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Die Kinder waren so sehr an Erfolge gewöhnt, daß der erste Mißerfolg sie ganz aus der Fassung brachte. Mehrere kostbare Wildvögel waren aus der Geflügelfarm verschwunden. Ein Geier konnte sie nicht geholt haben, denn das Gewehr des alten Jägers hielt diese Räuber vom Dorfe fern. Tschambar aber sorgte dafür, daß die Füchse nicht zu nahe herankamen. Asmiks Mutter beaufsichtigte tagsüber die Küken, des Nachts bewachte sie der Großvater. Aber trotzdem verschwanden die jungen Vögel. Es kam vor, daß zehn Stück am Tage fehlten, merkwürdigerweise holte der Dieb sie immer am Tage. Asmik lief sogar zum Kolchosvorsitzenden Bagrat; sie weinte und bat ihn, er sollte doch helfen, die Diebe zu fangen.

Bagrat schrie wie gewöhnlich:

»Das ist reine Anarchie!« und schwenkte verzweifelt die Arme. »Ihr könnt euch begraben lassen«, rief er. »Nicht mal auf ein paar Jungvögel könnt ihr aufpassen.«

Die Jungen ließen jetzt die Umzäunung Tag und Nacht nicht aus den Augen. Sogar die alten Raben, die auf den Telegrafenstangen saßen, wurden mißtrauisch betrachtet.

Eines Tages, als Großvater Assatur die Wache übernommen hatte, sah er, wie eines der jungen Entlein die Flügel auf komische Weise spreizte und sich mit merkwürdig schlaffen Bewegungen dem Zaun näherte.

Was konnte das Entlein auf so komische Weise anziehen? Als der Großvater näher herangehen wollte, sah er, wie ein graues Gänslein auf ähnliche Weise geheimnisvoll mit schlaff en Flügeln über den Boden schleifte und plötzlich verschwand.

»Was bedeutet das?« murmelte der Alte völlig verdutzt. »Ich will gleich mal nachsehen.«

Er stand auf, ging zum Zaun und setzte sich auf eine der leeren Fischtonnen, von denen mehrere herumstanden. Der Verwalter der Konsumgenossenschaft hatte den Großvater gebeten, auf die Tonnen achtzugeben.

In der Farm blieb alles ruhig. Die kleinen Vöglein spazierten friedlich im Hofe hin und her, und nur Asmik, die sich im Hintergrund des Stalls zu schaffen machte, tauchte zuweilen für einen Augenblick auf.

Der Alte zog seine Pfeife aus der Tasche und klopfte sie an der Wand der Tonne aus.

Nun geschah etwas ganz Unerwartetes. Die Tonne schwankte hin und her und knarrte; aus ihrem Inneren aber glaubte der Großvater eine flüsternde Stimme zu hören:

»Ist die Luft rein? Kann man raus?«

Und aus der danebenstehenden Tonne wurde geantwortet: »Ja, ja, komm nur heraus.«

Großvater Assatur bückte sich, um den nur leicht angelehnten Deckel der auf der Seite liegenden Tonne beiseite zu schieben, als ihm unversehens eine Handvoll Erde ins Gesicht flog, so daß er nichts sehen konnte und sich erschrocken die Augen rieb.

Inzwischen waren die Insassen aus den Tonnen herausgekrochen und stoben davon.

Wenn Großvater Assatur, der völlig geblendet war, auch nichts sehen konnte, seine Stimme hatte doch keinen Schaden gelitten. Er brüllte aus Leibeskräften:

»Diebe! Diebe! Haltet sie fest.«

Von allen Seiten kamen Leute herbeigelaufen, und Großvater Assatur berichtete mit tränenden Augen, was er soeben erlebt hatte.

So gründlich die Tonnen auch untersucht wurden, es war nicht mehr festzustellen, wer sich darin versteckt hatte.

Als des Großvaters Augen nicht mehr tränten, rollte er die verdächtigen Tonnen fort zur Konsumgenossenschaft.

Sein ganzer Zorn entlud sich auf den unschuldigen Konsumverwalter.

»Lagere deine Tonnen, wo du willst«, schrie er, »aber nicht in der Geflügelfarm, wo sie Spitzbuben Unterschlupf bieten. Was nützt es uns, wenn wir Tag und Nacht die Farm bewachen!«

Bis zum Herbst ereignete sich nach diesem Zwischenfall nichts Unliebsames mehr. Als aber die Herbststürme einsetzten und der erste Schnee fiel, gab es für Fuchs und Marder bald keine Beute mehr auf den Feldern. Das hungernde Raubgesindel wurde von dem Honigduft, vor allem aber von den fetten Bissen in der Geflügelfarm angelockt.

Jetzt kam den Kindern Großvater Assaturs langjährige Erfahrung als Jäger zugute.

Auf den Spuren eines Fuchses

Ein neues Schuljahr begann.

Asmik besuchte jetzt die siebente Klasse, Grikor die achte, Kamo und Armjon waren Schüler der neunten Klasse geworden. Die Freundschaft zwischen den Kindern bestand fort und festigte sich von Tag zu Tag.

Asmik lief nach wie vor, gleich nach Schulschluß, zur Geflügelfarm, zu ihren geliebten gefiederten Schützlingen, die in-zwischen mächtig herangewachsen waren. Sie half ihrer Mutter bei der Aufzucht.

Am Teich, außerhalb des Dorfes, waren im Laufe des Sommers nach Plänen, die in Jerewan entworfen worden waren. und mit Hilfe der Kolchosverwaltung neue geräumige Geflügelställe gebaut worden.

Der Kolchosvorsitzende Bagrat hatte die Farm nicht nur offiziell anerkannt, er geizte nun auch nicht mehr mit Mitteln, sie so gut wie irgend möglich auszustatten.

»Wenn wir schon eine solche Versuchsfarm haben«, sagte er, »dann soll es auch eine Farm sein, die nach etwas aussieht und in der Gutes geleistet wird — ohne Anarchie natürlich.«

Nachdem die neuen Geflügelställe fertig waren, erklärte sich Onkel Bagrat auch bereit, ein Häuschen für die Verwalterin und den Wächter bauen zu lassen.

Das Stallgebäude war in mehrere Räume aufgeteilt; in dem einen standen die Brutöfen, ein anderer, von ansehnlicher Größe, war als Auslauf für das Geflügel gedacht. Die Küken hatten einen besonderen Stall, und in dem Raum für das aus-gewachsene Geflügel waren Stangen angebracht worden.

Körbe für brutende Glucken waren gar nicht mehr vorgesehen. Die Kinder hatten beschlossen, nur noch Brutöfen zu verwenden.

Auch Gerste hatten sie genug geerntet, wie Asmik jedesmal beim Füttern befriedigt feststellen konnte.

Das ist alles Armjons Werk! sagte sich Asmik und dachte voller Anerkennung und Rührung an ihren jungen Freund.

Armjon kam häufig in die Farm. Er besah sich die Vögel, untersuchte sachkundig, ob ihre Flügel richtig gestutzt waren, und half Asmik manchmal auch bei ihren Schulaufgaben, besonders wenn Mathematik und Literaturgeschichte dran waren.

Eines Nachts entstand in dem Stall, in dem die Wildgänse und Wildenten untergebracht waren, ein fürchterlicher Lärm. Die Hunde bellten wütend und kamen aus ihren Hütten gesprungen. Aus Großvater Assaturs Gewehr krachte ein Schuß.

Es wurde bald bekannt, daß ein Fuchs in den Gänsestall eingebrochen war.

Großvater Assatur schwor, er werde den Frechling schon erwischen und ihm das Räubern austreiben.

»Ich will nicht Jäger Assatur heißen«, erklärte der Alte grimmig, »wenn Reineke dazu kommt, seine Beute in Ruhe zu verspeisen«, und er machte sich auf den Fuchs zu verfolgen.

Kamo war zu Großmutter Nargis gelaufen, um ihr zu erzählen, was der Großvater vorhatte.

Es wurde ein heißer Tag für die Kinder. Nachdem Kamo seine Schulaufgaben gemacht hatte, lief er zu Armjon und Asmik und bat sie, mit ihm zu Grikor zu kommen.

»Ist was geschehen?« fragte Asmik besorgt.

»Komm nur, du wirst es schon hören.«

Grikor half dem Kolchoshirten grade beim Tränken der Kälber, die von der Weide heimgekehrt waren.

Als er Asmik, Armjon und Kamo sah, rief er ihnen zu: »Was wollt ihr denn hier?«

»Wann bist du fertig, Grikor?«

»Mit eurer Hilfe in fünf Minuten«, gab Grikor schlagfertig zurück.

»Nun, warum nicht — gib einen Eimer her! «

»Nein, nein, wir sind ja schon fertig. Was wollt ihr denn?« »Wir wollen auf den Dali-Dagh«, sagte Kamo.

»Was gibt's dort? Was zu essen?«

»Wenn sich Großvater Assatur und Tschambar aufgemacht haben, dann wird sich wohl auch etwas Eßbares finden lassen.« Nun war Grikor gleich Feuer und Flamme.