatur blieb der Mund offenstehen:

»Haben sie es doch geschafft!« staunte er. »Allen Teufeln zum Trotz! «

»Großväterchen«, rief Kamo ihm ganz respektlos zu, »halte keine langen Reden, sondern paß lieber auf, daß der Krug nicht auf den Felsen aufschlägt und zerbricht.«

Nun zeigte sich, wie kräftig und geschickt der Alte noch immer war. Er umfaßte den herabschwebenden Krug mit beiden Armen und stellte ihn vorsichtig auf den Boden.

»Ist er ganz voll Honig, Großväterchen?« wollte Asmik wissen.

»Voll Wachs und Honig«, bestätigte der Großvater, der es immer noch nicht fassen konnte, daß der Lehrer und die Kinder die bösen Geister überlistet hatten.

Der Alte entfernte zuerst den Strick, und Kamo, der das eine Ende festgehalten hatte, zog ihn wieder hinauf. Auch die übrigen Krüge wurden auf die gleiche Weise hinabgelassen. Mit dieser Arbeit hatten alle bis Mittag reichlich zu tun.

Armjon war von Grikor zum Kolchos geschickt worden, um Transportmittel zu erbitten.

»Bringe so viele Eimer mit, wie du auftreiben kannst; im Honigparadies des Jägers Karo sind unerschöpfliche Vorräte.«

Als Armjon nach geraumer Zeit zurückkehrte, trieb er mehrere Packesel vor sich her, die mit leeren Eimern und Körben beladen waren. Sogar an einen Käfig für den jungen Adler hatte er gedacht. Fünf ,Bienenkörbe' standen bereits in der Schlucht am Fuße des Tschantschakar.

Armjon hatte es nicht leicht gehabt, Esel, Eimer und Körbe aufzutreiben.

»Das ist die reine Anarchie«, hatte Bagrat wie gewöhnlich geschrien, als Armjon ihn um die Esel und die Eimer bat. »jetzt in der Heuernte wollt ihr uns die Tiere von der Arbeit wegholen?« schimpfte er ungehalten.

Armjon aber schmeichelte:

»Wenn Sie wüßten, Onkel Bagrat, was wir für kostbare Altertümer gefunden haben... «

»Altertümer hin, Altertümer her...« Bagrat zog geringschätzig die Augenbrauen hoch.

»Und Bienen, und Honig«, fuhr Armjon begeistert fort und erzählte nun Näheres über ihre Entdeckungen.

Bagrat, der sich von den Kindern, die er sehr ins Herz geschlossen hatte, immer schnell erweichen ließ, meinte:

»Da habt ihr euch aber sicher sehr abgequält. Und wenn der Lehrer und Großvater Assatur mit dabei sind, wird es wohl seine Richtigkeit haben.«

Bereitwillig schrieb er dann zwei Anweisungen aus, die er Armjon gab, und meinte scherzend:

»Die eine ist für die Esel, die andere für Proviant für unsere ,Ärchäologen', sie werden gewiß hungrig sein. Vergiß auch nicht, Zucker für die Bienen mitzunehmen; der Großvater weiß, wie das gemacht wird. Wir werden inzwischen Bienenkörbe für eure Völker vorbereiten.«

Die mitgebrachten Körbe wurden an Stricken zur Bienenhöhle hinaufgezogen, und der Lehrer legte die Waben, die er noch aus dem Innern der Höhle herausgeholt hatte, hinein. Die restlichen Körbe wurden innen mit Zuckerlösung bestrichen. Von dem süßen Saft angelockt, suchten zahlreiche Bienen die Körbe auf. Befand sich jedoch bei dem neugebildeten Bienenvolk keine Königin, dann war Aram Michailowitsch nicht zu-frieden.

»Eine Königin muß dabei sein«, erklärte er den Kindern. »Jedes Bienenvolk braucht eine Königin.«

Die Kinder mußten nach seiner Beschreibung feststellen, ob eine Königin dabei war, dann wurden die Körbe verschlossen und mitsamt den Waben und den Bienenvölkern in die Schlucht hinabgelassen.

Erst nachdem das Honigparadies so ziemlich ausgeräumt war, begaben sich unsere Forscher auf dem schmalen Felsenpfade zu der Höhle, aus der Grikor vorhin schon die Schaufel des Jägers Karo geborgen hatte.

Die dort aufgespeicherten Honigmengen waren abermals riesengroß, und es dauerte lange, bis alle Eimer gefüllt und an Stricken in die Schlucht hinabbefördert worden waren.

Als letztes wurde der Käfig, in den sie den jungen Adler gesperrt hatten, geholt und ebenfalls an einem Strick hinuntergelassen. Dieser Vogel machte Asmik besondere Freude.

Ungeduldig rief sie immer wieder:

»Macht doch schneller«, und als der junge Raubvogel endlich in der Schlucht landete, hätte Asmik ihn am liebsten gestreichelt.

Der junge Adler aber saß verängstigt und mit gesträubten Federn auf dem Boden des Käfigs, funkelte Asmik böse an, zischte wütend und hackte nach ihrem Finger.

Der Käfig mit der seltenen Beute wurde besonders sorgsam auf dem Rücken eines Esels befestigt.

Dann rief Armjon hinauf:

»Ist alles unten? Seid ihr fertig?«

»Ja, alles. Wir kommen gleich«, rief Kamo zurück.

Die Arbeit war beendet. Aram Michailowitsch, Kamo und Grikor hatten sich am Höhleneingang niedergelassen, um ein paar Augenblicke auszuruhen. Ihnen gegenüber, auf der anderen Seite der Schlucht, lag der Eingang zu der Höhle, die im Volksmund ,Höllenpforte' hieß.

Die gezackten Gipfel der Schwarzen Felsen zeichneten sich vom hellen Himmel deutlich ab.

Der Wind heulte in den Felsenschluchten. Die Adler, durch die ungewohnte Nähe der Menschen beunruhigt, schrien laut und unheimlich. Wenn der Wind eine Weile schwieg und es still wurde, drang von den Schwarzen Felsen herüber ein seltsam drohender Lärm.

»Warum stöhnt und ächzt der Berg?« fragte sich Aram Michailowitsch. Er lauschte angespannt auf die geheimnisvollen Töne, konnte aber auch keine rechte Erklärung dafür finden.

Während der Lehrer den Zugang zur Höhle in den Schwarzen Felsen genauer betrachtete, kam er ihm immer mehr wie der aufgesperrte Rachen eines Ungeheuers vor, dessen Oberlippe wie mit vielen Schnittwunden bedeckt und zerfurcht war, während die Unterlippe glatt und ebenmäßig glänzte.

Als Aram Michailowitsch genauer hinsah, entdeckte er, daß sich von dieser Unterlippe ein leuchtender Streifen bis zur Schlucht hinabzog. Es sieht tatsächlich beinahe so aus, dachte der Lehrer, als hätte Farchad — der usbekische Riese aus dem Märchen, der so stark ist, daß er Felsen zertrümmerte — diesen glänzenden Streifen auf die Felswand gemalt.

In tiefes Nachsinnen versunken, zerbrach sich der Lehrer den Kopf, was dieser rätselhafte Streifen, der von den abergläubischen alten Leuten dem Riesen Farchad zugeschrieben wurde, in Wahrheit bedeuten konnte.

Großvater Assatur erzählte während der nächsten Tage den alten Leuten im Dorfe mehr als einmaclass="underline"

»Es gibt keine Geister auf dem Tschantschakar, das ist so klar wie der Sonnenschein.« Und obgleich die Alten sich sofort bekreuzigten und ängstlich widersprachen, war im Dorfe von nichts anderem die Rede als von den erstaunlichen Entdeckungen der Kinder. Einzig und allein der immer neidische Artusch war ungehalten und nannte Kamo einen Wichtigtuer.

Die Krüge mit den Honigwaben wurden in einem Winkel des zur Versuchsfarm gehörenden Geflügelhofs untergebracht. Es wurde dafür gesorgt, daß die jungen Vögel nicht in die Nähe kommen konnten.

Die Altertümer, die die Kinder und der Lehrer in den Höhlen gefunden hatten, wurden in einem besonderen Raum des Schulgebäudes untergebracht, den Aram Michailowitsch dafür ausräumen ließ.

Noch am gleichen Tage war ein Telegramm an die Akademie der Wissenschaften der Armenischen SSR abgegangen.

»In den Höhlen des Tschantschakar umfangreiche Funde mittelalterlicher Waffen und Gebrauchsgegenstände gemacht. Entsendet Mitarbeiter des Instituts für Geschichte und Archäologie. «

Das Telegramm war an den Leiter der Akademie, Professor Sewjanan, gerichtet.

Großvater Assatur kümmerte sich um die Krüge mit dem Honig und um die Bienenkörbe. Die Fluglöcher wurden geöffnet, und bald schwärmten die Bienen umher.