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Doch Assatur hatte sich ereifert:

,Wir können es uns ja ausrechnen! Für ein Marderfell wer-den drei Rubel bezahlt. In der Woche werde ich wenigstens zwei Marder schießen, jawohl, das werde ich. In drei Monaten also — und der Monat hat vier Wochen — werde ich vierundzwanzig Marder erlegt haben. Das macht bereits zweiundsiebzig Rubel. Ist dir das nicht genug? Sogar eine Kuh werden wir uns kaufen können.'

Den ganzen langen Winter hindurch streifte dann der junge Jäger in den Bergen umher. Oft war er todmüde. Füße und Hände erfroren, doch er hatte niemals Glück. Das meiste, was er erlegen konnte, waren vier oder fünf Marder. Bären- und Fuchsfelle brachten nur wenig ein, und das Fleisch des erlegten Rotwilds wurde nach Jägerbrauch mit den Nachbarn geteilt.

So war Jäger Assatur sein ganzes Leben lang ein armer Schlucker geblieben. Erst unter der Sowjetmacht verdiente er genug für seinen und seiner Frau Unterhalt. Aber die Angst vor den Lebenssorgen, die sich im Laufe von mehr als fünfzig Hungerjahren in ihm festgefressen hatte, wollte auch jetzt noch nicht weichen.

Diese Gier nach persönlichem Besitz, diese Angst vor Not und Elend, die sich in einem verborgenen Winkel seines Herzens erhalten hatten, veranlaßten jetzt den alten Mann, den Sack mit den Kostbarkeiten wieder von der Schulter zu nehmen und ihn erneut in einer finsteren Stallecke zu vergraben.

Wenn ich sterbe, hinterlasse ich diesen Schatz meinen Enkelkindern, dachte er, und versuchte damit sein Gewissen zu entlasten.

Großvater Assatur hatte in dem irdenen Gefäß ein ganzes Vermögen gefunden. Einen nicht minder wertvollen Fund aber machte Armjon in einem anderen leeren Tonkrug.

Als er sich eines Tages diesen Krug genauer betrachtete, fiel ihm auf, daß an der Innenseite merkwürdige Zeichen ein-geritzt waren.

Armjon schleppte den schweren Krug ins Licht und sah sich die Zeichen genau an. Nein, es bestand kein Zweifel, auf der Innenwand des bauchigen Tonkruges waren mit einem spitzen Gegenstand kreuz und quer Buchstaben des altarmenischen Alphabets eingeritzt, von denen viele noch mit Wachs und Honig verklebt waren.

Armjon lief und holte sich kochend heißes Wasser und säuberte damit gründlich das Innere des Kruges. Dann nahm er ein Blatt Papier und einen Bleistift und zeichnete die Buchstaben, so genau er konnte, nach. Zu entziffern vermochte er sie nicht, denn es handelte sich um altarmenische Schriftzeichen, die heute nicht mehr verwendet werden. Nur eines konnte Armjon lesen - und wieder war es der Name des Feldherrn Artak.

Der Knabe lief zu Aram Michailowitsch.

Er schwenkte das Blatt und schrie:

»Hier bringe ich Ihnen einen Brief des Feldherrn Artak.« »Was du nicht sagst? Hat er ihn in einen Briefkasten geworfen?«

»Nein, aber in einen Tonkrug.«

Sehr aufmerksam studierte der Lehrer die von Armjon nach-gezeichnete Inschrift. Auch er konnte nicht alles entziffern.

»Es sind altarmenische Schriftzeichen«, bestätigte er, »aber die Buchstaben sind merkwürdig ungleichmäßig -man wird nicht recht klug daraus.«

Aram Michailowitsch stand auf und nahm ein Wörterbuch der altarmenischen Kirchensprache aus dem Bücherschrank.

Nun verglich er Wort für Wort und Satz für Satz. Zuerst schien es, als seien einige Stellen absolut nicht zu entziffern, und der Lehrer zog ärgerlich die Stirn kraus. Doch allmählich hellten sich seine Züge auf, und ein zufriedenes Lächeln spielte auf seinem Gesicht: »Felsen«, murmelte er. »Die Felsen spalten ich und verschlingen die große Quelle... und dann ... Felder Felder. . .«

»Hurra, ich hab's«, schrie er plötzlich vergnügt. »Ich weiß jetzt, was die Inschrift besagt. Hör zu, Armjon.« Und Aram Michailowitsch las in feierlichem Tone vor: »Ich, Artak, Feldherr im Sewan-Gebiet, bin unter einem unglücklichen Stern geboren. Es donnert in den Bergen, die Erde bebt, das Meer überflutet die Ufer, die Felsen spalten sich und verschlingen die große Quelle... Unsere Felder und Weiden wurden zu einer Wüste. Fremdländische Eroberer kamen und vernichteten mein hungerndes Volk. Ströme von Blut ergossen sich über dieses Land. Hier, in den Höhlen des Tschantschakar, haben wir Zuflucht gesucht. Der Feind hat uns umzingelt. Wir vertrauen uns der Gnade des Himmels an.«

Nachdenklich blickte Aram Michailowitsch auf das Blatt mit den Schriftzeichen.

»Hier im Sewan-Gebiet gab es also einmal eine große Quelle.«

Armjon war aufgesprungen.

»Ja, es hat Wasser hier gegeben«, fuhr der Lehrer fort, »aber zu unserem Unglück ist es verschwunden.«

»Wo mag nur die große Quelle gewesen sein?« fragte Armjon.

»Das wissen wir eben nicht«, sagte Aram Michailowitsch. »Komrn, laß uns zu Großvater Assatur gehen und diese Sache mit ihm besprechen.«

Unterwegs trafen sie Kamo.

Aufgeregt rief Armjon ihm zu:

»Kamo, eine große Neuigkeit, du wirst staunen. Komm mit zum Großvater, da wirst da alles hören.«

Der Alte erschrak, als er die Besucher erblickte. Er war ganz blaß geworden.

»Was ist geschehen?« stotterte er mit zitternden Lippen. »Du sollst uns das Geheimnis der Tonkrüge erklären, Großvater.«

»Der Tonkrüge?« Der Alte zitterte so, daß er sich nicht auf den Beinen halten konnte. Schwerfällig sank er auf die Polsterbank. »Ich. . . ich. . . Was habe ich damit zu tun?« stammelte er.

»Was ist dir denn, Großväterchen? Armjon hat in einem der Tonkrüge eine alte Inschrift entdeckt, in der es heißt, daß es in alter Zeit in dieser Gegend viel Wasser gegeben hat. Weißt du was davon? Hast du auf deinen Streifzügen vielleicht mal Spuren alter Wasserwege gefunden?«

»Ach, das wollt ihr wissen«, sagte der Alte und atmete erleichtert auf. »Nein, ich habe so was noch nie gesehen. Wenn auch nur eine Spur von Wasser da wäre, hätten wir es doch längst herangeholt. Wie oft ist unsere Ernte von der Dürre vernichtet worden. . .«

»Weißt du, Großväterchen«, erklärte der Lehrer, »in alten Zeiten war es oft üblich, daß da, wo die Flußläufe ihren Ausgang nahmen, Steinbilder aufgestellt wurden, die den Wassergott darstellten. Solche Steinbilder hast du wohl nie gesehen?«

»Nein«, überlegte der Großvater, »auf solche Steinbilder kann ich mich nicht besinnen... Doch halt, unter dem Schwarzen Felsen auf dem Dali-Dagh steht ein Drache, aber sein Schwanz ist abgebrochen.«

»Ein Drache? Das könnte so ein Standbild sein«, rief der Lehrer voller Erregung. »Mach dich fertig, Großvater, wir müssen gleich dort hingehen und uns den Drachen ansehen.«

Auf geheimnisvollen Wegen

Kamo beeilte sich, zu Asmik zu kommen. Bei der Farm traf er Seto, der gerade am Zaun stand und Asmik zuschrie:

»Mit einer Kükenmutter aus Eisen müssen eure Küken ja krepieren! Da habt ihr was Rechtes gemacht. Beim Bart des Großvaters Assatur sage ich euch...«

Als er aber Kamo kommen sah, brach er mitten im Satz ab und ergriff die Flucht.

»Kümmere dich nicht um ihn«, sagte Kamo. »Lauf lieber schnell zu Grikor und sag ihm, daß wir auf den Dali-Dagh wollen.«

»Auf den Dali-Dagh?« jubelte Asmik. Sie war sofort bereit und lief zu Grikor.

Doch dessen Mutter wollte nichts davon hören.

»Wegen jeder Kleinigkeit holt ihr ihn — zu Hause kommt er zu gar nichts mehr«, meinte sie ärgerlich.

»Mütterchen, wenn das ein anderer sagen würde als du — du weißt doch, daß ich bei jeder Expedition dabeisein muß«, versicherte Grikor ernsthaft.

»Nun, geh schon«, lachte die Mutter. »Aus dir wird ja doch nichts Gescheites.« Zärtlich strich sie ihm über den Kopf.

»Wart's nur ab, Mütterchen, dazu gehört Zeit — fünfzig Jahre vielleicht«, rief Grikor im Davonlaufen.

»Streitest du dich manchmal mit deiner Mutter?« wollte Asmik wissen.

»Streiten? Natürlich — sehr oft sogar, so wie eben. Wenn wir aber genug gestritten haben, müssen wir immer lachen.«