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Kamo und Armjon waren schnell zur Stelle. Sie besahen den beschädigten Bienenkorb, neben dem Wachs und tote Bienen am Boden lagen.

»Wie kommt es nur, daß er die Hunde nicht gefürchtet hat?« fragte Kamo.

»Bei dem Schneesturm haben sich die Hunde in ihre Hütten verkrochen, und das faule Gesindel hat sich nicht rausgewagt. Gerade solche Nächte sucht sich der Marder für seine Raubzüge aus. Wie dumm von mir«, fuhr der Großvater fort, »daß ich nicht daran gedacht habe, für solches Diebsgesindel Schlingen zu legen. Allerdings ist das gefährlich, weil es hier überall so viele Hunde und Katzen gibt. Geh nach Hause, Kamo, und hole meine Flinte. Bringe mir auch Bagrats Flinte mit, die bei uns steht. Du kannst auch eine Schaufel und eine Spitzhacke mitbringen. «

Einige Stunden darauf stieg der Großvater den Weg zum Dali-Dagh empor. Kamo und Armjon gingen dicht hinter ihm, und Grikor folgte als letzter. Allen voran lief, vom Jagdeifer gepackt, Tschambar; die Nase am Boden, verfolgte er die Spur des Marders. Es hatte bereits in den frühen Morgenstunden aufgehört zu schneien, und die Spuren des kleinen Raubtieres waren für die scharfen Augen des alten, erfahrenen Jägers deutlich sichtbar.

Als sie bei der Tschantschakarschlucht anlangten, setzte sich Grikor auf einen Stein.

»Daß so ein kleines Tier so weit läuft, um etwas zu erbeuten«, meinte er.

»Und wie schnell es läuft«, stellte der Großvater schnaufend fest. »Der Mensch kann in drei Tagen keine so lange Strecke zurücklegen wie ein Marder in einer einzigen Nacht. Und wißt ihr auch, was ihn vorwärts treibt - die Gier nach Honig. Du weißt doch, Grikor, mit welcher Kraft dich der Honigduft zu den Schwarzen Felsen gezogen hat! Du wärst damals beinahe in den Abgrund gestürzt. Nun, der Marder liebt den Honig genauso wie du; sobald er das süße Zeug wittert, achtet er auf keine Gefahr mehr. In der Nacht kennt er ohnedies keine Furcht; erst wenn es hell wird, versucht er, wie die meisten Tiere der Wildnis, sich zu verstecken, damit ihn kein Feind entdeckt. Diesmal ist er anscheinend nicht so weit gelaufen. Er muß sich hier in irgendeinem Erdloch verborgen halten. Hat sich wohl zu vollgefressen, um weit zu laufen.«

Der Großvater schien recht zu haben, denn unter einem vorspringenden Felsen endete die Marderspur plötzlich.

Die Kinder waren sehr aufgeregt; es war ihre erste Jagd auf einen Marder.

Der Großvater triumphierte:

»Jetzt entkommt er mir nicht mehr«, rief er und zog aus seinen unergründlichen Jackentaschen einen Packen alter Zeitungen hervor.

»Was willst du damit machen?« fragte Grikor.

»Warte nur ab. Erst werden wir den Burschen in seinem Unterschlupf ausräuchern; dann werde ich mit der Spitzhacke das Versteck freilegen und den Kerl herausholen.«

Der Großvater knüllte mehrere Zeitungen zusammen, steckte sie in ein Erdloch unter dem Felsen, zündete sie an und blies den Rauch nach innen.

»Wir müssen die Ritzen verstopfen«, rief der Alte, »der ganze Rauch dringt ja durch die Felsspalten ins Freie. Los, faßt alle mit zu!«

Die Jungen halfen dem Großvater, und es dauerte gar nicht lange, da hörten sie drinnen ein Krächzen und Keuchen. Der Marder, der zu ersticken drohte, machte einen verzweifelten Versuch, auszubrechen. Er sprang mit einem gewaltigen Satz ins Freie, prallte gegen den Arm des Großvaters und flüchtete eiligst.

»Tschambar, halt ihn, Tschambar! « schrie der Großvater und schwenkte aufgeregt die Arme. »Denk nicht, daß du mir entkommst«, schrie er, »ich ziehe dir doch noch das Fell über die Ohren!« '

Tschambar hatte den Marder entwischen lassen. Das verängstigte Tier kam bis zu einer hohen Eiche, auf die es geschwind hinaufkletterte. Gegen einen dicken Ast gepreßt, blieb es regungslos hocken.

Der Großvater war über diesen Mißerfolg sehr ärgerlich und fluchte und zankte mit den Jungen, daß sie das Tierchen hatten entwischen lassen.

Zu allem Überfluß heulte auch noch der ,Wassermann' vom Gilli-See her, als wollte er den alten Jäger verspotten.

»Das hat mir gerade noch gefehlt«, brummte der Großvater böse. »Nur gut«, meinte er dann, »daß mir Bagrat sein Militärgewehr geliehen hat. Mit Schrot kann man den Burschen nicht herunterholen. Ich muß es mit einer Kugel versuchen, muß ihn aber in den Kopf treffen, damit das wertvolle Fell nicht beschädigt wird.«

Der Alte legte an und zielte. Dann ließ er das Gewehr betrübt wieder sinken. »Ich bin zu alt, meine Hände zittern. Versuche du es, Grikor.« Und er reichte dem Jungen das Gewehr.

Als Grikor danach greifen wollte, zog es der Großvater jedoch schnell zurück, lachte schelmisch und rief:

»Hast du im Ernst geglaubt, daß ich dazu nicht mehr tauge, daß du Grünschnabel es besser kannst?«

Grikor hatte es, als ihm der Großvater das Gewehr reichte, die Sprache verschlagen; Armjon und Kamo aber hatten gleich begriffen, daß sich der Alte nur einen Spaß mit ihrem Freund machen wollte.

Der Schuß krachte, und der Marder fiel, von Ast zu Ast rutschend, so geräuschlos auf den Schnee, als hätte der Wind ein graubraunes Büschel Watte herabgeweht.

Kamo lief auf das Tierchen zu und hob es auf. Er staunte: die Kugel hatte dem Marder zwei Vorderzähne ausgeschlagen. Das Fellchen — weich, mit samtenem Flaum bedeckt — war völlig unbeschädigt.

»Da könnt ihr sehen, was ein Schuß ist!« brüstete sich der Großvater und strich selbstgefällig über das an seinem Archaluk befestigte Abzeichen eines ,Woroschilow-Schützen’. »Umsonst hat man mich im Kriege gewiß nicht damit ausgezeichnet?

Jeder im Bezirk weiß, was für ein Kunstschütze der Jäger Assatur ist!«

Der erlegte Marder war sehr hübsch anzusehen. Es war ein Steinmarder mit kastanienbraunem, auf dem Bäuchlein etwas heller schimmerndem Fell und mit einem großen weißen Fleck am Halse, der Schwanz war buschig. Doch wenig später schon hatte das Fell an Glanz verloren.

»Das ist immer so«, erklärte der Großvater, »solange sie leben, ist das Fell schön glänzend, sowie aber das Tier erkaltet, verliert es an Glanz.«

Es wurde beschlossen, Tschambar diesen guten Bissen zu gönnen.

Großvater holte sein Messer aus der Tasche, zog dem Marder das Fell aus, ohne es zu beschädigen, und stopfte es flink und geschickt mit dürren Blättern so voll, daß es aussah wie ein lebendes Tier.

Auf dem Heimweg fragte Kamo:

»Großväterchen, was wirst du mit dem Fell machen?«

»Ich denke, Asmik soll auch nicht zu kurz kommen?« schlug der Großvater vor.

Die Jungen waren mit seinem Vorschlag einverstanden. Sie hatten alle drei, als sie das hübsche Fell sahen, an Asmik gedacht.

Im Dorf angelangt, blieben sie vor Asmiks Haus stehen. Der Großvater brachte ihr das Marderfell und sagte:

»Nimm das, mein Töchterchen. Lege es an deinem Hochzeitstage an, und denke dann ein wenig an den alten Großvater.«

Asmik wurde verlegen, freute sich aber sehr über das schöne weiche Fell. Sie drückte es an ihr Gesicht und sagte immer wieder:

»Wie schön es ist und wie herrlich weich!«

Kamo war richtig ein bißchen eifersüchtig auf den Großvater, denn er wünschte sich selber, Asmik so ein Fellchen schenken zu können. Wie gern hätte er ihr eine Freude gemacht, und wie gern wollte er, daß sie ihn so liebevoll ansehe wie jetzt den Großvater.

Der Himmel ist verschlossen

Mit Schneeglöckchen und Veilchen, mit Schwärmen von Vögeln und warmen Sonnenstrahlen kam der neue Frühling, breitete sich in der Aras-Ebene aus und stieg bis zu den Gipfeln des Dali-Dagh empor. Die Natur erwachte aus ihrem Winterschlaf, warf die weiße Hülle ab und legte ihre farbenprächtigen Frühlingskleider an. Im Ufergebüsch des Gilli-Sees regten sich die Vögel, und es begann zu lärmen und zu zwitschern in allen Tonarten.