»Es hat ja gedröhnt wie bei mir in der Schmiede!« rief Samson fröhlich. »Was war denn eigentlich los?«
»Wie sollte es nicht dröhnen?« antwortete Grikor und zwinkerte den Freunden zu. »Wir haben mit den Teufeln gekämpft. Dynamit haben wir ihnen unter die Hölle gelegt. Das hat sie schrecklich geärgert. Sie konnten mit den Jungpionieren nicht fertig werden. Da haben sie sich eben an dem Baum gerächt.«
»Der arme Baum!«
»Hat es denn bei euch nicht geregnet?«
»Wieso nicht? Gewiß hat es geregnet, über dem Wasser und über den Felsen.«
Da mischte sich Sona ein:
»Die Jungen sind ja blind. Mit meinen eigenen Augen hab' ich gesehen, wie der Satan in den Baum gefahren ist... Sie lügen.«
Seto errötete bis in die Haarwurzeln; er schrie die Mutter an: »Bin ich denn nicht heil und gesund zurückgekommen? Ist dir das immer noch nicht genug?«
Da schwieg auch Sona beschämt.
Als sich die Kolchosmitglieder überzeugt hatten, daß niemand zu Schaden gekommen war, beruhigten sie sich und gingen auseinander.
Die Nacht brach an. Noch immer brannte die große Eiche am Fuß des Tschantschakar und leuchtete grell wie eine Riesen-fackel in die Nacht hinein.
Der alte Jäger Assatur fand keinen Schlaf. Er war noch nie so aufgeregt gewesen wie in dieser Nacht.
»Sag, Frau, was sind wohl solche Menschen wie du und ich wert?« fragte er seine Alte. Sie sah ihn verständnislos an. Er ging, ohne eine Antwort abzuwarten, in den Stall.
Die alte Nargis sah ihm kopfschüttelnd nach: Was ist mit ihm? dachte sie; ist er närrisch geworden?
Der Alte hatte sich in einen Stallwinkel gesetzt und redete mit sich selbst.
»Hat sich je einer deiner Vorväter einen Archaluk für unreines Geld gekauft — wie du ihn kaufen willst? Hat sich deine Mutter ein Kleid für unreines Geld gekauft — wie du es deiner Frau kaufen willst? Hat denn jemand am Ende seines Weges unreines Geld in der Tasche gehabt — wie du es hast?« fragte er sich, von Gewissensbissen gepeinigt. Er verfluchte den Schatz des Fürsten Artak, über den er sich zuerst so gefreut hatte und der ihm jetzt solchen Kummer bereitete. Er kam sich vor wie gefangen.
»Verflucht soll er sein, der Schatz! Hat mich schon genug gequält... Ich werde ihn abliefern«, beschloß er, »vielleicht wird mir dann wieder leichter ums Herz.«
Als er dann seinen Schatz hervorholte, wurde es ihm schwarz vor Augen, und während er seine Hände in den Sack steckte und die Goldsachen und Edelsteine herausnahm und betrachtete, wurde er doch wieder recht wankelmütig.
»Ich sehe — und traue meinen Augen nicht... Ein Schatz, ein richtiger Schatz«, wiederholte er und ließ die schweren goldenen Ketten durch seine Finger gleiten. Die Edelsteine funkelten und glänzten im Schein der trüben Petroleumlampe.
Der Großvater sah sich ängstlich um; er nahm ein prächtiges Armband aus schwerem Gold aus dem Sack und hielt es ans Licht.
»Das alles gehört mir! Dieser fürstliche Reichtum! Ich, der Jäger Assatur, bin auf einmal ein Millionär geworden? So was kann einen Menschen doch rein um den Verstand bringen... «, murmelte er. »Wie wird sich meine Alte freuen, wenn sie davon erfährt! ,Welcher Jäger', sagte sie immer, ,hat es je zu etwas gebracht? ' Der Weiberverstand glaubt eben nicht an das Glück...«
Der Alte legte die Schmuckstücke behutsam in den Sack zurück und versank in Nachdenken.
»Soll ich ihn denn wieder verstecken?« murmelte er vor sich hin. »Immer wieder verstecken und immer in solcher Angst leben? Mein Enkel leistet Großes, und ich muß mich vor ihm schämen. .. Vorher war es viel besser — ich war nicht reich, aber dafür war mir's leicht ums Herz!... Wie Blei liegt mir diese Last auf dem Herzen! Mein Leben war vorher so schön, ich war ehrlich, war glücklich ... Warum habe ich mir fremdes Gut angeeignet?«
Der Alte sprang plötzlich auf, warf den Sack über die Schulter und ging auf die Tür zu. Doch unmittelbar am Ausgang blieb er stehen und setzte sich wieder. Er schwankte von neuem.
»Bin ich nicht ein Narr? Das ganze Leben lang hab' ich davon geträumt, Gold zu finden, und jetzt, nachdem ich es gefunden hab', will ich so dumm sein und es nicht behalten. Nein, Assatur, die Vernunft sagt dir: Das Glück hat an deine Tür gepocht — verjag es nicht! Sei kein Narr!«
Von neuem wurden alle guten Vorsätze des Jägers Assatur von der Gier nach Besitz, nach persönlichem Eigentum zunichte gemacht. Er stand auf, nahm den Sack und versteckte ihn wieder in dem Loch in der Erde.
Ein Zwischenfall in der dunklen Höhle
Als die Kinder sich am nächsten Tage wieder zum Fortgehen bereit machten, sagte der Großvater zu ihnen:
»Heute, Kinderchen, komm' ich nicht mit, ich hab' im Kolchos zu tun. Mir wäre es lieber, wenn ihr auch nicht in diese verfluchte Höhle zurückgingt. Aber ihr seid ja nicht zu halten. Nur eine Geschichte will ich euch noch erzählen — vielleicht kann sie euch nützen, wenn ihr mit dem Dynamit herumhantiert. Ihr kennt doch den Großvater Oganes?«
»Den blinden?« fragte Seto.
»Ja, den blinden Oganes. Er ist aber nicht immer blind gewesen. Ein hübscher, waghalsiger Bursche war er in seiner Jugend. Durch eine Fahrlässigkeit ist er erblindet — ungeduldig und hitzig war er... Wir haben damals im Dorf einen Brunnen gebaut und ihn mit Steinen ausgelegt. Die Steine dazu sprengten wir aus den Felsen heraus. Da haben wir, Oganes und ich, ein Loch in den Fels gebohrt; wir schütteten Pulver hinein, setzten die Zündschnur ein, zündeten sie an und liefen weit weg. Wir warteten, warteten, aber die Explosion kam und kam nicht. Oganes stieß mich an: ,Das Pulver muß naß sein, oder die Zündschnur ist erloschen. Komm!' Ich sage: ,Oganes, warte! Wer weiß, vielleicht explodiert es noch.' Aber er hatte hitziges Blut, wie unser Kamo. Er hörte nicht auf mich und ging... Kaum hatte er sich gebückt, um die Zündschnur zu untersuchen, da explodierte das Pulver!... Und es hat ihm die Augen ausgebrannt, dem jungen, hübschen Burschen.. . «
In der Höhle angekommen, nahmen die jungen Forscher ihre Arbeit wieder auf. Sie bohrten ein Loch in den Felsen, legten den Sprengstoff hinein und befestigten die Zündschnur. Aschot Stepanowitsch zündete sie an, und alle stürzten Hals über Kopf zur Höhle hinaus.
Eine Viertelminute, eine halbe Minute verging — die Explosion blieb aus.
Dem stets ungeduldigen Kamo kam es vor, als sei mindestens eine Stunde vergangen.
»Wir werden hier doch nicht bis zum Abend sitzen«, rief er schließlich und sprang vor. »Wahrscheinlich taugt die Kapsel nichts.«
Aschot Stepanowitsch hatte keine Zeit mehr, Kamo zurück-zuhalten.
»Kamo, kehr um! Hast du vergessen, was der Großvater erzählt hat?« rief ihm Armjon nach. »Denke an den blinden Oganes! Wie...«
Ein ohrenbetäubendes Getöse unterbrach ihn mitten im Satz. Die durch die Explosion an die Decke der Höhle geschleuderten Felsstücke prasselten als schwerer Steinhagel herunter. Rauch und der stickige Geruch nach Dynamit erfüllten die Luft.
Die Freunde drangen in die Höhle ein. Sie fanden Kamo bewußtlos; er lag lang ausgestreckt auf den Steinen.
Aschot Stepanowitsch und Grikor hoben ihn auf und trugen ihn ins Freie. Sie untersuchten ihn. Keinerlei Verletzungen waren zu entdecken. . . Lediglich an der Schläfe war ein kleinerm blauer Kreis zu sehen — nicht größer als ein Knopf.
Kamo atmete nur noch schwach...
Auf einer Tragbahre, die sie in aller Eile aus Ästen gezimmert hatten, wurde Kamo ins Dorf gebracht. Der Schreck der Mutter war unbeschreiblich. Als sie die Tragbahre erblickte, schrie sie auf und stürzte ohnmächtig nieder.
Kamo wurde ins Zimmer getragen. Die Nachbarn liefen herbei. Aram Michailowitsch und Bagrat wurden gerufen.
Der sonst immer so gelassene Kolchosvorsitzende stürzte aufgeregt ins Zimmer. Er beugte sich über die Tragbahre, hob Kamo auf und bettete ihn auf das Sofa.