Die Sternenaktivität in dieser Region lag weit über dem Durchschnitt, wodurch die Verständigung über Subraumfunk extrem erschwert wurde.
Als wichtig erachtete Funksprüche — und sie mußten tatsächlich sehr wichtig sein, da sie das höchst eigenartige Medium, das der Hyperraum darstellte, nur unter sehr hohem Energieaufwand durchdringen konnten — wurden aufgezeichnet und so lange wiederholt gesendet, wie man es für notwendig und mit der Sicherheit vereinbar hielt; denn der Sendevorgang setzte schädliche Strahlung frei, die nicht wirksam abgeschirmt werden konnte, wenn man den Funkspruch über einen längeren Zeitraum ausstrahlte, besonders dann, wenn es sich um leicht gebaute Aufklärungsschiffe handelte. Die Folge war, daß man einen knappen, stark zusammengefaßten Funkspruch sendete. Da er allerdings durch stellare Interferenzen zerstückelt wurde, strahlte man ihn in Form von fünfzig oder mehr identischen, aber einzeln jeweils unlesbaren Mitteilungen aus, weil man hoffte, daß er so wieder zu einem Ganzen zusammengesetzt werden konnte. Einfache Positionsberichte hingegen waren kurz und deshalb sicher, und der Energieverbrauch war selbst für ein Aufklärungsschiff relativ gering.
Doch die Tenelphi hatte keinen Positionsbericht gesendet. Statt dessen war von ihr wiederholt eine Nachricht ausgestrahlt worden, deren Inhalt besagte, man habe ein großes Wrack entdeckt und sich ihm später genähert, da es sehr schnell auf die Sonne des Sternsystems zustürzte und in weniger als achtundzwanzig Tagen dort auf treffen würde. Keiner der Planeten des Systems bot die notwendigen Voraussetzungen für eventuell vorhandenes Leben, es sei denn, die betroffene Spezies gehörte einer exotischen Art an, die auf dickflüssigem Gestein unter einer kleinen, äußerst heißen Sonne gedeihen konnte. Deshalb war man zu der Annahme gekommen, daß es sich bei dem Eindringen des Schiffs in das Sternsystem eher um einen Zufall als um ein geplantes Vorhaben gehandelt haben mußte. Zwar waren auf dem Wrack noch geringe Energiereserven und mehrere Atmosphäreblasen verschiedener Dichte nachzuweisen, doch gab es keinerlei Anzeichen von Leben. Die Besatzung der Tenelphi wollte an Bord gehen, um vor Ort Nachforschungen anstellen zu können.
Trotz der mangelhaften Qualität des Funkspruchs konnte es keinen Zweifel darüber geben, welche Freude der Funkoffizier der Tenelphi beim Übermitteln dieser Nachricht empfunden haben mußte, da es sich für die Besatzung um eine höchst willkommene Unterbrechung der ansonsten so eintönigen Vermessungsarbeiten handelte.
„… vielleicht haben die in ihrer Aufregung ganz einfach nur vergessen, einen Positionsbericht mitzusenden“, fuhr O'Maras Stimme fort, „oder man glaubte, der Zeitpunkt des Funkspruchs würde uns bei einem Vergleich mit dem Flugplan ihres Schiffs sowieso verraten, wo sie sich befanden.
Jedenfalls war das die einzige Nachricht, die wir zusammenhängend empfangen haben. Drei Tage später gab es einen zweiten Funkspruch, diesmal nicht aufgezeichnet, sondern jedesmal in leicht veränderter Form vom Übersender direkt ins Mikrofon gesprochen. Er besagte, es habe eine schwere Kollision gegeben, das Schiff würde Druck verlieren und die Besatzung wäre außer Gefecht gesetzt worden. Er enthielt auch eine Art Warnung. Meiner fachmännischen Beurteilung nach wurde die Stimme allerdings nicht nur durch eintretende Funkstörungen im Subraum verzerrt, aber das können Sie ja später selbst entscheiden. Jedenfalls wurde zwei Stunden danach eine Notsignalbake ausgesetzt.
Ich hab eine Kopie des zweiten Funkspruchs auf dieses Band überspielen lassen, die Ihnen möglicherweise mehr Klarheit verschafft… oder Sie nur noch mehr verwirrt“, fügte der Chefpsychologe trocken hinzu.
Im Gegensatz zum ersten Funkspruch war der zweite tatsächlich weitgehend unverständlich. Es war, als würde man einem gewaltigen Sturm zuhören, durch den sich eine Stimme im Flüsterton verständlich machen wollte, die zudem noch stark verzerrt war. Sie konzentrierten sich angespannt auf die im Hintergrund zu vernehmenden Wörter, während sie sich noch stärker anstrengten, die rasselnden Explosionen der interstellaren statischen Störungen zu überhören. Naydrads Fell geriet dabei vor Anstrengung in starre, wellenförmige Bewegungen, und Prilicla, der sowohl auf die Gefühle von jedem einzelnen als auch auf die Geräusche reagierte, gab seinen Versuch zu schweben auf und ließ sich zitternd auf den Tisch nieder.
„… Ahnung, ob dies… hier herauskommen oder… Besatzung nicht in der La… Kollision mit dem Wrack und… kann nicht… Notsignalba… sie von innen anschalten… manuell… wir können aber nicht annehmen… Unsinn der Spezialisierung, wenn man… wenn der Funkspruch gesendet wird… Warnung für den Fall… auf Kollisionskurs… Innendruckabfall… kann nichts dagegen tun, weder… wie man die Bake von hier drinnen bedient… setze sie manuell vom… eile Warnung für den Fall… schuhe zu steif, um… durcheinander und hab nicht viel Zeit… einzige Chance ist… neikasten… Wrack ist nah… extra Satz Behälter… mein Spezialgebiet… schiff Tenelphi hatte Kollision mit… Besatzung wegen Druckabfall außer Gefecht…“
Die Stimme sprach noch einige Minuten weiter, doch die Wörter gingen in einem explosionsartigen Ausbruch statischer Störungen völlig unter, und kurz danach war das Band zu Ende. Für eine Weile herrschte eine angenehme Ruhe, während der sich Naydrads Fell wieder beruhigte und Prilicla an die Decke flog. Schließlich unterbrach Conway die Stille.
„Das Wesentliche der Nachricht scheint mir zu sein, daß sich der Übersender nicht sicher war, ob der Funkspruch überhaupt übertragen wurde“, sagte er nachdenklich. „Was möglicherweise daran lag, daß er nicht der Funkoffizier war und nichts von dem Gerät verstand, das er benutzte. Vielleicht hat er aber auch geglaubt, die Subraumfunkantenne wäre bei der Kollision beschädigt worden, die anscheinend den Rest der Besatzung außer Gefecht gesetzt hatte. Er selbst schien nicht in der Lage, den anderen helfen zu können, der Druck fiel ab, und wegen der Konstruktionsschäden konnte er die Notsignalbake auch nicht vom Innern des Schiffs aussetzen. Er mußte deren Zeitschalter einstellen und sie mit den Händen vom Schiff abstoßen.
Sein Zweifel, ob der Funkspruch auch ausgestrahlt wurde, und seine Bemerkung bezüglich des Unsinns der Spezialisierung deuten darauf hin, daß er nicht der Funkoffizier ist und auch nicht der Captain, der ausreichende Kenntnisse über die Funktionsweise der wichtigsten Geräte auf dem Schiff haben müßte. Das Satzbruchstück ›… schuhe zu steif‹ könnte bedeuten ›die Handschuhe sind zu steif‹, nämlich um bestimmte Bedienungselemente zu betätigen oder Anzugverschlüsse zu öffnen. Und wegen des Innendruckabfalls im Schiff fürchtete er sich vielleicht, seinen schweren Raumanzug gegen einen leichten mit dünneren Handschuhen zu wechseln. Was eine ›… eile Warnung‹ oder ein ›… neikasten‹ sind, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Zudem war die Verzerrung sowieso so stark, daß diese Wortfetzen möglicherweise nur Annäherungen an die Wörter darstellen, die er wirklich benutzt hat.“ Conway blickte in die Runde und fügte hinzu: „Vielleicht finden Sie ja noch etwas heraus, das ich übersehen hab. Soll ich es noch einmal vorspielen?“
Sie hörten sich das Band immer wieder von vorn an, bis Naydrad Conway in ihrer direkten Art sagte, er verschwende nur ihre Zeit.
„Wir würden wissen, wieviel Glauben wir der grundsätzlichen Aussage des Funkspruchs schenken können“, entgegnete Conway unbeeindruckt, „wenn uns bekannt wäre, welcher Offizier ihn gesendet hat, und warum er als einziges Mitglied der Crew während der Kollision einer ernsthaften Verletzung entgangen ist. Und es gibt noch einen zweiten Punkt: Einmal sagt er, die Besatzung sei nicht in der Lage, etwas zu tun, und später beschreibt er sie als außer Gefecht gesetzt, also nicht nur als verwundet oder verletzt.
Wegen dieser Wortwahl frage ich mich, ob er der medizinische Offizier an Bord ist. Dagegen spricht allerdings, daß er weder das Ausmaß ihrer Verletzungen beschrieben, noch viel getan hat, um den anderen zu helfen, außer den Funkspruch zu senden.“