„Aber die blinden Aliens brauchen die Beschützer am dringendsten“, gab Fletcher mit Besorgnis zu bedenken. „Stellen Sie sich das bloß mal vor, nach Millionen von Jahren in vollkommener Dunkelheit haben sie endlich eine Möglichkeit gefunden zu sehen, auch wenn sich ihre Augen gegen sie selbst wenden und sie buchstäblich umbringen können.“
„Mit der Zeit wird das Hospital auch dafür eine Lösung finden“, entgegnete Murchison beruhigend. „Thornnastor ist ganz versessen darauf, solche Nüsse zu knacken. Zum Beispiel die Sache mit der fortdauernden Empfängnis, dem Embryo im Embryo. Wenn wir die Wirkungen des Sekrets, das den intelligenten Teil des Gehirns kurz nach der Geburt zerstört, herausbekommen und aufheben könnten, dann hätten nicht nur die Ungeborenen telepathische Fähigkeiten, sondern auch die Beschützer. Und wenn man die von ihnen durch die Umweltbedingungen das ganze Leben lang bezogenen Prügel nach und nach abschwächen und schließlich ganz abschaffen würde, gewöhnen sie sich vielleicht sogar den Versuch ab, alles, was sie sehen, zu töten und zu fressen. Die blinden Aliens hätten dann die telepathischen Augen, die sie benötigen, ohne sich einer ständigen Gefahr auszusetzen, und könnten, wenn sie wollten, die gesamte Galaxis durchstreifen.“
Sie hielt inne, um Naydrad beim Abschneiden des Hosenbeins der Uniform des Captains zu helfen, und sagte dann an Conway gewandt: „Er ist jetzt bereit, Doktor.“
Murchison und Naydrad standen bereit. Prilicla schwebte über ihnen und strahlte beruhigende Emotionen aus.
„Entspannen Sie sich, Captain“, sagte Conway. „Denken Sie nicht mehr an die blinden Aliens und die Beschützer, mit denen wird schon alles in Ordnung gehen. Und mit Ihnen auch. Schließlich bin ich Chefarzt im fortschrittlichsten Hospital der Föderation mit vielfältigen Umweltbedingungen. Aber wenn Sie sich schon unbedingt über etwas Sorgen machen müssen, brauchen Sie nur an mein gegenwärtiges Problem zu denken.“ Er lächelte plötzlich und fügte hinzu: „Es muß mindestens zehn Jahre her sein, seit ich das letzte mal einen Schienbeinbruch bei einem DBDG gerichtet hab.“
Anhang
Die unbekannte Geschichte des Orbit Hospitals
Für eine Serie, die 1957 anlief und sich bis zu diesem Band auf über eine viertel Million Wörter beläuft, hatte ›Sector General‹ einen sehr wackeligen Start. Hätte der verstorbene und schmerzlich vermißte Ted Carnell, der zu jener Zeit Herausgeber des britischen SF-Magazins New Worlds gewesen war, nicht dringend eine Lücke von 17 000 Wörtern zu füllen gehabt, die sich in der Novemberausgabe 1957 aufgetan hatte, dann wäre die erste Kurzgeschichte der Serie, Sector General, wohl niemals ohne einen drastischen literarischen Eingriff akzeptiert worden, der einer chirurgischen Totaloperation gleichkam.
Die Geburt der Idee zu Sector General war ein natürliches, wenn auch vielleicht etwas verfrühtes Ereignis — ich hatte erst seit knapp über vier Jahren professionell geschrieben, und noch immer zeigten sich einige Narben und Nahtstellen in meinem Werk. Doch schon in diesen frühen Lehrjahren hatte ich eine starke Vorliebe für Ärzte oder Extraterrestrier als Hauptpersonen meiner Geschichten, und nach und nach tauchten beide Typen in den gleichen Erzählungen auf. In der Corgi-Textsammlung The Aliens Among Us (Brüder im Kosmos) war zum Beispiel eine Geschichte mit dem Titel To Kill or Cure (Töten oder Heilen) enthalten. Sie handelte von den verzweifelten Bemühungen eines Militärarztes einer Rettungshubschrauberbesatzung, dem Überlebenden eines havarierten extraterrestrischen Raumschiffs medizinische Hilfe zu leisten. Deshalb war es nur natürlich, daß sich eine Geschichte über die Probleme von Menschen entwickelte, die eine große Anzahl von extraterrestrischen Patienten unter krankenhausähnlichen Bedingungen zu behandeln hatten, beziehungsweise über die Schwierigkeiten von Aliens, die ihrerseits Menschen medizinisch zu versorgen hatten.
Die Erzählung Sector General (Das Orbit Hospital) wies jedoch Mängel auf. Ted Carnell war der Meinung, ihr fehle eine zusammenhängende Handlung. Die Hauptperson, Dr. Conway, gerate lediglich von einer medizinischen Ausnahmesituation in die andere, ohne sein eigentliches Hauptproblem zu lösen — nämlich den inneren moralischen Konflikt, den der Militarismus des Monitorkorps — das für das reibungslose Funktionieren des Hospital verantwortlich war — auf der einen Seite und der stark ausgeprägte Pazifismus des medizinischen Personals auf der anderen Seite bei dem Arzt hervorrief. Außerdem hätte die ganze Geschichte wegen ihrer Episodenhaftigkeit Ähnlichkeit mit einer interstellaren ›Emergency Ward 10‹ — eine ausgesprochen kitschige Krankenhausserie, die zu jener Zeit im britischen Fernsehen lief. Diese Seifenoper mit meiner Erzählung zu vergleichen war zweifellos der rücksichtsloseste chirurgische Eingriff von allen! Carnell sagte des weiteren, daß ich ›efficient‹ in der Geschichte zweimal unterschiedlich geschrieben hätte und beide Male falsch. Es gab noch andere Fehler, die sich erst im nachhinein herausstellten, in den späteren Geschichten der Serie jedoch korrigiert wurden.
Aber Ted gefiel der Grundgedanke. Er sagte, die Idee mit dem riesigen Hospital im All sollte ich zumindest hin und wieder aufgreifen. Außerdem erzählte er mir, Harry Harrison habe in seinem Büro vorbeigeschaut und sich ein wenig über mich geärgert, weil ich ihm mit der Idee eines interstellaren Hospitals zuvorgekommen sei; denn Harry hatte eine Serie von vier oder fünf Geschichten mit genau dem gleichen Hintergrund geplant, in der Meinung, das sei ein völlig neuer Einfall. Zwar habe er immer noch vor, die Geschichten zu schreiben, sagte Ted, doch sein Enthusiasmus sei nun deutlich gedämpft.
Diese letzte Nachricht erschreckte mich fast zu Tode.
Zwar hatte ich Harry Harrison bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht persönlich kennengelernt, wußte aber ziemlich viel über ihn. Seit ich als blutjunger SF-Fan Rockdiver gelesen hatte, war er einer meiner Lieblingsautoren. Wie ich wußte, konnte er mit anderen Leuten ziemlich laut reden, wenn er erregt war, und wahrscheinlich stellte er eine wandelnde Deathworld (Die Todeswelt) auf zwei Beinen dar. Und plötzlich kam ich daher, ein SF-Fan und hauptberuflicher Autor, der noch immer grün hinter den Ohren war und tatsächlich die Frechheit besaß, seinen Enthusiasmus zu dämpfen. Doch Harry muß eine wirklich liebenswürdige und nicht nachtragende Seele sein, denn mir stieß nichts Furchtbares zu; wenigstens bis heute nicht.
Trotzdem muß es irgendwo eine andere Welt geben, in der er sich zuerst mit der Idee anfreundete und meinen Enthusiasmus dämpfte, und wo in den SF-Regalen der Buchläden eine Romanserie über ein interstellares Hospital von Harry Harrison steht. Wenn jemand eine transversale Zeitmaschine erfinden sollte, dann würde ich sie mir herzlich gerne für ein paar Stunden ausleihen, um mir diese Bücher kaufen zu können.
Die zweite Geschichte der Serie hieß Trouble With Emily (Probleme mit Emily), und mit ihr konnte sich Ted schon weit eher anfreunden. Erneut war Dr. Conway die Hauptperson — diesmal lastete ihm statt eines ausgeprägten Komplexes ein winziger Alien mit Psikräften auf den Schultern. Zudem stand ihm eine Mannschaft des Monitorkorps zur Seite, die ihm bei der Behandlung eines brontosaurierähnlichen Patienten half, den man Emily getauft hatte, weil einer der Korpsoffiziere ein Faible für die literarischen Werke der Bronte-Schwestern hatte.