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„Ohne weiteres, mein Freund“, antwortete der kleine Empath. „Meine Muskulatur ist sowieso nicht kräftig genug, um bei der Behandlung von DBDG-Verletzten direkt zur Hand zu gehen, und meine Hilfe ist von daher eher moralischer als medizinischer Art.“

„Sehr gut“, entgegnete Conway. „Unser Problem ist ein fehlendes Besatzungsmitglied, das vielleicht verletzt ist, möglicherweise eben aber auch nicht. Wahrscheinlich hat die betreffende Person in einer luftdichten Kammer Schutz gesucht. Würden Sie ihren Aufenthaltsort bestimmen, damit wir keine Zeit mit der Durchsuchung des havarierten Schiffs vergeuden? Tragen Sie eine Druckhülle?“

„Ja, mein Freund“, erwiderte Prilicla. „Ich komme sofort.“

Es dauerte beinahe fünfzehn Minuten, bis die Unfallopfer von der Tenelphi in das Ambulanzschiff überführt waren. Zu diesem Zeitpunkt schwebte Prilicla entlang der Außenhaut des Schiffsrumpfs hin und her, um zu versuchen, die emotionale Ausstrahlung des fehlenden Besatzungsmitglieds aufzuspüren. Conway blieb im Innern des havarierten Schiffs und bemühte sich, seine Ungeduld und Sorge unter Kontrolle zu halten, um den Cinrussker nicht abzulenken.

Falls sich noch irgend etwas Lebendiges an Bord der Tenelphi befand, dann würde es Prilicla mit seinen empathischen Fähigkeiten entdecken, selbst wenn es tief bewußtlos war oder bereits im Sterben lag.

„Nichts, mein Freund“, berichtete Prilicla nach zwanzig schier endlos dauernden Minuten. „Die einzige emotionale Strahlungsquelle im havarierten Schiff sind Sie selbst.“

Conways unwillkürliche Reaktion äußerte sich in einer Art Mischung aus Zorn und Zweifel, woraufhin Prilicla antwortete: „Es tut mir leid, mein Freund. Wenn das Lebewesen immer noch in dem Schiff ist, dann ist es… ist es tot.“

Doch Conway gehörte nicht zu den Ärzten, die einen Patienten ohne triftigen Grund einfach aufgaben. „Captain, hier Conway“, sagte er ins Anzugmikrofon. „Es könnte doch sein, daß der Vermißte irgendwo hilflos im Raum treibt. Vielleicht hat er sich verletzt, oder sein Funkgerät im Anzug ist beim Aussetzen der Bake beschädigt worden.“

„Bedaure, Doktor“, antwortete Fletcher. „Wir haben gleich nach unserer Ankunft hier ein Radarscanning des gesamten Gebiets gemacht, für den Fall, daß sich der Mann aus Versehen selbst mit der Bake ausgesetzt hat.

Es gibt da ein paar einzelne Wrackteile, von denen jedoch keins so groß wie ein Mensch ist. Aber ich werde ein weiteres Scanning vornehmen lassen, um absolut sicher zu sein.“ Der Captain hielt kurz inne und fuhr dann fort: „Haslam, Dodds! Überprüfen Sie doch bitte die Erkennungsmarken und die Uniformabzeichen der Verletzten, sofern Sie dadurch nicht die ärztliche Behandlung dort unten behindern, und bringen Sie mir eine Liste.

Schnell!

Chen, Sie werden die nächste Zeit im Maschinenraum nicht gebraucht werden. Versiegeln Sie das havarierte Schiff, und suchen Sie es so gründlich ab, wie es in der noch verbleibenden Zeit möglich ist. Denn erstens sollten die Verwundeten so schnell wie möglich ins Hospital gebracht werden, und zweitens könnten wir zusätzliche Probleme bekommen, weil wir uns der Sonne des Systems so sehr nähern, daß unsere eigene Sicherheit bald ernstlich gefährdet ist. Sie werden nach dem Körper des vermißten Offiziers suchen, nach Schiffspapieren, Bändern und nach allem, das vielleicht erklären könnte, was dort passiert ist. Am Schwarzen Brett auf dem Freizeitdeck müßten Sie einen Dienstplan für die einzelnen Besatzungsmitglieder finden. Wenn wir diesen Plan mit der Verletztenliste vergleichen, werden wir sowohl die Identität des Vermißten als auch dessen Spezialgebiet feststellen können…“

„Ich kenne sein Spezialgebiet“, mischte sich Conway plötzlich ein. Er dachte dabei an die höchst professionelle Art und Weise, auf welche der Vermißte die Verletzten zunächst bewegt hatte, sie dann wegen der Möglichkeit weiterer oder später womöglich selbst zugefügter Wunden ruhiggestellt hatte, um schließlich ihre Sauerstoffversorgung zu verlängern.

Er dachte aber auch an sein amateurhaftes Vorgehen bei allen anderen Dingen.

„Ich bin mir sicher, es handelt sich dabei um den Schiffsarzt“, fügte er hinzu.

Fletcher gab keine Antwort, und Conway begann, langsam in der Schleusenvorkammer der Tenelphi auf- und abzugehen. Er hatte das unbehagliche Gefühl, daß irgend etwas getan werden mußte, und zwar schnell. Was dieses ›Irgend etwas‹ sein sollte, war ihm allerdings selbst nicht klar. Es gab nichts Ungewöhnliches zu sehen, außer vielleicht eine Wandhalterung, die dafür vorgesehen war, drei zylindrische Kanister von ungefähr sechzig Zentimeter Länge zu tragen, in der jetzt allerdings nur noch zwei hingen. Durch eine nähere Untersuchung entdeckte Conway auf den Zylindern je ein Etikett mit der Angabe, daß die Kanister das Schmiermittel der Sorte GP10/5B enthielten, das für wichtige Auslösungsmechanismen und Steuerungsgestänge geeignet war, die regelmäßig oder ständig niedriger Temperatur und/oder Vakuumbedingungen ausgesetzt waren. Ein wenig ratlos und unzufrieden mit sich selbst — seine Arbeit wartete auf dem Unfalldeck und bestand nicht darin, hier seine Zeit zu verschwenden — kehrte er an Bord der Rhabwar zurück.

Dort wartete Lieutenant Chen darauf, die Schleuse zu betreten, die Conway gerade frei gemacht hatte. Er öffnete sein Visier, um mit dem Arzt sprechen zu können, ohne die Frequenz des Anzugfunks anpassen zu müssen, und fragte Conway, ob er auch vorne im beschädigten Bereich des havarierten Schiffs gewesen sei. Conway schüttelte den Kopf und ließ sein Visier geschlossen, was eine andere Möglichkeit der Kommunikation darstellte, ohne das Funkgerät im Anzug zu benutzen. Als er auf den Verbindungsschacht zuging, sah er kurz Haslam, der ein gefaltetes Blatt Papier zwischen den Zähnen trug, damit er beide Hände zum Klettern frei hatte, während er sich in Richtung Kontrollraum zog. Conway wartete, bis er vorbei war, dann stieg er selbst in den schwerelosen Schacht und zog sich nach hinten zum Unfalldeck.

Die Raumanzüge von zwei der neun Unfallopfer waren in kleinen Stücken abgeschnitten worden, um eventuell darunterliegende Verletzungen nicht zu verschlimmern. Murchison und Dodds zogen einen dritten Verletzten aus, ohne den Anzug zu zerschneiden, und Naydrad befreite gerade — ebenfalls auf normale Weise — einen vierten von seinem Anzug.

Ohne Conway Gelegenheit zu geben, die unausweichliche Frage zu stellen, sagte Murchison: „Laut Lieutenant Dodds sprechen alle Anzeichen dafür, daß diese Männer bereits luftdicht in ihren Raumanzügen eingeschlossen und fest an ihre Liegen geschnallt waren, bevor die Kollision stattfand. Anfangs hab ich diese Ansicht nicht geteilt. Aber dann haben wir die ersten beiden ausgezogen und keine Verletzungen gefunden, nicht einmal Prellungen…! Und am Anzugstoff haben wir an den Stellen, die dem Sitz der Sicherheitsgurte entsprechen, Scheuerspuren entdeckt.

Dem Röntgenscanner fehlt zwar die Bildschärfe, wenn er einen Raumanzug durchdringen muß“, fuhr sie fort und hielt den Verletzten unter den Armen, um ihn zu stützen, während Dodds vorsichtig an den Beinen des Anzugs zog, „doch ist das Bild allemal deutlich genug, um Frakturen oder schwere innere Verletzungen zu erkennen, aber es gibt keine. Deshalb bin ich zu der Überzeugung gekommen, die Anzüge wegzuschneiden ist nur unnötige Zeitverschwendung…“

„…und Verschwendung von wertvollem Diensteigentum“, fügte Dodds mit Nachdruck hinzu. Für einen raumfahrenden Offizier des Monitorkorps war ein Raumanzug weit mehr als nur ein Teil der Ausrüstung; er entsprach einem warmen, enganliegenden und schützenden Mutterleib. Mit ansehen zu müssen, wie sie absichtlich in kleine Stücke zerschnitten wurden, mußte für ihn so etwas wie ein traumatisches Erlebnis sein.

„Aber wenn niemand verletzt ist“, fragte Conway, „was, zum Teufel, stimmt dann nicht mit denen?“