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Er hob Grikors nasse Mütze vom Boden des Bootes auf und zeigte sie Asmik.

»Sie wurde zusammen mit dem Stroh an die Oberfläche geschleudert. Ich habe so große Angst, daß Grikor etwas zugestoßen ist.«

»Ist Grikor vielleicht in den unterirdischen Strom gestürzt?« rief Asmik entsetzt. »Komm schnell heim. Worauf wartest du noch?« Sie eilte den beiden voraus zum Boot.

Beim Rudern wechselten sie sich ab, um schneller vorwärts zu kommen. — Endlich hatten sie das Ufer erreicht. Kamo und Asmik sprangen ans Land und liefen, so rasch sie konnten, dem Dorfe zu. Tschambar jagte hinterher.

Auf dem Weg zwischen den Feldern, kurz vor dem Dorfe, kamen ihnen Seto, Artusch, Armjon und Grikor entgegen.

Asmik stürzte auf Grikor zu und fiel ihm um den Hals. Auch Kamo umarmte den Freund.

»Lebst du, lebst du wirklich, Grikor?« fragte er, indem er ihn von allen Seiten betrachtete.

Warum sollte ich denn gestorben sein? wollte Grikor fragen, erriet jedoch gleich den Zusammenhang, als er seine nasse Mütze sah.

»Du mußt nicht weinen, Asmik«, rief Grikor und strich ihr zärtlich über das Haar. »Ich lass' mich schon nicht so leicht umbringen. Bin ich denn ein Narr, daß ich diese strahlende Welt verlassen sollte?«

Armjon berichtete nun Kamo und Asmik:

»Genau achtunddreißig Minuten, nachdem wir das Wasser abgelassen hatten, war das Gebrüll zu hören. Wir waren in-zwischen schon bis ans Dorf gekommen.«

»Deine Mutter wird sicher wieder geschimpft haben, als sie den ,Wassermann' gehört hat«, wandte sich Kamo lachend an Seto.

»Natürlich wird sie geschimpft haben«, antwortete Grikor. »Sie ist schnurstracks aufs Dach geklettert, hat mit den Armen gefuchtelt und um Hilfe gerufen.«

»Und ihr?«

»Wir haben gelacht«, sagte Artusch. »Wir haben den Kolchosmitgliedern schon erklärt, wie das alles zusammenhängt. «

»Nun, gelehrter Bruder, erkläre du uns, wie das Gebrüll entstanden ist«, wandte sich Kamo an Armjon. »Gegen deine wissenschaftlich begründeten Ansichten werden ernsthafte Einwände laut. Einmal werden sie von diesem ehrwürdigen Greis erhoben« - erwies auf den näher kommenden Großvater - »zum zweiten von der Verwalterin unserer Geflügelfarm«, und er deutete auf Asmik. »Im Grunde genommen sind die Ein-wände gleicher Art und lassen sich etwa so zusammenfassen: Warum brüllt das im See aufschießende Wasser wie ein Drache, wenn es doch gar kein Drache ist? Und warum brüllt dann nicht auch das aus einer Quelle hervorsprudelnde Wasser?«

Armjon lachte. Die jungen Leute drängten sich um ihn und warteten auf seine Erklärungen. Die Frage des Großvaters, weshalb das emporschießende Wasser wie ein Drache brüllt, interessierte sie ebensosehr.

»Bei dem, was ihr eben gesehen habt«, sagte Armjon, handelt es sich nicht um eine gewöhnliche Quelle. Wir haben es mit einem richtigen Strom zu tun, der aus ungeheurer Höhe und mit ungeheurer Gewalt herabstürzt. Wenn das Wasser oben in den Spalt eindringt, reißt es große Luftmassen mit, die von der Strömung bis in den Gilli-See gebracht werden. Dort schleudert der Strom die Luft mit furchtbarer Gewalt an die Oberfläche. So entsteht die Wassersäule. Sie entsteht durch den Luftdruck, und die Luft bildet gigantische Blasen. Die Blasen platzen, und dabei ertönt das schreckliche Brüllen.«

»Ach, Kinder, wie ist das alles doch einfach!« rief Asmik aus. »Endlich hab' ich es erfaßt! Natürlich, wenn die riesigen Blasen platzen, wird die Luft hinausgeschleudert.«

»Großväterchen, was hast du dagegen einzuwenden?« fragte Kamo den Alten.

»Was soll ich sagen?« entgegnete der Großvater verlegen. »Ihr behaltet ja doch recht in allem... Meine Einwände sind keine Kopeke wert. Ich sehe nur eins: es gibt keinen Drachen, es gibt auch keinen weißen Wasserbüffel...«

»So ist es, Großväterchen, glaube deinem Gevatter Mukel nicht«, sagte Kamo lachend. »Hat noch jemand Zweifel? Oder sind noch Fragen an Armjon?«

Alle hatten es begriffen, selbst der alte Jäger.

»Somit sind also die Geheimnisse der Schwarzen Felsen und des Gilli-Sees aufgeklärt«, rief Kamo, »und der ,Wasser-mann' hat heute den letzten Tag gelebt!«

Und in der Tat, von dem ,Wassermann', der das Dorf Litschk jahrhundertelang in Schrecken versetzt hatte, wurde seit jenem Tage nie wieder etwas gehört.

Ein Städter kommt zum kürzesten Fluß der Welt

Bei Anbruch des Frühlings verlassen riesige Schwärme von Schnepfen den heißen Süden und ziehen dorthin, wo der Sommer kühler und weniger drückend ist.

Als Zwischenstation machen diese Schwärme oft am Gilli-See Rast.

Schnepfenschwärme fliegen nur nachts. Wenn sie über den hohen Bergkamm kommen, werden sie von den Fröschen, die die Sümpfe zu Tausenden bevölkern, mit einem so ohrenbetäubenden Konzert empfangen, daß sie ihre Rastplätze auch in der Dunkelheit mühelos finden.

Wenn die Schnepfen kommen, finde ich mich schon seit langen Jahren in dieser mir liebgewordenen Gegend ein.

Als ich in diesem Jahr wiederkehrte, hatte sich vieles verändert. Mit Hilfe von Baggermaschinen war das Flußbett vertieft worden, so daß das Wasser vom Gilli-See schäumend in den Sewan floß. Der Wasserspiegel hatte sich gesenkt, und die Sümpfe, die früher die Ufer des Gilli-Sees eingesäumt hatten, waren verschwunden. An ihrer Stelle breiteten sich üppige grüne Wiesen aus. Der Gilli-See hatte sich in ein fast unerschöpfliches Torflager verwandelt. Rastlos arbeiteten Torfschneidemaschinen, und der Torf wurde mit Lastwagen in die waldarmen Dörfer in der Umgebung des Sewan gebracht.

Auf einer kleinen Wiese, an deren Ende das Schilfdickicht begann, stand ein Hund. Er blickte meinen Jagdhund, ein kleines, schlankes Tier mit glattem Fell, verwundert an. Der derbe Dorfhund schien zu überlegen, ob dieses merkwürdige Geschöpf überhaupt zum Geschlecht der Hunde gehörte. Mein Hund nahm eine angriffslustige Stellung ein und knurrte drohend.

In diesem Augenblick kam ein junger Bursche auf uns zugelaufen. Er schwang einen dicken Knüppel und rief:

»Na, Tschambar, da staunst du. Das ist ein Stadthund. Der kann aber sicher gut hinter Wachteln herjagen.«

Als der Bursche mich sah, wurde er verlegen und zog Tschambar am Halsband zurück. Er hatte ein hübsches, sonnengebräuntes Gesicht und übermütig lachende Augen.

»Was machst du denn hier, Junge?« fragte ich.

»Ich? Ich bin mit Tschambar gekommen, wir wollen nach den Kolchoskälbern sehen«, sagte er und zeigte auf eine in der Nähe liegende Wiese am Sewan, auf der eine Herde Jungtiere weidete.

»Geht dein Tschambar auch auf die Jagd?«

»Und ob! Meist mit unserem alten Jäger, dem Großvater Assatur. Ich habe mit Tschambar einen Vertrag geschlossen«, sagte der Junge, der offenbar ein Schalk war. »Wenn er einen Hasen fängt, gehört mir das Fleisch, die Eingeweide und die Knochen gehören ihm.«

»Der Jäger Assatur? Von dem hab' ich schon mal was gehört. Ist es der, der einen Schatz gefunden hat?«

»Ja, der ist's. Als ich das goldene Geschmeide gesehen habe, blieben mir vor Staunen Mund und Nase offenstehen.«

»Wo ist denn der Großvater Assatur anzutreffen? Ist er auf der Jagd?«

»Auf der Jagd?...

Für solches Kroppzeug hat er kein Interesse«, sagte der Bursche und wies geringschätzig auf die an meinem Gürtel hängenden Schnepfen. »Er fängt Fische, schöne fette Forellen... da drüben.«

Ich ging zum Fluß hinab.

Am Ufer lief ein alter Mann mit einem langen weißen Bart, der ihm fast bis an die Knie reichte, geschäftig hin und her.

»Kamo, laß jetzt deine Schulaufgaben«, schrie er, »komm her, wir müssen den Fischen den Weg abschneiden...«

Nun sah ich auch, daß in der Nähe mehrere junge Leute, in ihre Bücher vertieft, auf der Wiese lagen. Als der Alte rief, stand einer von ihnen auf und ging zu ihm. Ein anderer folgte.