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In einem dichten Strom von Menschen wanderten die beiden zur Stadt hinaus, als Del Bishop zufällig Gregory St. Vincent erspähte, der, das übliche Goldgräbergerät auf dem Rücken, in höchster Eile voranmarschierte.

»Klabastern Sie drauflos wie der Satan!« kommandierte Bishop. »Fragen Sie nicht viel, es handelt sich wieder um etwas mit der Nase.«

Die Leute kannten Corliss und Bishop. Sie wußten, daß diese beiden nicht im Wettrennen waren, sondern ihre Claims längst abgesteckt hatten. So ließen sie sich kampflos überholen. Über die ganze Strecke hätte ja doch kein Mensch ein so mörderisches Tempo ausgehalten.

Sie erreichten eine scharfe Biegung des Weges; vor ihnen war kein Mensch zu sehen; an ihren Fersen, mit einem Abstand von kaum hundert Schritten, ging nur der unglückliche St. Vincent.

»So, jetzt sprechen Sie kein Wort mit mir!« flüsterte Bishop und schlug seinen Kragen hoch, daß sein Gesicht nicht mehr zu erkennen war. »Tun Sie jetzt, als ob Sie mich nicht kennen! Da drüben ist ein Wasserloch. Dort gehen Sie hin, werfen sich auf den Bauch, als ob Sie vor Durst nicht weiter könnten. Dann tippeln Sie, in einer Viertelstunde ungefähr, allein weiter nach den Claims. Ich habe andere Geschäfte zu besorgen. Auf keinen Fall sprechen Sie ein Wort zu dem Stinktier, das darf Ihr Gesicht nicht sehen!«

Corliss war jetzt schon an Gehorsam gewöhnt. Er trat von der gebahnten Straße ab in den Schnee, legte sich nieder und tauchte eine leere Blechdose ins Wasser.

Bishop ließ sich auf ein Knie fallen und machte sich an seinen Mokassins zu schaffen. Er hatte gerade den Knoten gebunden, als St. Vincent ihn erreichte. In diesem Augenblick sprang Bishop auf und marschierte mit fieberhafter Eile weiter, wie ein Mann, der mit aller Gewalt die verlorene Zeit wieder einholen will.

»He, Sie, Mann, warten Sie eine Minute!« rief der Geograph ihm nach.

Del Bishop warf einen hastigen Blick zurück und spurtete noch schärfer.

St. Vincent setzte sich in Laufschritt, bis er Seite an Seite mit ihm kam. »Ist das der Weg.?«

»Nach den Terrassen von Vances Hügel?« knurrte Bishop gereizt. »Darauf können Sie Gift nehmen, das ist nämlich mein Weg. Auf Wiedersehen!«

Er tobte immer schärfer drauflos, der Geograph konnte nur im Laufschritt die Geschwindigkeit einhalten; an Überholen war nicht zu denken. Corliss verstand noch immer nichts von der ganzen Geschichte. Er setzte seinen Feldstecher an und folgte den beiden mit den Blicken. Da sah er, wie der Goldgräber plötzlich im rechten Winkel von seiner Straße abbog und den Weg nach dem Adamstümpel einschlug. Jetzt ging ihm ein Licht auf.

Spät abends erreichte Bishop das gemeinsame Lager, erschöpft, aber in glückseliger Laune.

»Nicht ein Härchen habe ich ihm gekrümmt!« rief er, ehe er noch im Zelt war. »Geben Sie mir was zu essen!«

Er griff nach der Teekanne und goß sich das heiße Getränk in den Leib. »Heut freß’ ich Rattenfett, Schmieröl, geröstete Mokassins, Kerzenstümpfe mit Mayonnaise, was Sie haben!«

Dann warf er sich auf die Decke und begann, mit tiefem Lachen seine Beinmuskeln zu massieren, während Corliss Speck briet und Bohnen auf die Pfanne schüttete.

»Das war ein Spaß!« erzählte Bishop. »Der kommt nicht so bald zu Vances Hügel. Da können Sie Gift nehmen.«

Er ahmte mit Talent St. Vincents Ton nach, der anfangs herablassend klang, aber bei ewiger Wiederholung derselben Worte immer zahmer und schwächlicher wurde.

»Wie weit ist es, alter Freund?«

»Wie weit ist es jetzt, alter Freund?«

Zuletzt klang die Stimme ganz verheult und greisenhaft zittrig: »Wie weit.? Ich flehe Sie an, wie weit.?«

Der Goldgräber schlug sich auf die Knie vor Entzücken und lachte, daß eine halbe Tasse Tee, die er noch nicht ganz hinuntergeschluckt hatte, im Sprühregen aus seiner Nase wieder herauskam.

»An der Wasserscheide vom Indianerstrom hab’ ich ihn schließlich liegen gelassen. Er war so ausgepumpt, daß er keinen Schritt mehr gehen konnte, vollkommen erledigt. Vielleicht hatte er noch Kraft genug, sich ins nächste Lager zu schleppen. So, jetzt geh’ ich aber schlafen. Keine Angst, Sie brauchen mich nicht erst einzusingen. Sechzig Meilen hab’ ich heut’ gemacht, nur um das arme Stinktierchen ein bißchen zu ärgern. Gute Nacht. Bitte, wecken Sie mich übermorgen früh wieder auf.«

Im Einschlafen murmelte er in seinem feinsten Diskant: »Wie weit ist es, Freundchen? Sagen Sie mir, wie weit es ist!«

Peter Whipple, einer der ältesten weißen Männer im Land, besaß einen Claim, nicht weit von Vances Hügel, und lebte dort mit einer dunklen, nicht besonders hübschen Mischlingsfrau, einer Tochter des Landes. Ihre Mutter war Indianerin gewesen, der Vater ein russischer Pelzhändler. Sie redete eine furchtbare Mischsprache, die für Weiße wie für Indianer gleich unerträglich war. Aber Whipple war ein alter Kumpan von Bishop, und da er nicht viel mehr zu tun hatte, als morgens und abends die Abgrenzungen seines Claims zu kontrollieren, ging er manchmal zu Peter Whipple, um ein langatmiges Garn mit ihm zu spinnen.

An einem Sonntagmorgen traf er die Frau allein zu Hause. Da die Unterhaltung kein Vergnügen werden konnte, beschloß er, nur aus Höflichkeit eine Pfeife bei ihr zu rauchen und sich so früh wie möglich wieder davonzumachen. Aber es geschah, daß er viele Pfeifen lang blieb, denn was die Kreolin erzählte, als ihre Zunge einmal in Schwung kam, war so interessant, daß er sie immer wieder anfeuerte, wenn der Strom ihres Kauderwelsches schwächer rann. Während er lauschte, kicherte und fluchte er leise vor sich hin. Es war die spannendste Erzählung, die er in seinem Leben gehört hatte.

Mitten darin holte die Frau ein altes Buch in abgegriffenem Ledereinband aus einer gebrechlichen Kiste und legte es auf den Tisch. Sie öffnete es nicht, aber mit Fingern und Blicken führte ihre Erzählung immer wieder auf dies geheimnisvolle Buch, und in Bishops Augen trat ein begehrliches Funkeln.

Als sie sich schon ein halb dutzendmal wiederholt und gar nichts Neues mehr zu sagen hatte, zog er seinen Beutel aus der Brusttasche. Die Frau stellte eine Goldwaage auf und tat Gewichte in die Schale, in die andere Schale schüttelte Bishop Goldstaub im Werte von 100 Dollar. Dann griff er nach dem ledergebundenen Werk, preßte es fest an sich und sagte Lebewohl.

Corliss saß im Zelt auf seinem Bett und flickte an seinen Mokassins herum.

»Jetzt hab’ ich ihn bald!« sagte Bishop und warf ihm das Buch zu.

»Wen denn?«

»Das Stinktier.«

Corliss schlug erstaunt das Buch auf, das Papier war vergilbt, von Wind und Wetter mitgenommen, der Text war russisch.

»Ich kann kein Wort davon lesen. Ich wußte gar nicht, daß Sie Russisch können, Del?!«

»Traurig genug, daß ich es nicht kann. Whipples Frau versteht auch nichts davon. Aber ihr Vater war Russe, und das war sein einziges Buch, seine Bibliothek sozusagen. Er hat ihr oft daraus vorgelesen, Sie weiß, was ihr Vater wußte, und jetzt weiß auch ich, was sie weiß, und was da drin steht.«

»Und was wißt ihr denn alle drei?«

»Na, es lohnt sich schon! Ein bißchen Geduld müssen Sie vielleicht noch haben, aber eines Tages werden Sie auch Ihren Spaß daran finden.«

*

Über Weihnachten kam der alte McCarthy über das Eis nach Dawson marschiert. Er hatte keine Geschäfte mehr, eigentlich wollte er ja längst in den Staaten sein und hatte sich nur von der zweiten Heimat nicht trennen können. Jetzt saß er bei Dave Harney herum, ein Goldkönig beim anderen, und ließ sich allen Klatsch von Dawson erzählen. Die großen Funde interessierten ihn nicht mehr so sehr. Er hörte gern von Liebesgeschichten und Saufereien, auch dem Bericht von Faustkämpfen lauschte er stets mit freundlichen Augen. Frona und Gregory St. Vincent - das war ein Rauch, der ihm in die Nase stieg! Über Frona war alle Welt sich einig: eine echte Welse und ein so famoses Mädel, wie kein anderer Kontinent es hervorgebracht hätte. Aber dieser St. Vincent, da konnte man nur den Kopf schütteln. Alle Weiber waren hinter dem Kerl her. Er hielt es mit Frona, aber ganz besonders auch noch mit einer Sängerin namens Lucille, und ein halbes Dutzend anderer Damen wurde ihm so nebenbei nachgesagt. Es war klar, die Männer konnten ihn nicht leiden, weil er soviel Glück bei den Weibern hatte. Junge und Alte nahmen ihm das gleich übel. Aber wenn man den Sachen auf den Grund ging, war nicht viel daran.