Da ist also nirgends Chlor vorhanden. Tut mir leid, Doktor.“
Mit ruhiger, aber fester Stimme antwortete Conway: „Wir brauchen in Flaschen abgefüllte Sauerstoff- und Chlorvorräte, eine Sprühdose mit Nährlösung für den Hudlarer, ein Gerät zur Auffrischung der TLTU-Atmosphäre und hochwertige Lebensmittel mit einem geringen Anteil an Ballaststoffen, komplett mit Schläuchen, die das Essen beim Einnehmen vor direktem Kontakt mit der Stationsluft schützen. Bis auf das Gerät zur Auffrischung der TLTU-Atmosphäre ist keiner dieser Gegenstände sperrig. Und ich bin mir sicher, daß der Teamleiter mit diesem Gerät umgehen kann, wenn ihm von einem Ihrer Wartungstechniker jeder Schritt einzeln erklärt wird. Sie könnten die Sachen durch die AUGL-Station in unsere Schleusenkammer bringen lassen. Dabei hätten Sie wahrscheinlich weniger Probleme als wir damals mit dem Transport der DBPK-Patientin.“
Skempton schüttelte den Kopf, und mit ebenso ruhiger und fester Stimme wie Conway entgegnete er: „Wir haben über diese Versorgungsmöglichkeit natürlich auch schon nachgedacht, Doktor. Aber wir haben leider feststellen müssen, daß die Schleusenkammer geöffnet geblieben ist, nachdem man die Patientin hindurchtransportiert hat. Deshalb ist sie der Kontaminierung schon genauso lange ausgesetzt wie die restliche Station. Wenn wir nun die Schleuse mit den benötigten Gegenständen beladen wollten, müßte sie vorher mit Wasser aus der AUGL-Station geflutet werden. Zum Entladen der Schleuse müßte das Wasser durch Ihre Leute notwendigerweise wieder abgepumpt werden. So würde das Wasser, das mit was auch immer infiziert ist, wieder in die AUGL-Station gelangen. Was das für Folgen hätte, können wir nicht einmal ahnen. Denn ich hab von einer ganzen Menge Ihrer Kollegen gehört, daß durch die Luft übertragene Bakterien häufig auch in Wasser überleben und sich dort sogar vermehren können.
Ihre Station muß also unter strikter Quarantäne bleiben, Doktor“, fügte der Colonel abschließend hinzu. „Ein Krankheitserreger, der womöglich nicht nur die Lebensformen seines Ursprungsplaneten, sondern auch Angehörige von vier anderen, außerplanetarischen Spezies befällt, darf einfach nicht frei herumvagabundieren. Das müssen Sie genauso einsehen wie ich.“
Conway nickte und erwiderte dann: „Möglicherweise reagieren wir etwas übertrieben und machen uns selbst unnötig Angst, nur weil ein paar…“
„Immerhin sind ein tralthanischer FGLI, eine kelgianische DBLF, ein melfanischer ELNT und ein terrestrischer DBDG so krank geworden, daß man die Atmung schon wenige Minuten später künstlich unterstützen mußte“, unterbrach ihn der Colonel. Der Gesichtsausdruck, mit dem er Conway ansah, war wie bei einem Arzt, der dem unheilbar kranken Patienten mitzuteilen versuchte, wie hoffnungslos seine Lage war.
Conway spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoß. „Die auf der Station beobachteten Auswirkungen sind doch völlig anders als die an Bord der Rhabwar“, gab Conway zu bedenken, wobei er durch eine bewußt ruhige Stimme bei niemanden das Gefühl aufkommen lassen wollte, er bettele um das Unmögliche. „Wir haben ohne irgendwelche negativen Folgen auf dem Schiff mit der Patientin und einer ganzen Reihe von DBPK-Leichen gearbeitet und sie dabei natürlich auch berührt…“
„Vielleicht sind einige terrestrische DBDGs von Natur aus gegen den Erreger immun“, unterbrach ihn Skempton. „Soweit es das Hospital betrifft, ist das allerdings nur ein schwacher Trost.“
„Doktor Prilicla und Schwester Naydrad haben sich aber ebenfalls ohne Schutz mit den DBPKs beschäftigt“, wandte Conway ein.
„Ich verstehe“, entgegnete der Colonel nachdenklich. „Auf der Station wird eine Kelgianerin vom Erreger befallen, während eine zweite Kelgianerin an Bord der Rhabwar unbehelligt bleibt. Vielleicht gibt es bei mehr als einer Spezies von Natur aus immune Individuen, und das Personal der Rhabwar hatte einfach nur Glück gehabt. Zudem ist der Besatzung ja jeglicher Kontakt mit dem Hospital oder in der Nähe befindlichen Schiffen untersagt, obwohl die Probleme mit der Versorgung der Rhabwar im Vergleich zu denen, die bei Ihnen bestehen, relativ leicht zu lösen sind.
Aber uns bleiben noch dreißig Stunden zur Bewältigung der Schwierigkeiten, wenn Sie Sauerstoff sparen und sich…“
„Bis dahin ist mein Dampf längst zu Wasser kondensiert“, warf der TLTU mit seiner emotionslosen Translatorstimme ein. „Und ich selbst bin dann schon längst an Hyperthermie gestorben.“
„Ich auch“, fügte Gilvesh hinzu, ohne seine Aufmerksamkeit von dem Luftschlauch abzuwenden, den er gerade in die geöffnete Luftröhre der Kelgianerin schob. „Und dabei ist der Bazillus, der Ihnen allen so viel Kopfzerbrechen bereitet, wahrscheinlich gar nicht an einem Chloratmer interessiert.“
Conway schüttelte grimmig den Kopf und sagte: „Was ich eigentlich sagen will, ist, daß wir überhaupt nichts über diesen Bazillus wissen.“
„Halten Sie es nicht für langsam an der Zeit, schleunigst etwas über den Erreger herauszufinden, Doktor?“ fragte O'Mara in einem Ton, dessen Schärfe dem von Conway erst kürzlich geschwungenen Skalpell gleichkam.
Längere Zeit herrschte Schweigen, und Conway spürte die im Gesicht aufsteigende Hitze. Dann wurde die Stille von der Stimme des Hudlarers unterbrochen, der den Mitgliedern des Transportteams Anweisungen bei den an Thornnastor vorgenommenen Beatmungsversuchen gab.
„Na ja, während der letzten Stunden ging es hier ein wenig hektisch zu“, entgegnete Conway verlegen, „und Thornnastors Analysator eignet sich praktisch nur für Tralthaner. Aber ich werde sehen, was ich damit anfangen kann.“
„Je eher, desto besser“, erwiderte O'Mara bissig.
Conway überhörte den Ton des Chefpsychologen, weil O'Mara sehr wohl wußte, was auf der Station vorgefallen war, und eine Zurschaustellung verletzter Gefühle nichts als Zeitverschwendung gewesen wäre.
Ganz unabhängig von dem, was mit den auf der Station eingeschlossenen Wesen letztendlich geschah, mußte man nach Conways Dafürhalten den restlichen warmblütigen Sauerstoffatmern im Hospital so viele Daten und Fakten wie möglich verschaffen, einschließlich der zu diesem Problem gehörigen Hintergrundinformationen. Als er zu Thornnastors Analysator hinüberging und sich mit dem Bedienungspult befaßte, begann Conway zu sprechen und berichtete den auf der Station Anwesenden und den vielen Zuschauern an den Bildschirmen von der Suche nach etwaigen Überlebenden in den weit verstreuten Wrackteilen des DBPK-Schiffs.
Zweifellos hätte Captain Fletcher eine viel detailliertere Beschreibung der Suchaktion geben können und würde sie später ganz bestimmt auch noch nachholen, aber Conway ging es dabei auch nur um die medizinischen und physiologischen Aspekte dieses Vorgangs.
„Der Analysator sieht furchterregender aus, als er in Wirklichkeit ist“, beruhigte ihn Murchisons Stimme, als er sich vor ein Rätsel gestellt sah und verdutzt dreinblickte. „Statt der beschrifteten Knöpfe sind auf dem Bedienungsfeld Sensortasten angebracht. Ansonsten ist aber alles exakt so aufgebaut wie auf der Rhabwar. Ich hab Thorny ein paarmal bei der Bedienung geholfen. Die Displays funktionieren natürlich auf Tralthanisch, aber das Audiosystem ist an den Translator angeschlossen. Die Flaschen zur Entnahme von Atmosphäreproben befinden sich gleich hinter der blauen Schiebetür.“
„Vielen Dank auch“, sagte Conway. Dann fuhr er mit dem Bericht über die Bergung und die nachfolgende Untersuchung und Beobachtung der überlebenden DBPK-Patientin fort. Gleichzeitig öffnete er die Ventile der Flaschen, ließ die infizierte Atmosphäre der Station in die luftleeren Glaskolben zischen und schloß dann die Ventile wieder. Er entnahm die Luftproben aus einem Bereich, der nur wenige Zentimeter von der Patientin entfernt begann und sich bis zur Einlaßschleuse am anderen Ende der Station erstreckte. Danach entnahm er mit einer Saugpumpe Proben vom Fell der Patientin und der darunterliegenden Haut und sammelte Abschabungen von der Oberfläche des Untersuchungstischs, den benutzten Instrumenten, dem Boden und den Wänden der Station ein. Schließlich war er gezwungen, eine kurze Arbeitspause einzulegen, weil er sich bei Murchison nach der richtigen Eingabeart der Proben in den Analysator erkundigen mußte.