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»Ein Freund geht verloren, wenn er ein Liebender wird, Frona. Ich hätte nie den Mund auftun dürfen. Jetzt ist alles so klar und so furchtbar hoffnungslos. Aber wenn ich geschwiegen hätte, es wäre doch dasselbe gewesen.«

In diesem Augenblick wurde ihm bewußt, daß er wohl vor ganz wenigen Wochen noch auf seine Schicksalsfrage eine ganz andere Antwort bekommen hätte. Das machte bitter.

»Sie sind ein Mädchen wie die meisten. Jeder Tag verwischt den vergangenen. Da erscheinen neue Gedanken und Gesichter, Männer mit wunderbaren Abenteuern, neben denen ein nüchterner kleiner Bergwerksingenieur nichts bedeutet.«

Jetzt war sein ganzes Herz voll Wut. Er wollte sie in Worten ausschütten und fühlte, wie diese Worte sich zu Unflat in ihm ballten. Die ganze Wahrheit über diesen Burschen St. Vincent sollte sie hören, der ihm mit Lüge und Schaumschlägerei sein herrliches Mädchen gestohlen hatte.

Aber sie unterbrach ihn.

»Sprechen Sie nicht, Vance! Was Sie jetzt sagen wollen, will ich nicht hören. Ich verstehe, was Sie fühlen, streiten will ich nicht mit Ihnen, deshalb ist es besser, Sie schweigen.«

»Wenn Sie mich für streitsüchtig halten, will ich Sie lieber verlassen.«

Er blieb plötzlich stehen, und sie stand neben ihm. »Dort kommt Dave Harney«, sagte er. »Er kann Sie nach Hause begleiten. Es sind ja nur ein paar Schritte.«

»Sie benehmen sich schlecht gegen mich und abscheulich gegen sich selbst.« Sie sprach weiter mit Entschiedenheit, aber aus ihrer Stimme klang es wie ein ganz leises, unterdrücktes Weinen. »Ich lehne es ab, Vance, dies als ein Ende zu betrachten. Wir haben noch keinen Abstand dazu. In diesem Augenblick verstehen wir uns selbst nicht. Aber wenn wir beide ruhig geworden sind, müssen Sie wieder zu mir kommen.«

Als er den Kopf schüttelte, fuhr sie auf: »So lasse ich mich nicht behandeln! Das ist kindisch von Ihnen, das habe ich nicht verdient! Sie sollen mein Freund bleiben! So, wie es bisher war, soll alles bleiben.«

Dave Harney kam herangeschlendert; er rief »Hallo!« und griff an seine Mütze.

»Hab’ ich auf Sie eingeredet wie auf einen lahmen Schimmel, Corliss, daß Sie Hunde kaufen sollen, oder nicht? Die Lippen habe ich mir fusselig geschwatzt, aber Sie haben nicht gehört. Gestern sind die Hunde um einen Dollar das Pfund gestiegen, und ich wette meinen Kopf gegen einen alten Hut, daß sie noch weiter in die Höhe gehen bis ins Aschgraue, sage ich Ihnen! Guten Tag, Fräulein Frona, wollen wir alle drei zusammen weitergehen?«

»Ich habe eine Verabredung, mich müssen Sie schon entschuldigen«, log Corliss und griff an seine Mütze.

»Am Mittwoch! Am Mittwoch nachmittag, Vance!« rief Frona ihm nach, die Stimme voll Angst.

»Ich fürchte, daß ich keine Zeit dazu finde. Leben Sie wohl! Auf Wiedersehen, Herr Harney!«

»Das ist ein Arbeitstier!« bemerkte, ihm nachschauend, Dave. »Mit Kleinigkeiten gibt er sich nicht ab. Und dabei denkt er nur an seine Gesellschaft; der Kerl hat überhaupt keinen Selbsterhaltungstrieb. Kann ein gesunder Mensch so ein Narr sein, bei dieser Konjunktur keine Hunde zu kaufen?«

*

Corliss stürzte sich aufs neue in seine Arbeit, um alles zu vergessen, was er »Privatleben« nannte. Er verhetzte seine Tage auf Schlittenfahrten, marschierte sich müde, daß er abends steif und besinnungslos ins Bett fiel, vermaß und zeichnete, als sollte er das Programm eines Jahres in Wochen erfüllen. Aber nur wenn er wachte, blieb er Herr über seine Gedanken. Wehrlos war er, wenn er schlief. Del Bishop, der fast immer mit ihm zusammen war, sah diese Ratlosigkeit, sah, daß sein Chef wenig aß und unruhig schlief, und härmte sich mit ihm zusammen ab. Der Goldsucher hatte aus verschiedenen Anzeichen, die den meisten völlig entgangen waren, einen absolut richtigen Schluß gezogen. Wie ein Jagdhund den Schweiß des Wildes, hatte er die Witterung von großen Goldfunden in die Nase bekommen; zum erstenmal in seiner Praxis glaubte er sich mit Sicherheit dem Ziel ganz nahe. Dazu brauchte er einen tüchtigen und tatkräftigen Corliss, der mit ihm am gleichen Strange zog. Er dachte nicht daran, allein reich zu werden. Seine Mannestreue war zu einer Art sentimentaler Liebe geworden. Er wollte, daß auch sein Chef das große Glück von Alaska machte. Wenn »das Stinktier« dabei im Wege war - denn es war ja kein Zweifel, woran Corliss litt, daß ihm das Fleisch von den armen Rippen fiel -, dann mußte er den Kerl aus dem Wege schaffen, und er würde sich nicht lange überlegen, auf welche Art. Vorerst aber durfte selbst seine Rachgier die große Chance nicht vereiteln. Es kam ja nicht darauf an, zu wissen, wo Gold lag, sondern man mußte der erste sein, der seine Rechte in die Listen eintragen ließ. Goldsuchen ist eine Art Wettrennen, bei dem es meist nur einen Sieger gibt.

An einer Flußgabel, da, wo der Bonanza vom Eldorado abzweigt, verlangte er eines Tages in vollem Marsch, daß sie haltmachen sollten.

»Hab’ ich Sie je um etwas gebeten, Corliss? Nein! Heute bitte ich Sie, da können Sie nicht nein sagen. Wissen Sie, daß hier, keine fünf Minuten von dieser Stelle, meine Obstfarm vergraben liegt? Wenn Sie eine Nase hätten, wie ich sie habe, könnten Sie die reifen Apfelsinen schon riechen.«

»Dann bleiben Sie eben hier, Bishop, und ich fahre weiter. Sie kommen mir nach, wenn Ihre Privatarbeit fertig ist.«

»Ich will Sie aber auch dabeihaben. Das könnten Sie doch eigentlich begreifen? Schließlich spreche ich ja nicht indianisch, sondern eine Sprache, die Sie so ziemlich verstehen sollten. Wenn es sich um Chemie und um solches Zeug handelt, was man aus den Büchern lernt, wenn man die Geduld hat, sich die Hosen durchzurutschen, dann sind Sie ein ganzer Kerl. Nein, Sie sind auch sonst ein ganzer Kerl, sonst würde ich nicht so mit Ihnen sprechen. Aber wenn es darauf ankommt, mit den Fingerspitzen zu lesen und mit der Nase zu messen, dann braucht man so einen Kerl, wie ich bin, und schließlich sollte man Gott danken, wenn man ihn hat. Diesmal hören Sie zu, für heute bin ich der beliebte Erzähler.«

Corliss lachte, und Bishop wurde wütend.

»Da gibt’s gar nichts zu grinsen! Was ich behaupte, das baut sich auf Ihrer eigenen Lieblingstheorie auf, das mit den Überschwemmungen und veränderten Flußbetten und all diesem Kram. Aber ich habe auch so nicht umsonst zwei Jahre lang bei den Mexikanern Gold gesucht. Aus Gesundheitsrücksichten allein bin ich nicht nach Alaska gegangen. Ich kann euch verdammt klugen Mineningenieuren in einer Minute mehr vom Eldorado erzählen, als ihr mit all euren Brillen in einem ganzen Monat herausrechnen könnt. Ich würde Sie zum Teufel jagen, wenn ich nicht Ihr ergebenster Diener und Ihr Freund wäre. Aber weil ich das bin, befehle ich Ihnen einfach, hierzubleiben. Heut nacht schlafen Sie hier, und nächstes Jahr können Sie sich eine Obstfarm neben meiner kaufen, und dann sind wir Nachbarn, wenn auch von Ihrem Haus zu meinem zwanzig Meilen Reitweg ist. Der geht aber nur über eigenes Land, Ihres und meines!«

»In Gottes Namen. Dann bleiben wir hier. Ich mache meine Aufzeichnungen, und Sie können herumschnüffeln.«

»Ich will Sie aber dabeihaben!«

»Ich bleibe ja. Was wollen Sie noch mehr?«

»Mit der Nase will ich Sie auf den Goldschatz stoßen, das will ich. Sie sollen mit mir zusammen Entdecker sein.«

Jetzt riß Corliss die Geduld.

»Lassen Sie mich mit Ihrer gottverfluchten Obstfarm in Ruh, Sie alter Esel! Ich bin saumüde und verflucht schlechter Laune. Wenn Sie wirklich eine Nase hätten, hätten Sie das längst gemerkt. Treiben Sie Ihren Mumpitz, bis Ihnen der Zinken abfriert, ich bleibe im Lager. Verstanden?«

»Sie undankbarer Hund, der Sie sind, Corliss! Nacht um Nacht liege ich wach und quäle mir das Hirn auseinander mit meinen Theorien und rechne, daß meine zehn Finger kaum ausreichen, und will Sie beteiligen, und was tun Sie? Schnarchen tun Sie und >Frona! Frona!< wimmern.«