„Ich auch“, sagte der auf dem Boden liegende Captain. „Meiner Vermutung nach kommt das vom Lärm und den Auswirkungen der Unterschallvibrationen von diesen ganzen laufenden Mechanismen hier.
Wenn er nur halb so schlimme Kopfschmerzen hat wie ich, dann können Sie ihm getrost verzeihen, Murchison. Und falls Sie für unsere Rückkehr zum Schiff irgendein wirksames Medikament bereithalten könnten, wäre ich Ihnen sehr…“
„Dann sind wir schon drei“, erwiderte Murchison. „Mein Kopf tut mir nämlich schon seit meiner Rückkehr weh, und ich war dem Lärm und den Vibrationen nur ein paar Minuten lang ausgesetzt. Außerdem hab ich eine schlechte Nachricht — gegen diese Kopfschmerzen hilft kein Medikament.“
Als sie den Funkkontakt unterbrach, sagte Fletcher beunruhigt: „Ist das nicht merkwürdig, daß drei Leute, die alle die Luft in diesem Schiff eingeatmet haben, an Kopfschmerzen…“
„Im Orbit Hospital gibt es die Redensart, daß psychosomatische Schmerzen ansteckend und unheilbar sind“, unterbrach ihn Conway.
„Murchison hat schließlich mit dem Analysator die Schiffsatmosphäre auf giftige Substanzen überprüft. Und alle darin enthaltenen Alienbazillen sind an uns überhaupt nicht interessiert. Diese Kopfschmerzen könnten das Ergebnis von Besorgnis, Anspannung oder einem Zusammenspiel verschiedener psychologischer Faktoren sein. Aber da wir sie alle drei gleichzeitig bekommen und uns alle eine gewisse Zeit auf diesem Schiff aufgehalten haben, sind die Kopfschmerzen wahrscheinlich durch äußere Einflüsse verursacht worden, höchstwahrscheinlich durch den Lärm und die Vibrationen aus dem Korridor. Dann hatten sie vorhin natürlich recht. Tut mir leid, daß ich das alles überhaupt erwähnt hab.“
„Wenn Sie das nicht getan hätten, dann ganz bestimmt ich“, antwortete Fletcher. „Diese Kopfschmerzen sind ziemlich unangenehm und beeinträchtigen meine Konzentrationsfähigkeit auf diese…“
Diesmal kam die Unterbrechung außen vom Rumpf.
„Hier Haslam, Sir. Chen und ich haben die Erfassung der Ausdehnung der Geräusche und Vibrationen abgeschlossen. Dabei handelt es sich um einen schmalen, vielleicht zwei Meter breiten Streifen, der sich mit dem von Ihnen sogenannten Käfiggang deckt. Dieser Gang bildet einen offenen Kreis mit konstantem Radius, der von dem Bogen mit den Steuerpulten geschlossen wird. Aber das ist noch nicht alles, Sir. Der Gang führt nämlich auch zum Aufenthaltsort der beiden Überlebenden.“
Fletcher blickte Conway an und sagte mit bewegter Stimme: „Wenn ich doch bloß diese mechanische Folterkammer — oder was das sonst auch immer sein mag — wieder abschalten könnte, dann wären wir vielleicht in der Lage, uns durch den Gang zu den Überlebenden zu zwängen… ach, nein. Wenn diese Kolben und Stangen wieder losgehen, während sich jemand im Gang befindet, dann würde der ja zu Tode gestampft werden.“
Zu Haslam sagte er: „Na schön. Haben Sie sonst noch etwas zu berichten?“
„Na ja, Sir“, antwortete Haslam zögernd. „Wahrscheinlich hat das nichts zu besagen, aber wir haben ebenfalls Kopfschmerzen.“
Während Fletcher und Conway über die Kopfschmerzen der beiden Offiziere der Rhabwar nachdachten, herrschte ein langes Schweigen. Chen und Haslam waren die ganze Zeit über außerhalb des Schiffs geblieben, hatten die Außenhaut nur selten berührt und auch dann bloß mit den magnetischen Stiefeln und Handschuhen. Und die besaßen ein dickes, weiches und isolierendes Futter, das mechanische Schwingungen absorbierte. Außerdem pflanzt sich in einem Vakuum kein Schall fort.
Conway fiel keine einzige Erklärung für die Kopfschmerzen der beiden Männer ein, aber der Captain war erfolgreicher.
„Dodds“, wandte sich Fletcher plötzlich an den auf der Rhabwar zurückgelassenen Offizier. „Führen Sie noch einmal eine Sensorüberprüfung der vom Schiff ausgehenden Strahlung durch. Vielleicht existiert sie erst, seitdem ich die Knöpfe gedrückt hab. Suchen Sie auch nach möglicherweise schädlicher Strahlung vom nahen Sternhaufen.“
Conway nickte anerkennend, was Fletcher allerdings nicht bemerkte.
Selbst flach auf dem Rücken liegend, mit hämmernden Kopfschmerzen, die das Denken fast unmöglich machten, und mit einem Arm, der unsichtbar in einem völlig unbekannten Steuerpult steckte und durch eine unbedachte Berührung alles vom Ausschalten des Lichts bis zu einem außerplanmäßigen Sprung in den Hyperraum auslösen konnte, leistete der Captain ausgezeichnete Arbeit. Aber laut Dodds zeigten die Meßwerte der Sensoren keine Spur von schädlicher Strahlung, weder von dem Alienschiff noch von dem Sternhaufen ausgehend. Conway und Fletcher dachten immer noch über diese Tatsache nach, als das Schweigen durch die schüchterne Stimme Priliclas unterbrochen wurde.
„Freund Conway“, meldete sich der Empath, „ich hab mit dieser Mitteilung gewartet, bis ich mir meiner Empfindungen absolut sicher war, aber jetzt kann es keinen Zweifel mehr geben. Der Zustand beider Überlebender verbessert sich zusehends.“
„Danke, Prilicla“, erwiderte Conway. „Das verschafft uns mehr Zeit, über eine Rettungsmöglichkeit nachzudenken.“ An Fletcher gewandt fügte er hinzu: „Aber warum diese plötzliche Besserung?“
Der Captain blickte in den Käfiggang und auf die wild stampfenden und fuchtelnden Metallwucherungen und antwortete: „Könnte das irgend etwas damit zu tun haben?“
„Keine Ahnung“, entgegnete Conway, wobei er wegen der gestiegenen Chancen für eine erfolgreiche Rettung erleichtert lächelte. „Aber allein dieses Geräusch kann sicherlich sogar Tote wieder zum Leben erwecken.“
Fletcher sah ihn mißbilligend an, da er ganz offensichtlich außerstande war, sowohl an der Bemerkung als auch an den Umständen irgend etwas komisch zu finden. Äußerst ernsthaft entgegnete er: „Ich hab sämtliche erreichbare flache Kippschalter zweimal überprüft. Diese Schalterform ist die einzige, die sich für die kurzen Fühler der blinden Aliens eignet, denn als Greiforgan können die Fühler nicht genügend Druck und Hebelkraft ausüben. Aber ich hab etwas gefunden, das sich wie ein mehrere Zentimeter langer Hebel mit einem auf der Spitze stehenden Kegel als Griff anfühlt. Der Kegel ist hohl, wahrscheinlich paßt die Stachel- oder Hornspitze der blinden Aliens genau hinein. Der Hebel steht im Fünfundvierzig-Grad-Winkel zum Befestigungspunkt — das ist der obere Anschlag. Ich bin fest entschlossen, ihn nach unten zu legen.
Vorher sollten wir aber lieber die Helme schließen, falls etwas Unheilvolles passiert“, fügte Fletcher noch hinzu. Dann klappte er das Helmvisier herunter und zog den vorhin zum Tasten abgestreiften Handschuh wieder an. Dann griff er ohne zu zögern in die Öffnung.
Offenbar wußte er genau, wohin er mit der Hand greifen mußte.
Urplötzlich erstarb im Käfiggang jegliche mechanische Tätigkeit. Es herrschte so vollkommene Stille, daß Conway schon beim Geräusch eines an der Außenhülle schabenden Fußmagneten zusammenfuhr. Als Fletcher wieder aufstand und das Visier öffnete, lächelte er.
„Die Überlebenden befinden sich am anderen Ende dieses Gangs, Doktor“, berichtete er und fügte noch hinzu: „Falls wir bis dorthin kommen können.“
Doch es stellte sich als vollkommen unmöglich heraus, sich durch das Dickicht aus vorspringenden Metallstangen und — stäben hindurchzuwinden.
Selbst als es der Captain ohne Raumanzug versuchte, bestand der einzige Erfolg in einer Unmenge Schnittwunden und Hautabschürfungen. Enttäuscht zog Fletcher wieder den Anzug an und ging mit dem Schneidbrenner gegen die Metallstäbe vor. Aber das Metall war äußerst widerstandsfähig, und bei jeder einzelnen Metallstange waren zum Abtrennen mehrere Sekunden höchster Brennerleistung erforderlich. Es seien so viele Stangen, daß er sich wie beim Jäten eines Metallgartens vorkäme, bemerkte Fletcher verärgert, wobei er immer einen ›Stengel‹ nach dem anderen entfernte. Er hatte noch nicht einmal zwei Meter des Käfiggangs freigelegt, als sie wegen der großen Hitzeentwicklung zum Rückzug zur Luftschleuse gezwungen waren.