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„Ich verstehe“, entgegnete Conway.

„Sehr gut, Doktor. Halten Sie sich bereit, in fünfzehn Minuten aufzubrechen, und denken Sie bitte an zusätzliche Sauerstoffbehälter, an Wasser und allen möglichen medizinischen Bedarf, den Sie für notwendig halten. Ich hoffe, Sie finden ihn. Viel Glück!“

„Danke, Captain“, antwortete Conway knapp. Er fragte sich, welche Art von Medikamenten man wohl für einen Arzt brauchen würde, der sich in guter körperlicher Verfassung befand, aber geistesgestört genug war, um sich auf eine Expedition in ein solches Wrack zu begeben. Hinsichtlich seiner eigenen Bedürfnisse fiel ihm eine Entscheidung nicht schwer — er würde einfach für die Dauer von achtundvierzig Stunden Vorräte mitnehmen, nach deren Verlauf die Rhabwar abfliegen mußte, ob er Sutherland nun gefunden hatte oder nicht. Während er die zusätzlichen Sauerstoffbehälter überprüfte, flog Prilicla über ihn hinweg und landete auf der Wand neben ihm. Die Beine des kleinen Empathen zitterten, während sie an der weißen Plastikoberfläche hafteten, als wäre er starker emotionaler Ausstrahlung ausgesetzt. Als Prilicla sprach, war Conway erstaunt, daß die Emotionen vom Empathen selbst herrührten. Er hatte schlichtweg Angst.

„Wenn ich Ihnen vielleicht einen Vorschlag machen dürfte, mein Freund“, sagte Prilicla, „die Aufgabe, das Lebewesen Sutherland zu finden, würde viel leichter und schneller zu bewältigen sein, wenn ich Sie begleite.“

Conway dachte an das Gewirr von Metallplatten und Bauteilen, die unter der Wrackhülle lagen; auf ihrem Weg durch das Wrack würde praktisch bei jedem Fußtritt die Gefahr bestehen, sich die Raumanzüge zu zerreißen.

Und er dachte an all die anderen Risiken, die man sich nicht einmal vorstellen konnte. Er fragte sich, was aus der berühmten Ängstlichkeit des Cinrusskers geworden war, die seine wichtigste Überlebenseigenschaft als Angehöriger dieser unglaublich feingliedrigen Spezies war.

„Sie würden also wirklich mit mir kommen?“ fragte Conway ungläubig.

„Sie bieten mir tatsächlich an mitzukommen?“

Prilicla antwortete schüchtern: „Ihre emotionale Ausstrahlung zeugt zwar von leichter Verwirrung, mein Freund, ist aber im großen und ganzen schmeichelhaft für mich. Ja, ich werde Sie begleiten und meine empathischen Fähigkeiten benutzen, um Sutherland finden zu helfen, wenn er noch am Leben ist. Wie Sie wissen, bin ich alles andere als ein mutiges Wesen, und ich behalte mir das Recht vor, mich von der Suche zurückzuziehen, wenn ein gewisses Risiko eine für mich akzeptable Grenze überschreitet.“

„Jetzt fühle ich mich wieder erleichtert“, entgegnete Conway lächelnd.

„Einen Augenblick lang hab ich an Ihrem Geisteszustand gezweifelt.“

„Ich weiß“, erwiderte Prilicla beiläufig, während er begann, seinen Raumanzug mit den notwendigen Ausrüstungsgegenständen zu versehen.

Da die Hauptschleuse mit der Tenelphi verbunden war, verließen Sie das Schiff durch die kleine Besatzungsschleuse im Bug, und mußten mehrere endlose Minuten mit anhören, wie sich Captain Fletcher laut um sein Schiff und die ganze Situation ängstigte. Dann waren sie endlich draußen, und der Rumpf des Wracks dehnte sich vor ihnen und überall um sie herum wie eine gigantische Wand aus. Er war durch Jahrhunderte' währende Meteoriteneinschläge mit der Zeit derart zerlöchert und zerrissen worden, daß die ursprüngliche Kugelform des riesigen Schiffs aus nächster Nähe nicht mehr zu erkennen war. Und als sie auf das Wrack zusteuerten, vollzog sich ein plötzlicher und um so verwirrender perspektivischer Wandel — das Wrack war jetzt keine senkrechte Mauer mehr, sondern eine gewaltige Metallandschaft, die sie gerade betreten wollten. Im Himmel darüber schwebten die beiden zusammengekoppelten Schiffe.

Conway fand es sehr viel unproblematischer, einfach auf den markierten Bereich zuzusteuern, als seine Gefühle unter Kontrolle zu halten, die er bei dem Gedanken empfand, auf einem der sagenumwobenen Generationenschiffe zu landen. Doch wahrscheinlich würde seine emotionale Ausstrahlung Prilicla nicht allzu sehr belästigen, weil der Empath ziemlich ähnliche Empfindungen haben dürfte — obwohl es für einen Cinrussker physiologisch unmöglich war, eine Gänsehaut zu bekommen oder vor schierem Erstaunen ein Kribbeln in den nicht vorhandenen Nackenhaaren zu verspüren.

Denn dies war eins der Generationenschiffe, die vor der Entdeckung des Hyperraumantriebs Kolonisten von ihren Heimatwelten zu den Planeten anderer Sternsysteme transportiert hatten. Sämtliche technologisch fortgeschrittenen Spezies, die heute die galaktische Föderation bildeten, hatten ihre Generationenschiffphase durchlaufen. Die Bewohner der Planeten Melf, Illensa, Traltha, Kelgia und Erde gehörten der Gruppe jener Kulturen an, die in der Zeit zwischen der Entwicklung chemisch- oder nukleargetriebener interplanetarischer Raumschiffe und wirklich interstellarer Flüge durch den Hyperraum diese planetarischen Saatbehälter ins All geschossen hatten.

Nachdem diese Kulturen ein paar Jahrzehnte oder Jahrhunderte später den Hyperraumantrieb perfektioniert oder ihn von einer der Spezies der entstehenden galaktischen Föderation erhalten hatten, machten sie sich damals auf die Suche nach diesen dahinkriechenden, unter Lichtgeschwindigkeit fliegenden Ungetümen. Die Mehrzahl davon wurde auch wenige Jahrzehnte oder Jahrhunderte nach dem Start von ihrem Herkunftsplaneten geborgen.

Das hatte man bewerkstelligen können, weil man die Kurse der Generationenschiffe ganz genau kannte und ihre Positionen zu jedem Zeitpunkt ihrer jahrhundertelangen Reisen ohne Schwierigkeiten berechnen konnte.

Vorausgesetzt, daß sich in der Zwischenzeit keine physische oder psychologische Katastrophe auf einem dieser Schiffe ereignet hatte — und einiges von dem, was im seelischen Bereich auf den Generationsschiffen schiefgelaufen war, sollte den angehenden Rettern ein Leben lang Alpträume bereiten —, dann war der Transport der Kolonisten zu ihren Zielplaneten nur noch eine Frage von Tagen und nicht mehr von Jahrhunderten. Wie Conway wußte, hatte man die zuletzt kontaktierten Generationenschiffe bereits vor über sechshundert Jahren entdeckt. Wie bei allen anderen Schiffen dieser Bauart waren die Reaktoren und Metallteile ausgeschlachtet worden. Einige von ihnen hatte man aber auch als Unterkünfte für Personal umgebaut, die bei Bauprojekten im All eingesetzt waren.

Aber dieses Generationenschiff hier war eins der wenigen, mit dem man keinen Kontakt aufgenommen hatte, als der Hyperraumantrieb perfektioniert worden war. Entweder war es durch einen Unfall oder wegen eines Konstruktionsfehlers vom Kurs abgekommen und zu einem interstellaren Sämling geworden, der dazu bestimmt war, niemals einen brachliegenden Boden zu erreichen.

Geräuschlos landeten sie auf dem Rumpf des Wracks. Wegen der langsamen Drehung des Schiffs mußte Conway Hand- und Fußmagneten benutzen, um zu verhindern, wieder sanft ins All geschleudert zu werden, während Prilicla einen G-Gürtel und Magnetsohlen zu Hilfe nahm, die an den Spitzen seiner sechs bleistiftdünnen Beinchen befestigt waren.

Vorsichtig kletterten sie durch das Loch in der Metallverkleidung und entfernten sich somit aus dem direkten Sonnenlicht. Conway wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und schaltete dann den Anzugscheinwerfer an.

Ein unregelmäßig geformter, fast natürlich wirkender Tunnel führte ungefähr dreißig Meter abschüssig in das Wrack hinein. Am unteren Ende ragte ein Metallstück hervor, das mit grüner Leuchtfarbe und einem Fleck Schmiermittel bestrichen worden war.

„Wenn die Offiziere der Tenelphi den Weg markiert haben, sollte das die Suche eigentlich beschleunigen“, sagte Fletcher, nachdem Conway dem Captain von der Entdeckung berichtet hatte. „Natürlich nur unter der Voraussetzung, daß Sutherland den gekennzeichneten Pfad auch nicht verlassen hat. Aber es gibt ein weiteres Problem, Doktor. Je weiter Sie in das Wrack eindringen, desto schwieriger wird es, Ihre Funksignale zu empfangen. Wir haben hier mehr Energie zur Verfügung als Sie für Ihr mobiles Funkgerät. Deshalb werden Sie uns auch dann noch hören können, wenn wir Sie hier schon lange nicht mehr empfangen. Ich rede natürlich von gesprochenen Nachrichten. Wenn sie jedoch tief im Innern des Schiffs Ihr Funkgerät einschalten, werden wir es immer noch als zischende oder knackende statische Störung hören können und umgekehrt. Also schalten Sie ihr Funkgerät alle fünfzehn Minuten ein, auch wenn wir uns nicht mehr hören können, damit wir wissen, daß sie noch immer leben. Wir werden dann bestätigen.