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»Du sagst, das hier sieht gar nicht wie Eisen aus? Du hast recht, man könnte es für einfache rostige Erde halten. Daran ist auch die Luft schuld. In einem Buch heißt es darüber: ,Wenn der in der Luft enthaltene Sauerstoff sich mit Eisen verbindet, entsteht Rost. Aber sobald man dieses Erz ins Feuer legt, sondert sich der Sauerstoff ab und wir erhalten reines Eisen...' Komm, ich will dir mal zeigen, was ich bei uns im Stall eingerichtet habe. . . «

Seto brachte Armjon in einen alten Schuppen. In einer Ecke stand etwas, das aussah wie ein Schmelztiegel mit Blasebälgen. Daneben lagen auf dem Fußboden mehrere Stücke Steinkohle.

Armjon war sprachlos vor Erstaunen.

Seto fragte gar nicht erst, ob ihm das Spaß mache und ob er Zeit dafür habe, seine Erklärungen anzuhören und seine Steine zu betrachten. Er war selber so begeistert, daß er gleich mit dem Blasebalg Feuer schürte. Dann nahm er ein Stück Erz in eine Zange und wendete es in einem Tiegel über dem Feuer von einer Seite auf die andere. Schließlich zog er mit der Zange einen glühenden, funkensprühenden Klumpen aus dem Tiegel und hielt ihn Armjon triumphierend hin:

»Hier hast du das Eisen, wie du es kennst. Weißt du aber auch, wieviel Eisen in unseren Bergen steckt? Und nicht nur Eisen. Was es sonst noch alles bei uns gibt! Warte mal...«

Seto suchte in der Ecke des Stalls einen Stein heraus und zeigte ihn Armjon:

»Weißt du, was das für ein Stein ist? Du würdest ihn wahrscheinlich wegwerfen. Aus solchen Steinen kann man Kupfer ausschmelzen. «

»Woher weißt du denn das alles?« staunte Armjon. »Woher? Aus Büchern. Und auch der Lehrer hat uns in der Naturkunde viel davon erzählt. Ich höre ihm gerne zu! — Wir haben nicht nur Erze. Es gibt in unseren Bergen noch vieles andere, wovon wir nichts wissen.«

Seto, der sich in diesen Dingen seiner Überlegenheit bewußt war, fuhr begeistert fort:

»Hinter dem Tschantschakar gibt es eine kleine Schlucht — kennst du sie? Hast du gesehen, daß da an einer Stelle ein Loch in den Felsen geschlagen ist und daß davor Schlacke verstreut liegt?«

»Ja, ich kenne die Stelle.«

»Großvater Assatur sagt, daß unsere Vorfahren dort Erz geschmolzen haben. Sie haben es verstanden, so feste Legierungen zustande zu bringen, daß die Schwerter ihrer Feinde wie Holzsäbel an den Schilden, die aus solchen Erzen gemacht wurden, zerbrachen...«

Seto schwieg. Nach einer Pause sagte er ein wenig verlegen: »Weißt du, für die Erze habe ich gar nicht mehr viel übrig. Ich habe hinter dem Tschantschakar Dinge gefunden, daß mir der Atem stockte: Basalt, Marmor — und was für Marmor! Schneeweißen mit rosa Äderchen, schwarzen mit gelber Maserung, als ob Blumen darüber ausgestreut wären, grünen Marmor... ganze Paläste kann man aus solchen Steinen bauen!«

»Was bist du doch für ein gescheiter Kerl, Seto! Was du alles weißt!«

Seto lächelte verlegen:

»Was du glaubst! Es gibt noch so vieles, was ich nicht weiß... Die Steine da drüben zum Beispiel. Ich habe bis jetzt nicht raus-kriegen können, was damit los ist... Ich werde Aschot Stepanowitsch danach fragen... Warte, ich will dir aber noch was zeigen... «

Seto kramte im Stallverschlag und fand ein kleines, einem Tabakbeutel ähnliches Säckchen, das er Armjon hinhielt: »Was meinst du wohl, was da drin ist?«

Armjon öffnete das Säckchen. Es enthielt eine Art Sand von blaßgelber, ausgeblichener Farbe.

»Es sieht aus wie Machorka, ist aber schwer wie Metall... Was kann das sein?«

Setos Augen leuchteten.

»Stell dir vor«, sagte er begeistert, »es ist Gold! Richtiges, reines Gold! Im Frühling hat es unser Flüßchen, zusammen mit dem Sand, aus den Bergen angeschwemmt. Aber in diesem Zustand glänzt es nicht. Wahrscheinlich ist daran auch die Luft schuld. Oder es ist noch etwas beigemischt — genau weiß ich es nicht.«

»Diesen Sand mußt du an den Staat abliefern«, sagte Armjon. »Man muß das melden.«

»Selbstverständlich liefere ich ihn ab. Ich habe es Aschot Stepanowitsch und seinem Kollegen schon gesagt. Ich glaube, in unseren Bergen sind noch viele Schätze verborgen. Die will ich suchen helfen.«

Armjon schwieg. Setos Erzählungen hatten tiefen Eindruck auf ihn gemacht. Seto selber aber stand nun, nachdem er Armjon sein Geheimnis verraten hatte, vor ihm wie ein Schüler, der von dem Lehrer Schelte erwartet.

Endlich brach Armjon das Schweigen:

»Weißt du, Seto, das freut mich alles so sehr: jetzt weiß ich, daß du gar nicht der bist, für den wir dich immer gehalten haben. Aber deswegen war es doch nicht recht, daß du die Schule geschwänzt und die vielen anderen Dummheiten gemacht hast...

Der Weg, den du gehen mußt, steht doch fest — du wirst Geologe werden. Um aber ein richtiger Geologe zu werden, brauchst du Bildung. Du mußt viel lernen, viel, sehr viel sogar... Wir werden mit Aram Michailowitsch sprechen und auch mit den Geologen. Du wirst später nach Jerewan gehen und dort das Bergbauinstitut besuchen. Aschot Stepanowitsch wird dir sicher dabei helfen... Was bist du doch für ein feiner Kerl!« schloß Armjon und umarmte den Kameraden mit solcher Herzlichkeit, daß Seto ganz verlegen wurde.

»Ja, du hast recht. Ich will lernen, viel lernen.«

Nachts am Ufer des Gilli-Sees

Kamo und Armjon lagen am Ufer des Gilli-Sees und lasen. Der eine war in das Buch ,Der wahre Mensch von Boris Polewoi vertieft, der andere in die Erzählungen von den Heldentaten der ,Tscheljuskin'.

»Wir taugen auch zu rein gar nichts mehr«, rief Kamo plötzlich aus und sprang auf. »Wozu sind wir zu gebrauchen? So geht es doch nicht weiter! Wozu, frag' ich dich, Armjon!«

Kamo war ein unternehmungslustiger Bursche geworden. Eine seltsame Unruhe hatte ihn ergriffen. Er spürte seine wachsenden Kräfte, machte immer kühnere Pläne und war überzeugt, daß es für ihn keine unüberwindlichen Schwierigkeiten gab.

Armjon hingegen war während des letzten Jahres schweigsamer geworden, verschlossener, mehr in sich gekehrt. Er hatte eine rege Phantasie und gab sich gern Schwärmereien hin. Seine guten, klugen Augen leuchteten klar und ruhig.

»Der Tatendrang allein genügt nicht«, sagte er, »man muß auch die nötigen Kenntnisse haben. Man muß Geologe sein, Struktur und Aufbau der Berge kennen. Mit der Kraft allein, mit der Gewalt ist nichts zu erreichen. .. «

»Du predigst immer nur: Geduld, Geduld!« ereiferte sich Kamo. »Ich finde keine Ruhe, dich aber läßt das alles kalt. Wie kannst du so gelassen sprechen, während unsere Kolchosfelder geradezu verdursten?«

»Mit Hast und Ungeduld wirst du hier nicht weit kommen. Man muß alles gut überlegen«, sagte Armjon altklug. »Komm, es ist Zeit, nach Hause zu gehen, es ist schon spät.«

»Nein, ich bleibe heute hier. Es ist so schön hier draußen. Ich habe meiner Mutter gesagt, daß ich vielleicht nicht nach Hause komme.«

»WilIst du denn hier übernachten?«

»Die Luft ist so herrlich rein! Man müßte ein Narr sein, wenn man von hier wegginge, um im dumpfen Zimmer zu schlafen.«

Kamo sammelte Schilfrohr, um sich daraus ein ,weiches ' Lager zu machen.

»Dann bleibe ich auch hier,« sagte Armjon. »Ich werde die Sterne ansehen und hören, wie das Schilf rauscht.«

Die Freunde streckten sich aus und vertieften sich wieder in ihre Bücher.

Bald ging die Sonne unter. Der See wurde fast schwarz, und ein leichter Wellengang rollte, vom Abendwind aufgewirbelt, an den Strand. Aus der Ferne ertönte die Stimme des ,Wassermanns'. Jetzt, in der Dämmerung, klang sie noch geheimnisvoller und unheimlicher.

»Du sagst: ,Reg dich nicht auf!' Wie aber soll man sich nicht aufregen, wenn wir nicht einmal rausbekommen können, woher dieses Brüllen kommt?« sagte Kamo und schlug ärgerlich sein Buch zu.

Armjon antwortete nicht. Nachdenklich sah er zu den Gipfeln der Berge empor, die im Abendrot leuchteten.