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Der alte Jäger fing, als er seine triumphierenden Blicke im Kreise gehen ließ, aus Aram Michailowitschs Augen einen vorwurfsvollen Blick auf. Da kam ihm seine ganze Schuld plötzlich zum Bewußtsein. Eine merkwürdige Veränderung ging in ihm vor. Das triumphierende Lächeln verschwand von seinem Gesicht. Der Alte kniete nieder, senkte den Kopf und stammelte:

»Verzeiht mir, ihr alle, du, Kamerad Bagrat, und du, Aram Michailowitsch... Ich habe Unrecht getan.« Seine Stimme wurde von aufsteigenden Tränen erstickt.

Der Großvater sah mit einem Male um Jahre gealtert, gebrechlich und schwach aus.

»Woher hast du das alles?« fragte Aram Michailowitsch streng.

»In einem Krug hab' ich es gefunden, den wir im vorigen Jahr vom Tschantschakar runtergebracht haben... Unter dem Honig... «

»Und warum hast du das bis jetzt versteckt? Warum hast du keinem etwas davon gesagt?«

Bei dieser Frage wurden alle sehr ernst.

Anaid flüsterte erschrocken:

»Man wird ihn verhaften.«

Artjom, der Verwalter der Molkerei, der eben erst ins Zimmer gekommen war, sagte:

»Das geschähe ihm auch nur recht.«

Inzwischen hatte der alte Jäger weitergesprochen:

»Ich weiß, ich hab' mich versündigt, Brüder... hab' es damals nicht gleich abgeliefert. Die Habgier hat mir die Augen geblendet. Vergebt mir! Dieses Gold liegt seitdem wie eine Zentnerlast auf meinem Herzen. Ich bitte euch, Brüder, befreit mich von dieser Last!«

»Weshalb hast du dich denn jetzt entschlossen, das Gold herzugeben? Wohl Kamos wegen?«

»Bagrat, ich sah, was diese Kinder vollbrachten, und habe mich geschämt. In den Erdboden wäre ich am liebsten gesunken. . .« Der Großvater zeigte auf Kamo und seine Kameraden. »Sie dachten nicht an sich selbst, sie wollten das Wohl aller, aber ich habe nur an mich gedacht. . . «

Die Anwesenden hörten ihm stumm zu.

»Beim Leben dieser Kinder schwöre ich es«, fuhr der Großvater fort, »mein Gewissen hat mich die ganze Zeit gequält. Im Stall habe ich den Sack versteckt und bin oft hingegangen und habe ihn rausgeholt. Ich hatte ihn mir schon auf die Schulter geworfen, um ihn wegzubringen, das Gold abzugeben, aber... meine Beine wollten nicht. Oft habe ich gedacht: Niemals in seinem Leben hat der Jäger Assatur etwas Unrechtes getan. Und nun geht meine Ehre verloren wegen dieses Plunders. «

Der Alte warf einen feindseligen Blick auf die Kostbarkeiten.

Im Zimmer hatten sich inzwischen immer mehr Leute eingefunden. Die Kunde von den außergewöhnlichen Schätzen hatte sich mit Windeseile im ganzen Dorf verbreitet, und bald war das Haus des Schmiedes Samson voller Menschen.

Niemand, auch nicht Bagrat, hinderte sie daran, hereinzukommen. Es war allen klar, daß der alte Mann sich schwer vergangen hatte, und jeder wartete darauf, was diejenigen dazu sagen würden, die zu einem Urteil berufen waren.

»Was jammerst du?« unterbrach der Rechnungsführer Mesrop die Selbstanklagen des Großvaters. »Du lieferst Millionenwerte ab und bittest noch um Vergebung? Ein anderer hätte sie an deiner Stelle überhaupt nicht abgegeben... «

»Das ist wahr«, pflichtete ihm nun auch Sona bei. »Du hast ganz recht gehandelt, Großväterchen, brauchst dich nicht anzuklagen. «

Es wurden noch einige Stimmen zugunsten des Großvaters laut. Man hätte glauben können, der alte Mann sei dadurch ermutigt worden. Doch es war nicht so. Als Mesrop ihm die Hand hinstreckte, um ihm beim Aufstehen zu helfen, stieß er ihn zurück und rief empört:

»Bin ich so tief gesunken, daß einer wie du mich verteidigen kann? Nein, das Volk soll mich richten. .

Der Großvater wandte sich an die Umstehenden und rief mit gebrochener Stimme:

»Ihr Leute, wenn mich Sona und Mesrop verteidigen, dann tauge ich wirklich nichts mehr... Laßt mich einsperren! Ich fürchte mich nicht vor dem Gefängnis und fürchte auch den Tod nicht. Mein ehrlicher Name ist verloren - das ist es, was schrecklich ist. . . «

Dicke Tränen rollten über die Wangen des Alten und sickerten in seinen weißen Bart...

Das Urteil des Volkes

Nachdem der Kolchosvorsitzende Bagrat lange geschwiegen hatte, trat er an den Großvater heran, hieß ihn auf stehen und sagte:

»Du hast recht, Alter, dein Vergehen ist schwer. Aber wer von uns kennt nicht den Großvater Assatur? Gibt es auch nur einen einzigen unter uns, dem der Großvater nicht in seinem Leben schon geholfen hätte?«

»Keinen einzigen gibt es«, rief Anaid.

»Wer von euch weiß nicht, daß das ganze Leben dieses Mannes sauber und klar gewesen ist wie Kristall?« fuhr Bagrat fort. »Daß er den Schatz an sich genommen hat und sich nicht entschließen konnte, ihn abzuliefern - das sind alles noch Überbleibsel der alten Zeit, die auf dem Charakter vieler Menschen dunkle Flecken hinterlassen hat. Großvater Assatur ist kein Kommunist, aber in den Tagen des Maiaufstandes 1920 hat er uns Partisanen in seinem Stall verborgen und hat uns von seiner Jagdbeute zu essen gegeben... So leicht werden wir Großvater Assatur nicht aufgeben... Er war der gute Geist unseres Dorfes. Die Sache mit dem Gold war nur eine Verirrung... Erinnert ihr euch noch, ihr Leute, wie wir im ersten Revolutionsjahr gehungert haben? Welches Elend wir während des Bürgerkrieges erlitten haben? Wißt ihr noch, wie die Menschen Gras gegessen haben, wie ihre Bäuche auf-schwollen vor Hunger und wie sie starben? Wer hat damals unser Leben gerettet? Wer hat Litschk gerettet? Die Partei und das russische Volk! Wißt ihr noch, wie damals die Züge an-kamen und Getreide für die Hungernden brachten? Wen haben wir gewählt und beauftragt, dieses Getreide in Empfang zu nehmen und gerecht zu verteilen?«

»Den Großvater Assatur! ... Natürlich den Großvater Assatur!« wurde von allen Seiten gerufen.

»Richtig. Wir haben ihn gewählt, weil er ehrlich war. Und ehrlich«, fuhr Bagrat mit erhobener Stimme fort, »ehrlich ist er auch heute noch. Als Mensch, der in der früheren Gesellschaft aufgewachsen ist, die auf Besitz aus war, konnte er sich nicht ganz von den Eigenschaften und Lastern jener Zeit der Habgier und der Selbstsucht befreien. Die jungen Menschen hier sind frei von diesen Lastern, weil sie in einer neuen Gesellschaft aufgewachsen sind, in einer Gesellschaft, in der die Menschen nur nach dem einen streben — alles Persönliche dem Allgemeinwohl unterzuordnen... Ich möchte also, daß die hier Versammelten über den Großvater Assatur das Urteil sprechen. Meine Meinung wißt ihr. Nun sollen auch andere ihre Ansicht sagen. Dann können wir gleich unseren Beschluß fassen.«

»Was kann dem Großväterchen geschehen?« flüsterte Asmik ängstlich.

Nachdem Bagrat geendet hatte, nahm Aram Michailowitsch das Wort:

»Dieses Gold hier«, sagte er, und zeigte auf die vom Großvater Assatur gefundenen Kostbarkeiten, »ruft in mir die Erinnerung an ein historisches Ereignis wach. Im Frühjahr 1921, als die armenischen Weißgardisten, die Daschnaki, gegen die neue, sowjetische Regierung vorgingen, wurde eine Einheit der elften Roten Armee, an deren Spitze Ordshonikidse, Kirow und Mikojan standen, vom Feinde abgeschnitten. Diese Einheit blieb im Süden Armeniens, bei Nachitschewani, in der äußersten Ecke der Ararat-Ebene, zurück und leistete den konterrevolutionären Truppen Widerstand, obgleich jede Hilfe ausgeschlossen schien. Die Kämpfenden hatten weder Brot, noch hatten sie die nötige Ausrüstung. Vor sich hatten sie die Feinde, hinter sich — den von Feudalen regierten Iran. Ihre Vernichtung schien unvermeidlich zu sein. Plötzlich hörten sie ein Motorengeräusch, und am Himmel tauchte ein Flugzeug auf. Zu der damaligen Zeit war das ein ungewöhnliches Ereignis. Das Flugzeug landete. Es brachte den Kämpfenden Waffen, Munition, Lebensmittel und ein von Lenin gesandtes Säckchen mit Gold. Für dieses Gold gelang es den Kämpfenden, sich im Iran Brot zu beschaffen. Sie kamen wieder zu Kräften, faßten Mut und warfen schließlich den Feind nieder. «