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»So gehen Sie doch in Stellung!« brüllte der Oberst ihn an, aber ebensogut hatte er einen Schneemann zum Boxer gemacht.

Der Gegner hatte vielleicht Mitleid mit dieser armen Seele, aber er durfte sich, nachdem der Ring einmal abgesteckt war, nicht mit einem Scheinkampf begnügen. »Feiglinge! Schlappschwänze!« tönte es schon ringsum, und so landete er einen saftigen Schlag. Corliss wollte sofort eingreifen; er konnte nicht mit ansehen, wie ein völlig wehrloser Mann mißhandelt wurde. Aber der Oberst wies ihn empört aus dem Ring.

»Was denken Sie! Hier habe ich das Kommando!«

Die ganze Angelegenheit sah nur deshalb so brutal aus, weil der Bursche, der mit der Zunge so tapfer gewesen war, sich auch dann nicht zur Wehr setzte, als das Blut ihm schon aus der Nase floß und eines seiner Augen dick verschwollen war. Doch jetzt konnte Corliss sich nicht länger beherrschen. Er warf sich dazwischen und nahm einfach den Angreifer auf sich. Sein Vorstoß kam so unerwartet, daß der Mann sofort zu Boden ging. Im Augenblick zerfiel die ganze Besucherschaft der Kneipe in zwei Parteien. So offenkundig es gewesen, daß ein braver Mann gegen einen Feigling stand, waren doch viele der Meinung Vances, man dürfe einen Schwächling nicht zuschanden schlagen, ein Boxkampf müsse zwischen Gleichwertigen geführt werden. Die anderen aber waren der Meinung, im Ring habe kein Dritter etwas zu suchen. Nun kam eine Schlacht in Gang, in der jeder auf jeden losschlug und keiner nach Regeln fragte. Vance bekam eine steinharte Faust in die Zähne gefeuert und mußte zu Boden, direkt neben den Mann, den er selbst eben zur Strecke gebracht hatte, aber dann machte sich Bishop    ans    Geschäft und mähte mit unwiderstehlichen Fäusten rings um ihn die Luft frei. Del Bishop stand seit kurzem in Vances Diensten, aber wie es im Norden unter weißen Männern ist, war er mehr sein Kamerad als sein Angestellter. Er war vielleicht der beste Mann im Saal, wenn es ans Raufen ging; das kam selten vor, aber wenn er Zugriff, tat er es mit Schwung.

Oberst Trethaway vergaß seine sechzig Jahre und sein weißes Haar; er vergaß auch, daß er sich das Amt des Schiedsrichters angemaßt hatte. Statt Ordnung zu schaffen, griff er nach einem Schemel und stürzte sich ins dichteste Gewühl. Zwei dienstfreie Sergeanten von der berittenen Polizei schlossen sich ihm an. Der halb ohnmächtige Mann mit der Wolfsfellmütze, der den ganzen Skandal entfacht hatte, wurde in eine geschützte Ecke gezerrt; und jetzt waren lauter Männer unter sich, die einander mit echter Liebe zur Sache Kinnhaken und Rippengerade wuchteten, die ein zerschmettertes Nasenbein hinnahmen, ohne zu mucksen, und für jeden Schlag, den sie einsteckten, frisch befeuert zwei bessere zurückgaben.

Am anderen Ende der Bar wurde immer noch Whisky ausgezapft. Im Nebenraum spielte man wieder zum Tanz auf, und die Roulettspieler ließen sich nicht stören.

Corliss war längst wieder auf die Beine gekommen und drosch Seite an Seite mit Bishop auf fremde Schädel und fremde Gesichter ein, kämpfte aus purer Freude am Kampf mit Leuten, die er nicht kannte und die ihm nie etwas zuleide getan hatten. Plötzlich geriet er mit einem sehnigen Hundetreiber in den Clinch. Aus dem Schlagwechsel wurde ein Ringkampf; die beiden fielen eng umschlungen zwischen all die stampfenden Füße. Corliss spürte den wütenden Atem seines Gegners im Gesicht, dann zuckte ein scharfer Schmerz durch seine Nerven. Der Mann hatte ihm, in diesem Augenblick mehr Wolf als Mensch, die Zähne in die Ohrmuschel gegraben - er ließ nicht los, noch eine Sekunde, dann hatte Vance kein Ohr mehr. Wie in einer Vision sah er sich plötzlich als ein Gebrandmarkter durchs Leben gehen, ein Herr der Gesellschaft, der Wissenschaft, der bei einer Rauferei sein Ohr verloren hatte - unter den Zähnen eines besseren Hundetreibers. Das war kein Männerkampf, das war tierische Roheit, gegen die jedes Mittel galt. Aufbrüllend stieß er zwei Finger in die Augen des Wolfsmenschen, bis der Mann vor Schmerz heulte, und seine Zähne das Ohr freigaben. Dann lagen sie nebeneinander, fast unbeweglich. Der Kampf tobte über sie weiter, sie wurden mit Füßen getreten, aber das war alles sehr dunkel und fern.

Eine halbe Stunde später herrschte wieder tiefer Friede im Goldgräber-Eldorado. Vance lag, von Oberst Trethaway gepflegt und von Del Bishop notdürftig verbunden, in einem ledernen Klubsessel und spülte das geronnene Blut in seinem Mund mit eiskaltem Whisky hinunter. Er war vom Kopf bis zu den Füßen zertrampelt und verdroschen, aber es tat ihm nichts weh, wenigstens jetzt noch nicht; er fühlte sich so gehoben, so zufrieden mit sich selbst wie vielleicht noch nie in seinem Leben. Spiel ohne Einsatz ist ein fades Vergnügen, aber er hatte um sein Ohr, um sein gutes Aussehen, um einen Teil seines wertvollen, gesunden, stattlichen Körpers gekämpft, und deshalb war es ein guter Kampf gewesen. Zum erstenmal in seinem Leben hatte er die Kraft seiner im Sport gestählten Glieder gebraucht, zum erstenmal empfunden, wie Muskel gegen Muskel prallt und das Blut heißer durch die Adern jagt. Er hatte - alle Phasen der Rauferei gingen ihm jetzt erst durch den Sinn - mit einem einzigen Hieb einen Mann zu Boden geschmettert, der gerade einen Steinkrug auf den Schädel des alten Obersten schleudern wollte, und bei dieser Erinnerung durchbebte ihn ungeheure Freude. Ein Hieb, ein einziger Hieb, und der starke Kerl hatte bewegungslos zu seinen Füßen gelegen.

Zu viert brachen sie später auf, Corliss, der Oberst, der Mann mit der Wolfsfellmütze und Del Bishop, Schneeklar war die Nacht; vor ihnen lag eine stille, friedliche Straße, und die Luft klirrte vor Frost.

»Das war ein Abend! Blut und Schweiß, und nicht zu wenig!« frohlockte Oberst Trethaway. »Wissen Sie, Corliss, ich bin heute abend wieder um zwanzig Jahre jünger geworden! Geben Sie mir Ihre Hand. Ich gratuliere Ihnen. Von ganzem Herzen! Die Wahrheit in Ehren, Corliss, das hätte ich Ihnen nicht zugetraut. Es war eine Überraschung für mich, direkt eine Überraschung!«

»Für mich selbst war es auch eine Überraschung«, gestand Vance. Jetzt trat bei ihm der Rückschlag ein. Er fühlte sich plötzlich krank und erbärmlich schwach. »Ich bin mir selbst eine Überraschung gewesen, und vor allem. Sie, alter Oberst! Wie Sie mit dem Stuhl losgegangen sind.«

»Ich glaube selbst, das hat nicht schlecht ausgesehen. Haben Sie gesehen, so, von oben.« Er focht in die Luft, in die kalte, stille, schöne Luft, und das sah so komisch aus, daß alle vier in ein befreiendes Lachen ausbrachen.

»Wem habe ich zu danken, meine Herren?« fragte der Mann mit der Wolfsfellmütze, den Corliss gerettet hatte.

»Mein Name ist St. Vincent, Doktor Gregory St. Vincent.« Dabei streckte er den anderen seine Hand zum Abschiednehmen hin.

»Gregory St. Vincent?« fragte Del Bishop mit plötzlich erwachtem Interesse.

»Jawohl, und der Ihre?«

»Das geht Sie einen Dreck an!«

Dabei schoß Bishops Faust vor, und Gregory St. Vincent stürzte schwer in den Schnee.

»Sind Sie verrückt, Mann?« brüllte Corliss.

»Das Stinktier! Ich hätt’s ihm noch besser geben sollen! So ein verfluchter Hundeknochen!. Ist schon gut. Lassen Sie mich los! Ich rühr’ ihn nicht mehr an. Lassen Sie mich! Ich gehe nach Haus. Gute Nacht.«

Als sie Gregory St. Vincent auf die Beine halfen, mußte der Oberst noch einmal lachen. Er schämte sich eigentlich darüber, aber später erklärte er: »Eine Viecherei war es. Aber eben doch - so komisch und plötzlich.«

Zunächst machte er sein Lachen wieder gut, indem er es übernahm, Herrn Gregory nach Hause zu schleppen und ins Bett zu legen.

»Hat Sie der Teufel geritten?« fragte Corliss später seinen Mann. »Es war doch, alles vorbei; ich glaubte, Sie wären verrückt geworden.«

»Habe nichts zu bedauern«, bockte der Goldgräber.