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Asmik sah den Freund strahlend an:

»Ich werde euch doch nicht im Stich lassen.. . Außerdem bin ich viel zu neugierig, was ihr jetzt machen werdet...«

Wo soll gegraben werden?

Hastig stiegen die Kinder den Berg hinauf. Ein und dieselbe Frage beschäftigte sie alle.

Sie wußten nun, daß unterhalb der Abhänge, vielleicht unmittelbar unter ihren Füßen, ein unterirdischer Fluß aus dem Bergsee in den Gilli-See strömte. Wo aber dieser Fluß lag, wußten sie nicht. Sie eilten weiter, ohne ihr Ziel zu kennen, wie von einer unsichtbaren Hand geführt. Sie konnten doch jetzt nicht ruhig zu Hause sitzen, nachdem sie eben erst den seit Jahrhunderten verschwundenen Fluß wiedergefunden hatten - das verschwundene Glück ihres Dorfes?...

Immer weiter stiegen sie, schweißbedeckt und müde. Endlich blieben sie schwer atmend stehen, und Armjon fragte: »Wohin wollen wir eigentlich?«

Kamo ärgerte sich:

»Auf den Berg natürlich... Nachgraben wollen wir!« »Gut und schön, aber wo wollen wir nachgraben?« »An welcher Stelle?«

Kamo wurde verlegen. Bis jetzt hatte er geglaubt, die Feststellung, daß unter dem Dali-Dagh Wasser floß, genüge, um es auch zu finden. Jetzt aber begriff er, daß noch eine weitere Frage offen war: Wo sollte man nachgraben?. .. Die Abhänge des Dali-Dagh zogen sich in einer Breite von zwanzig bis dreißig Kilometern hin, während das Flußbett vielleicht nicht einmal einen ganzen Meter breit war. . . Wie sollten sie diese winzige Ader in einem so riesigen Berg finden?

»Kinder! Kehren wir lieber wieder um!« schlug der Großvater vor und stopfte seine Pfeife. »Wir wollen uns erst mal Rat holen. . . «

Es blieb nichts anderes übrig, als den Vorschlag des Großvaters zu befolgen.

Ins Dorf zurückgekehrt, gingen die Kinder erst einmal zum Kolchosvorsitzenden Bagrat und erzählten ihm ihre Erlebnisse.

Bagrat freute sich, daß sie zu ihm gekommen waren.

»Ihr habt also Wasser gefunden, das heißt nicht gefunden, sondern festgestellt, daß es da ist? Jetzt muß die Suche richtig organisiert werden.«

Bagrat dachte nach.

Dann wandte er sich an die im Zimmer anwesenden Kolchosmitglieder:

»Was sagt ihr dazu? Kamo und seine Freunde haben eine ungeheure Entdeckung gemacht: Sie haben das vor langer Zeit verschwundene Wasser gefunden, sie haben festgestellt, daß es irgendwo unter unseren Feldern ein Flußbett geben muß. Sie wissen aber nicht, wo es liegt. Was ist da zu tun?«

Kamos Vater meinte, man müsse auf dem Dali-Dagh nachgraben.

»Was sollen wir sonst tun? Wir können doch nicht die Hände in den Schoß legen!«

»Du hast recht, Samson. Laß dir alle vorhandenen Spitzhacken, Spaten und sonstigen Werkzeuge in die Schmiede bringen und sorge dafür, daß alles in Ordnung ist. Auftrag für die Gruppenführer: Von jeder Gruppe vier Mann absondern! Morgen früh um fünf Uhr seid ihr alle hier vor der Verwaltung... Ist es recht so, Kamo?«

Kamo trat verlegen an den Tisch des Vorsitzenden heran:

»Onkel Bagrat«, stotterte er, »ich glaube, Armjon, Seto, Grikor und meine anderen Kameraden sind mit mir einig... Wir möchten die von uns angefangene Arbeit auch selber beenden. Das ist eine Frage der Ehre, nicht nur für uns allein, sondern für unsere Jugendorganisation.«

Bagrat zog zwar die Brauen hoch, erklärte sich aber schließlich doch einverstanden.

»Wie ihr wollt«, sagte er, »geht selbst auf die Suche. Wenn es nötig wird, werden wir euch helfen.«

Nun eilten die jungen Leute zu Aram Michailowitsch. Er hörte sie an und sagte:

»Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, welchen Weg das vom Berg abfließende Wasser nimmt und wo man es abfangen kann. Dann müssen wir einen Ausgang dafür schaffen. Da sind ja auch die Geologen, die werden uns dabei unterstützen... «

Aschot Stepanowitsch lachte über das ganze Gesicht.

»Ihre Schüler sind tüchtige Kerle, das muß man ihnen lassen.«

Er hatte sich diese Meinung schon lange gebildet und freute sich nun, daß er sie dem Lehrer sagen konnte.

Nun folgte eine lange Unterredung zwischen Aram Michailowitsch und den beiden Geologen. Man beriet hin und her, was zu tun sei.

»Ich glaube, die Höhle, die im Volksmund ,Höllenpforte' heißt, muß zuerst untersucht werden«, schlug Aschot Stepanowitsch vor.

»Dieser Ansicht bin ich auch«, stimmte Aram Michailowitsch zu.

»Höre, Aram«, mischte sich Großvater Assatur in das Gespräch, »es ist nicht recht von euch, daß ihr die Kinder gerade dorthin schicken wollt. An der Höhle ist es nicht geheuer.«

»Wenn es gefährlich wäre, Großväterchen«, erwiderte der Lehrer, »würden wir sie nicht hinschicken.«

Der Alte fügte sich schweigend. Seit dem Tage, an dem sie das Bett des alten Kanals gefunden hatten, war Aram Michailowitsch für ihn eine Autorität geworden, der man nicht wider-sprechen durfte.

Der Lehrer aber fuhr fort:

»Wir brauchen eine vollständige Gebirgsausrüstung. In die Höhle zu gelangen, ist nicht schwer — von der Bergspitze bis hinunter zu ihr sind es höchstens zehn Meter. Habt ihr euch denn die ,Höllenpforte' genau angesehen?« fragte Aram Michailowitsch.

»Dazu hatten wir noch keine Zeit«, sagte Grikor. Und zu den Kameraden gewandt, fügte er leise hinzu: »Wir hatten zu viel mit dem Honig zu tun.«

Asmik prustete los und wurde rot. Kamo schwieg verlegen.

Armjon aber sagte:

»Ich habe sie mir genau angesehen und habe auch schon darüber nachgedacht, aber...«, er zögerte.

»Ich wußte, daß dir nichts entgehen würde«, sagte Aram Michailowitsch und strich Armjon über das Haar.

»Was sollte uns denn auffallen?« fragte Kamo. Und wieder war er voller Neid gegen Armjon, der so klug war und so vieles merkte, was anderen und auch ihm entgangen war.

»Darüber werden wir sprechen, wenn wir die Höhle untersucht haben«, antwortete der Lehrer und lächelte Armjon zu.

»Dein Gewehr wirst du doch mitnehmen, Großväterchen?« wollte Grikor wissen. »Ich habe beim letztenmal auf den Schwarzen Felsen Rehböcke gesehen. Am Spieß gebraten, schmecken die auch nicht schlecht.«

»Ein Jäger ohne sein Gewehr — das wäre mir das rechte«, meinte der Großvater.

Aschot Stepanowitsch verabschiedete sich:

»Bis morgen früh also!«

Und Kamo sagte zu seinen Freunden:

»Wir wollen uns zeitig bei mir treffen. — Jetzt müssen wir schlafen gehen, morgen gibt es viel Arbeit.«

Auf dem Heimweg sagte der Großvater zu seinem Enkeclass="underline"

»Ich werde Großmutter Nargis sagen, sie soll uns ein gutes Stück Hammelfleisch kochen und es in Lawasch[14] einwickeln. Wir werden es mitnehmen und es uns bei den Schwarzen Felsen gut schmecken lassen.«

An der Höllenpforte '

Als am nächsten Morgen die Sonne aufging, hatten Kamo und seine Freunde bereits die alte Eiche bei den schwarzen Felsen erreicht. Hier machten sie halt und ruhten sich aus.

»Unsere Vorfahren sind in jedem Herbst zu diesen Felsen gewandert und haben Opfergaben mitgenommen«, erzählte der Großvater. »Da drüben, das schwarze Loch, das ist ja schon die .Höllenpforte’. Dahinein ist noch nie jemand gegangen...

Nur ein einziges Mal hat mein Gevatter Mukel all seinen Mut zusammengenommen und hat sich in diesen Teufelsschlund hineingewagt. Die Kälte ist ihm entgegengeschlagen wie aus einem Grab, hat er gesagt. In seinem Kopfe drehte sich alles ... Irgendwo in der Tiefe zischte und brodelte es. Da hat ihn das Entsetzen gepackt. Wie er wieder rausgekommen ist, wußte er selbst nicht. ,Ganz gewiß', sagte er, ,kocht dort der Satan in seinem großen Kessel die Seelen der Sünder: er hat die Ärmel aufgekrempelt und wirft einen nach dem anderen hinein...’ Ihr Stöhnen wird es wohl auch gewesen sein, was mein Gevatter Mukel gehört hat... «

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14

Lawasch = ungesäuerter, dünn ausgerollter Brotteig.