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Eines Nachmittags traf McCarthy den Mann selbst im Hause von Dave Harney. Er schien beträchtlich besser als sein Ruf, schließlich hatte der alte Goldkönig in seinem Leben manchem Mann unter den Hutrand geschaut, und er verstand sich darauf, was echt und unecht war. Der hier war der übelste nicht. Und trotzdem hatte die Abneigung der anderen ihn schon angesteckt. Matt mußte sich zwingen, mit diesem natürlichen, heiteren Burschen freundlich zu sein.

»Die Hunde sollen über mein Grab laufen«, sagte er bei sich, während er seine Spielkarten sortierte. »Bin ich zu alt oder zu jung, um gerecht zu sein? Nehme ich es ihm auch übel, daß er die Weiber zu nehmen weiß? Der Kerl hat in seinem Leben eben etwas geleistet, und das imponiert den Mädeln. Immerhin, wenn’s um Frona geht, kann man nicht vorsichtig genug sein.«

Als die Gesellschaft auseinanderging, schien es selbstverständlich, daß St. Vincent Frona nach Hause brachte. Aber Matt fuhr dazwischen.

»Heute abend nicht, mein Junge! Heute ist der alte Pflegevater an der Reihe.«

Er wanderte, Frona an seinem Arm, auf Welses Haus zu und fragte ohne Umschweife: »Was ist das, was ich von dir und dem Burschen höre?«

Sie schaute mit offenem Blick in seine scharfen grauen Augen.

»Ich kann doch nicht wissen, was du gehört hast.«

»Wenn die Leute über ein hübsches junges Mädel und einen unverheirateten jungen Mann überhaupt reden, dann ist es wirklich nicht schwer zu erraten, um was es sich handelt.«

»So, was denn?«

»Liebe, natürlich. Die Leute sagen, daß es bei euch danach aussieht.«

»Beweist das auch, daß es so ist?«

»Genügt mir, wenn es so aussieht.«

»Also erstens, Onkel Matt, bist du alt genug, um zu wissen, daß die Leute sich um jeden Preis etwas zurechtdichten müssen, wenn sonst nichts passiert. Zweitens sind Herr St. Vincent und ich gute Freunde, das ist alles. Und drittens, wenn es so wäre, wie du sagst, was dann.?«

Matt wollte etwas sagen, räusperte sich, fand jedes Wort dumm, das ihm einfiel, und brabbelte vor sich hin. Dann platzte er in seiner Verlegenheit heraus: »Weiß Gott, Frona, ich hätte Lust, dich tüchtig durchzuwichsen.«

Sie lachte: »Du meinst es sicher gut mit mir, alter Goldonkel. Leider kommst du ein bißchen spät damit, du hast die richtige Zeit damals in Dyea versäumt.«

Er bettelte: »Du wirst doch nicht böse auf deinen alten Matt sein!« »Ich denke nicht daran.«

»Aber du bist es doch.«

»So!« Sie beugte sich hastig vor und küßte ihn auf die Nase. »Glaubst du, ich könnte von Dyea sprechen und böse mit dir sein?«

Sie waren vor Welses Tür stehengeblieben.

»Ich bin wirklich nicht böse, Matt. Aber außer meinem Vater bist du der einzige Mensch, der sich erlauben darf, über diese Sache mit mir zu reden. Und wenn du es noch einmal tust, werde ich trotz allem nicht mehr an Dyea denken. Das ist etwas, was mich ganz allein angeht, du hast kein Recht.«

»Kein Recht, zu verhindern, daß du mit verbundenen Augen in dein Unglück rennst?«

»Wenn du es so nennst, nein!«

Er brummte etwas vor sich hin.

»Was sagst du da?«

»Das Maul kannst du mir verbieten, aber den Arm kannst du mir nicht festbinden.«

»Das darfst du nicht, Matt! Lieber Matt, du darfst nicht!« Sie war sehr erregt und klammerte sich an den Arm des Alten. »Ich lasse dich nicht weg, ehe du mir versprochen hast, daß du nicht in mein Leben eingreifst. Weder mit Worten noch mit Taten.«

»Ich verspreche dir gar nichts. Jetzt mach, daß du ins Haus kommst, Frona! Und gute Nacht. Es wird verdammt kalt hier draußen auf der Treppe.«

Er schob sie hinein und ging. Ein paar Schritte weiter blieb er stehen, betrachtete seinen eigenen Schatten auf dem Schnee und fluchte wie ein junger Hundetreiber, wenn die Hunde nicht ziehen wollen.

»Matt McCarthy, du bist der größte Esel, von dem du je gehört hast! Bildest du alter Schwachkopf dir wirklich ein, daß eine Welse ihren Kopf nicht durchsetzt?«

Fluchend und knurrend ging er weiter. Sein alter Wolfshund, der ihm auf den Fersen folgte, fletschte die Zähne.

*

Der Weihnachtsabend mit all seiner Aufregung und Freude war vorbei. Zwei Dutzend Kinder hatten sich, glücklich und reich beschenkt, durch den Schnee nach Hause getrollt. Dann nahm auch der letzte Gast Abschied.

»Bist du müde, mein Kind?«

Frona vergalt ihrem Vater mit strahlenden Augen all seine Zärtlichkeit, dann setzten sie sich in die großen bequemen Sessel rechts und links vom Kamin, in dem das letzte Tannenholzscheit rotglühend zerfiel.

»Was wird nächstes Jahr um diese Zeit sein?« fragte Jacob Welse.

Er fragte es gewissermaßen in den Kamin hinein, als ob die Funken ihm Antwort geben könnten.

»Diese beiden Monate, seit du bei mir bist, sind ein einziges Wunder gewesen, vom Anfang bis zum Ende. Mir ist, als lebte ich jetzt die glücklichste Zeit meines Lebens. Wir hatten uns ja kaum gekannt, Frona. Seit du ein ganz kleines Kind warst, haben wir uns immer nur für Wochen gesehen, und von einem Wiedersehen zum anderen warst du immer schon ein ganz anderer Mensch geworden. Manchmal ist es mir ganz komisch, wenn ich dich ansehe und mir sage, daß du wirklich mein Fleisch und Blut bist. Daß du kein Junge geworden bist!« unterbrach er sich plötzlich. »Frona, du wärst ein großartiger Junge geworden! Ich glaube, das wäre mir lieber. Weißt du auch, warum? Eigentlich hat man als Vater ja tausendmal mehr von einer Tochter. Ein Mädchen kann lieb und zärtlich sein, und einem Mädel kann man schmeicheln. Wenn du ein Bursche von zwanzig Jahren wärst. glaubst du, ich hätte dir einen Weihnachtskuß gegeben, so wie heute abend? In einer Tochter erlebt man die Frau noch einmal, die man am liebsten auf der Welt gehabt hat. Aber es ist komisch, Frona, lieber wär’ mir’s doch, wenn du ein Bursche wärst. Wie lange dauert es noch, dann bist du eine Frau und gehst mit irgendeinem Kerl weg, der mich nichts angeht, und der mich nicht leiden kann, oder den ich nicht mag, und ich kann nicht einmal ein Wort dagegen sagen. Du bist zur Freude für ihn geschaffen, du wirst mich verlassen und mußt mich verlassen. morgen, übermorgen, vielleicht erst nächstes Jahr. wer weiß das?«

Sie kam zu ihm, setzte sich auf die breite Armlehne des Sessels und streichelte sein gesundes, rauhes Gesicht.

»Laß das, Daddy, heute abend wenigstens! Ich bin auch so glücklich, daß ich bei dir sein kann, und vielleicht möchte ich am liebsten immer in diesem warmen Nest bleiben. Aber erzähl mir was, du hast mir noch so selten erzählt, von deiner Jugend, von unseren Vorfahren, erzähl mir vor allem von Mama!. Und dann muß ich auch einmal etwas hören von deinem Vater, der den großen einsamen Kampf bei Treasure City gekämpft hat, wo sie zehn gegen einen waren, und wo er gefallen ist. Ich bin so stolz, daß all meine Ahnen tapfere Männer waren, und ich höre so gern von Männerkämpfen!«

»Von deiner Mutter möchte ich dir viel erzählen, Frona. Eigentlich ist es das erstemal, daß wir so allein beisammen sind und daß ich dir mein Herz ausschütten kann. Aber, was kann ich dir sein? Jetzt kommt die Zeit, wo ein Mädel seine Mutter am nötigsten braucht, und du hast deine Mutter nie gekannt!«