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Er hoffte, dem Captain durch das mehrmalige „S“-Signal verständlich gemacht zu haben, daß er und Prilicla sich nun schlafen legen wollten.

Den nächsten Abschnitt ihres Wegs bewältigten sie in viel kürzerer Zeit, weil sie zum Mittelpunkt des Schiffs einfach über völlig unbeschädigte Decks gehen und auf breiten Rampen oder schmaleren Treppen emporsteigen konnten. Nur einmal kamen sie langsamer voran, als sie eine aus Wrackteilen bestehende Barriere überwinden mußten, die anscheinend durch einen großen und langsamen Meteoriten verursacht worden war, der sich tief ins Schiffsinnere hineingebohrt hatte. Ein paar Minuten später entdeckten sie die erste innere Luftschleuse.

Offensichtlich war diese Schleuse erst nach der Katastrophe von den Überlebenden gebaut worden, denn sie stellte nur wenig mehr als einen großen Metallwürfel dar, den man an die Einfassung einer luftdichten Tür geklebt hatte und der an der Außenluke einen sehr primitiven Verschlußmechanismus besaß. Beide Luken standen offen, und zwar schon seit langer Zeit, denn die Kammer dahinter war mit ausgetrockneten Pflanzen gefüllt, die praktisch zu Staub zerplatzten, sobald Conway und Prilicla sie streiften.

Conway bekam plötzlich eine Gänsehaut, als er sich dieses gewaltige Schiff vorstellte — schwer beschädigt durch zahlreiche Meteoriteneinschläge, aber nicht gänzlich zerstört; blindlings treibend, jedoch nicht ohne Restenergie; mit Gruppen von Überlebenden, die sich in kleinen Licht- und Wärmeoasen aufhielten, durch den ständig steigenden Druckabfall aber voneinander isoliert waren. Doch hatten sich diese Überlebenden etwas einfallen lassen. Sie bauten Luftschleusen, die es ihnen ermöglichten, von einer Insel zur anderen zu gelangen und in Fragen des Überlebens zusammenzuarbeiten, und sie konnten so eine Zeitlang weiterexistieren.

„Mein lieber Freund“, sagte Prilicla, „Ihre emotionale Ausstrahlung ist zur Zeit nur schwer zu analysieren.“

Conway lachte verlegen und entgegnete: „Ich sage mir immer und immer wieder, daß ich nicht an Gespenster glaube, aber anscheinend will ich mir einfach selbst nicht glauben.“

Sie umgingen den Hydrokulturraum, weil ihnen die Markierungen diesen Weg bezeichneten, und ungefähr zwei Stunden später betraten sie einen Korridor, der bis auf zwei große gezackte Löcher in Decke und Boden intakt war. Die sonst völlige Dunkelheit im Korridor war hier seltsam aufgehellt, und sie schalteten ihre Scheinwerfer aus.

Aus einer der Öffnungen drang ein schwaches Flimmern. Als sie an den Rand des Lochs traten, war es, als ob man in einen tiefen Brunnen blickte, dessen Grund ein winziger Lichtkreis war, der von der Sonne herrührte. Innerhalb weniger Sekunden war das Sonnenlicht verschwunden und für ein paar weitere Sekunden waren die Wrackteile am anderen Ende des Tunnels beleuchtet, bis wieder völlige Dunkelheit herrschte.

„Jetzt kennen wir wenigstens eine Abkürzung für den Rückweg zur Außenhaut“, sagte Conway erleichtert. „Aber wären wir nicht zufällig genau zum richtigen Zeitpunkt hiergewesen, als die Sonne hereingeschienen hat.“

Er brach ab und dachte darüber nach, daß sie sehr großes Glück gehabt hatten, und vielleicht auch weiterhin haben würden, denn am Ende des Korridors, in dem der neu entdeckte Ausgang war, befand sich eine weitere Luftschleuse. Sie war mit Leuchtfarbe und einem sehr großen Schmiermittelfleck markiert. Darüber hinaus war die äußere Luke geschlossen, ein deutliches Zeichen, daß der dahinterliegende Raum Druck enthielt.

Prilicla zitterte vor eigener wie auch wegen Conways Aufregung am ganzen Körper, als dieser den simplen Öffnungsmechanismüs zu betätigen begann. Conway mußte sein Vorhaben allerdings einen Moment lang unterbrechen und den Atem anhalten, weil das Funkgerät in seinem Anzug zischte und er bestätigen mußte. Als er das getan hatte, zischte es jedoch weiter.

„Der Captain ist kein besonders geduldiger Mensch“, sagte er gereizt. „Wir sind gerade mal etwas mehr als achtunddreißig Stunden unterwegs, und er hat gesagt, er gibt uns zwei Tage.“ Er machte eine kurze Pause, hielt die Luft an und lauschte auf das schwache, unregelmäßige Zischen, das mittlerweile leiser als sein eigener Atem war, denn sie waren schon weit ins Schiffsinnere vorgedrungen. Es war schwierig zu sagen, wann ein solches Zischen anfing und wann es aufhörte, doch allmählich entdeckte er ein Schema in den Signalen. Drei kurze Knackgeräusche. Pause. Drei lange Knackgeräusche. Pause. Drei kurze Knackgeräusche, gefolgt von einer längeren Pause, nach der die ganze Zeichenfolge immer wieder von vorn begann. Es war ein Notsignal, ein SOS.

„Mit der Rhabwar kann es doch gar keine Probleme geben“, sagte er. „Das wäre ja lächerlich! Also muß es Schwierigkeiten mit den Patienten geben. Jedenfalls wollen sie uns wieder auf dem Schiff haben, und ich würde sagen, die Sache ist dringend.“

Prilicla haftete neben der Luftschleuse an der Wand und antwortete mehrere Sekunden lang nicht. Schließlich sagte er: „Entschuldigen Sie bitte die scheinbare Unhöflichkeit, mein Freund, aber meine Aufmerksamkeit galt gerade etwas anderem. Es ist zwar an der Grenze der Reichweite meiner Wahrnehmungsfähigkeit, aber ich hab eine intelligente Lebensform entdeckt.“

„Sutherland!“ rief Conway erregt.

„Das nehme ich wohl an, mein Freund“, entgegnete Prilicla, und er begann im Einklang mit Conways Gewissenskonflikt zu zittern.

Irgendwo in einem Umkreis von vielleicht hundert Metern steckte der vermißte Arzt der Tenelphi. Zwar war seine körperliche Verfassung nicht bekannt, aber eindeutig war er am Leben. Selbst mit Priliclas Hilfe könnte es eine Stunde oder länger dauern, ihn zu finden. Conway wollte den Mann unbedingt bergen und retten, und das nicht nur aus den üblichen Gründen, sondern auch weil der Arzt garantiert die Antwort darauf wußte, was mit den übrigen Offizieren der Tenelphi geschehen war. Andererseits verlangte man dringend die Rückkehr von ihm und Prilicla zur Rhabwar, und ohne triftigen Grund würde Fletcher niemals ein SOS senden.

Eigentlich konnte sich das Schiff selbst nicht in Schwierigkeiten befinden, also mußte es sich um ein Problem handeln, das die Patienten betraf. Vielleicht hatte sich urplötzlich der Gesundheitszustand der Patienten so ernsthaft verschlechtert, daß selbst Murchison und Naydrad — zwei Wesen, die nicht ohne Grund in Panik gerieten — zugestimmt hatten, die beiden Ärzte auf diese Weise zur Rückkehr zu bewegen. Wie Conway plötzlich einfiel, könnten jedoch eine Ärztin und eine ebenso erfahrene Schwester vielleicht vorübergehend für die Versorgung der Patienten an Bord genügen, wenn schon wenig später zwei weitere Ärzte zu ihnen stoßen würden, von denen einer, nämlich Sutherland, größeres Wissen über die betreffende Krankheit besaß als das gesamte medizinische Personal auf dem Ambulanzschiff.

Kaum hatte Conway seine Entscheidung getroffen, hörte Prilicla zu zittern auf.

„Doktor, wir müssen uns trennen“, sagte Conway. „Offensichtlich werden wir dringend auf dem Schiff gebraucht, oder man will uns vielleicht auch nur dringend sprechen. Würde es Ihnen etwas ausmachen, die Abkürzung zur Außenhaut zu nehmen? Finden Sie heraus, was es für ein Problem gibt, und helfen Sie den anderen, soweit es Ihnen möglich ist. Aber entfernen Sie sich vom anderen Ende des Tunnels frühestens nach einer Stunde, nachdem Sie dort angekommen sind. Während dieser Zeit werden Sie mit der Rhabwar und über den Tunnel mit mir hier unten in Sichtkontakt stehen. Auf diese Weise können Sie Nachrichten in beiden Richtungen weitergeben.

Sie müßten das andere Ende des Tunnels in ungefähr zwei Stunden erreichen können, da kein Zickzackkurs mehr notwendig ist und die Zentrifügalkraft der Eigendrehung des Schiffs Ihnen schneller hindurchhelfen wird. Dadurch sollte mir genügend Zeit bleiben, Sütherland zu finden und mit seiner Bergung zu beginnen. Diese Aufgabe kann ich sowieso nur alleine erledigen, denn um ihn durch diesen Tunnel zu bringen, werden eher DBDG-Muskeln erforderlich sein als die gefühlvolle Anteilnahme eines Cinrusskers.“