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»Warum überlegt ihr denn noch lange? Wir wollen schnell machen, sonst ißt Großvater Assatur alles alleine auf!« erklärte Grikor und stürmte zum Stall hinaus.

»Warte, Grikor, nicht so hitzig. Großvater ist hinter einem Fuchs her und nicht auf einen Braten aus.«

Grikors Eifer erlahmte sichtlich. Er blieb zögernd stehen. Doch dann funkelten seine schwarzen Augen pfiffig.

»Was ist denn an einem Fuchsbraten auszusetzen?« meinte er. »Wovon lebt der Fuchs? Von Geflügel und Hasen. Warum sollte sein Fleisch schlechter schmecken als anderes?«

»Aber Füchse fressen auch Mäuse«, sagte Asmik und schüttelte sich.

»Ist denn eine Maus etwas Ekliges? Sie knabbert doch auch nur Körner, Mehl, Brot, Speck und Zucker.«

Asmik entrüstete sich.

»Sag ihm doch, er soll nicht so dummes Zeug reden, Kamo«, rief sie.

Grikor verteidigte sich:

»Was mußt du gleich die Nase rümpfen? Ein Fuchsbraten schmeckt sicher fein!« sagte er.

Unter solchen Späßen und lautem Gelächter stiegen die Kinder den verschneiten Hügel hinauf, auf dem Großvaters und Tschambars frische Fußspuren noch deutlich zu sehen waren.

Eine leuchtendweiße Schneedecke überzog alles, und die Sonne strahlte so grell, daß die Kinder kaum etwas sehen konnten. Es sah aus, als wären Myriaden von Diamanten über die Berge geschüttet worden.

Der erste Schnee in den Bergen!

Sonnenhelle löste das trübe Grau des Herbstes, das die ganze Natur in ein düsteres Halbdunkel gehüllt hatte, ab.

Über ihnen wölbte sich ein weiter stahlblauer Himmel. Ringsum atmete die Natur tiefsten Frieden. Die Gipfel der schneebedeckten Berge hoben sich leuchtend vom Blau des Himmels ab. Die Sonne wärmte, und an den Südhängen taute der Schnee und floß in zahllosen kleinen Rinnsalen zu Tal.

Die Kinder hatten an einem Abhang Rast gemacht. Sie blickten auf die herrliche, in Sonnenlicht getauchte Gebirgslandschaft, und die wärmenden Sonnenstrahlen spielten auf den rosig-frischen Gesichtern.

Armjon unterbrach das andächtige Schweigen und rief entzückt:

»Was für ein herrlicher Tag. Auch im Winter ist es bei uns wunderschön! «

Kamo trieb zur Eile:

»Vorwärts, wir haben lange genug geruht!«

Sie gelangten zuerst in eine Schlucht und stiegen dann wieder bergan. Die Spuren des Großvaters und, des Hundes im Neuschnee wiesen ihnen den Weg, der bald durch tiefe Schluchten, bald wieder bergauf ging.

Auch der Weg, den der Fuchs genommen hatte, war nicht zu verfehlen. Überall lagen abgenagte Gänseknochen und ausgerupfte Federn verstreut.

Asmik betrachtete diese traurigen Reste ihres Schützlings bekümmert. Es wurde ihr schwer ums Herz. Hatte sie ihre Küken so mühevoll aufgezogen, damit der Fuchs sie holte und sich daran gütlich tat?

Kamo versuchte sie zu trösten.

»Gräme dich nicht, Asmik. Großväterchen wird schon dafür sorgen, daß er seine Strafe bekommt.«

Die Kinder kletterten tiefer in die Berge hinein, bis sie nach einer Wegbiegung plötzlich den alten Jäger vor sich sahen. Er hatte das Gewehr über die Schulter gehängt und sich überdies noch mit seinem riesigen Dolch bewaffnet.

Tschambar empfing die Kinder mit freudigem Gebell. Er stürzte ihnen entgegen und riß sie fast um. Asmik streichelte den Hund und steckte ihm ein Stück Zucker ins Maul.

»Das habe ich eigens für dich mitgebracht, Tschambaruschka. «

»Gib mir auch eins«, bettelte Kamo, »oder bin ich dir weniger lieb als der Hund?«

»Du bist mir sogar lieber«, erwiderte Asmik, »aber hast du vergessen, daß der brave Tschambar dir das Leben gerettet hat? « Kamo errötete.

Grikor platzte in das Gespräch hinein mit dem Rufe: »Großväterchen, ist der Braten schon fertig?«

Der Alte, der die Kinder eben erst bemerkt hatte, rief ihnen fröhlich zu:

»Es ist gut, daß ihr kommt, ich will euch die Schliche dieses Schlaubergers einmal zeigen.«

Er hatte sich auf einen Stein gesetzt und zündete sich gerade gemächlich ein Pfeifchen an.

»Mich hat der schlaue Geselle schon ganz außer Atem gebracht«, fuhr der Großvater fort. »Aufgestöbert habe ich ihn unten, hinter einem Stein. Aber kaum legte ich das Gewehr an, da trabte er davon, nahm Deckung und flüchtete zu der kahlen Stelle da oben, die der Sturm vom Schnee reingefegt hat. Mir flimmerte es derart vor den Augen, daß ich nichts sehen konnte Nun sagt einmal«, unterbrach der Großvater seinen Bericht »weshalb hat der Fuchs sich wohl eine schneefreie Stelle ausgesucht?«

Armjon antwortete zuerst.

»Ich habe gelesen«, rief er, »daß sich die Tiere der Farbe ihrer Umgebung anzupassen suchen. Im weißen Schnee hätte der Fuchs eine zu gute Zielscheibe für dich abgegeben. In dürren Gras oder auf Stein ist er natürlich schlechter zu er kennen. Das hat Darwin geschrieben.«

Großvater Assatur war erstaunt:

»Wie konnte Darwin das wissen?« fragte er; »er war doch kein Jäger? Nun aber hört, was der Fuchs dann tat. Er setzte in großen Sprüngen über den Hügel, ich, nicht faul, hinterher. Plötzlich höre ich es hinter mir rauschen. Steine prasseln von der Anhöhe herab. Der Fuchs ist mit einemmal hinter mir. Wie hat er das gemacht?«

»Ganz einfach, Großväterchen. Der Fuchs hat, um dich zu täuschen, einen Bogen gemacht und tauchte so plötzlich hinter deinem Rücken auf«, meinte Grikor; »daß die Steine herunter-prasselten, war ein Mißgeschick, sonst hättest du seine Spur verloren oder wärst immer im Kreise gelaufen.«

»Bravo, Grikor, man sieht gleich, daß du ein Landkind bist und mit offenen Augen durchs Leben gehst. Hört nur weiter. Als ich seine Spur wiedergefunden hatte, schlich ich ihm nach. Plötzlich ist die Spur weg. Wie weggeblasen. Wo konnte der Bursche nur geblieben sein? Flügel hat er nicht, und im Schnee muß seine Spur ja zu finden sein. Nun sagt mir, könnt ihr das Rätsel lösen?«

Die Kinder schwiegen. Das war tatsächlich ein Rätsel. Der Großvater aber fuhr fort:

»Hierzu gehört viel Erfahrung und ein scharfes Auge. Paßt mal auf, was der Schlauberger jetzt für Kunststückchen gemacht hat! Ich gucke mir also die Spuren im Schnee genauer an und entdecke, daß er direkt auf mich zugekommen sein muß. Um mich zu täuschen, ist er in seine eigenen Fußstapfen getreten und dann plötzlich seitwärts ausgerissen.«

Die Kinder waren höchst erstaunt über die Schlauheit des Fuchses.

»Er weiß, der Räuber«, fuhr der Großvater fort, »wenn er nachts um das Dorf herumstreicht, dann ist am nächsten Tage der Jäger Assatur hinter ihm her. Er weiß, daß ich darauf brenne, ihn zu fangen und ihm das Fell abzuziehen. Da macht er aus lauter Todesangst solche Mätzchen. Aber mich kann er nicht anführen, wie schlau er es auch anstellt — dem Jäger Assatur entkommt er nicht.«

Der Großvater nahm seine dicke Schaffellmütze vom Kopf und wischte sich umständlich den Schweiß von der Stirn. Dann setzte er die Mütze wieder auf.

Beim Anblick des runden kahlen Kopfes des alten Jägers mußte sich Grikor das Lachen verbeißen.

»Großvaters Kopf glänzt in der Sonne wie eine reife Wassermelone«, flüsterte er Kamo zu. »In finsteren Nächten brauchst du keine Laterne zu nehmen. Laß den Großvater vorangehen. Sein kahler Schädel leuchtet dir wie der Mond.«

Asmik, die das Gespräch mit angehört hatte, mußte das Lachen gewaltsam unterdrücken, doch Kamo runzelte ärgerlich die Stirn und sagte:

»Halte deinen Mund, Grikor, und spotte nicht über den alten Mann. «

Der Großvater war aufmerksam geworden und wollte wissen, weshalb die Kinder stritten.

»Ich habe Kamo gefragt, weshalb du im Sommer und im Winter eine Pelzmütze trägst.«

»Haben unsere Väter das nicht auch getan? Und die waren bestimmt keine Narren. Im Sommer schützt das Schaffell gegen die Hitze und im Winter gegen die Kälte.«

»Und weshalb ist dein Kopf so kahl, Großvater?« fragte Grikor.