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Sie schwiegen beide. Es war etwas wie elektrische Spannung in die Luft getreten; Frona wußte genau, was jetzt kommen würde.

»Dieser Mann, dieser Dr. Gregory St. Vincent. wie steht es mit euch beiden?« fragte Welse mit abgewandtem Gesicht und stoßweisem Atem, als müßte er sich Wort um Wort aus der Kehle quälen.

»Ich. das weiß ich selbst nicht so recht, Daddy.«

»Du bist ein freier Mensch, Frona. Du darfst wählen, wen du willst. Das ist das erste und letzte Wort, das ich dir zu sagen habe. Aber ich möchte dich doch so gern verstehen. Wenn du mir alles sagtest, weißt du, alles. vielleicht könnte ich alter Knurrhahn dir doch einmal raten. Mehr will ich gar nicht. Nur ein bißchen raten.«

»Wir sind gute Freunde, wir sind sogar sehr gute Freunde, Vater. Aber sonst ist nichts zwischen uns, ich glaube wenigstens, daß sonst nichts zwischen uns ist. Herr St. Vincent hat nie ein Wort darüber hinaus gesagt.«

»Aber ich weiß doch, daß ihr euch gern habt. Es ist nur die Frage, ob du ihn so gern hast, wie eine Frau einen Mann haben muß, für den sie sich selbst aufgeben darf.«

»Nein. Oder vielleicht doch, wie soll ich das selbst wissen? Ich denke mir, das ist auf einmal da, was du meinst, so wie ein großes weißes Licht in einem dunklen Zimmer. Auf einmal ist alles ganz offenbar. Aber das weiß ich, gekommen ist dieses Licht noch nicht.«

Jacob Welse nickte nachdenklich und sah aus wie ein Riese, der mit winzigem Kinderspielzeug spielen möchte und sich fürchtet, daran zu rühren.

»Schließlich bin ich doch auch mit anderen jungen Männern befreundet, Vater, genauso wie mit Gregory.«

»Aber gerade dieser St. Vincent.«

»Was ist gerade mit dem?«

»Ich kann den Kerl nicht leiden.«

»So geht es ihm bei vielen Männern, leider«, gab Frona zu. »Aber gerade deshalb .«

»Meine Meinung soll dir nicht mehr gelten als die der anderen. Weil ich dein Vater bin, habe ich dir in solchen Dingen keine Vorschriften zu machen, gerade deshalb nicht. Aber, daß viele Männer dasselbe Urteil haben wie ich, da muß etwas daran sein.«

»Aber du hast nichts gegen ihn als dieses unbestimmte Gefühl?«

»Doch, vielleicht etwas mehr als den bloßen Instinkt. Ich will versuchen, dir das zu erklären. Nimm’s nicht als Prahlerei, es ist eine bloße Tatsache: Wir Welses haben nie einen Feigling unter uns gehabt. Feigheit ist für mich etwas Unnatürliches, etwas Ekelhaftes, und neben Feigheit kann nichts Gutes gedeihen.«

»Gregory St. Vincent ist weiß Gott der letzte Mann auf Erden, Vater, den man einen Feigling nennen könnte! Sein ganzes Leben als Forscher war eine einzige tapfere Tat.«

Frona war bei dieser Antwort heiß und feurig geworden, aber dann schien sie ihm so traurig, daß der Anblick ihres Gesichts ihm ins Herz schnitt.

»Ich will dir nicht weh tun, Kind. Und wenn ich es doch tun muß, dann verzeih mir! Ich weiß nichts von diesem St. Vincent, ich habe keinen Anhaltspunkt für das, was ich jetzt sage, nur das unsichere Gefühl. Aber ich kann mir nicht helfen, der Mann scheint mir nicht das, wofür er sich ausgibt. Dann habe ich allerdings etwas über ihn gehört, eine kleine Tatsache, an sich ganz geringfügig. Ein Auftritt unten in der Bar, bei dem er nicht ganz sauber war.«

»Weil er mit einer Varietedame getanzt hat?. Nicht wahr, darüber zerbrechen die Männer sich ihre Zungen? Vielleicht hat er auch sonst schön mit ihr getan und meinetwegen sogar. Jedenfalls geht das die anderen nicht das geringste an, und mir ist er keine Treue schuldig. Wenn mir das weh tun soll, dann hab’ ich es jedenfalls mit mir allein auszumachen, aber ich kann nicht einmal sagen, daß es mir weh tut.«

»Du verstehst mich falsch. An seine Weibergeschichten habe ich gar nicht gedacht, sondern an etwas ganz anderes. Es hat da einmal eine Prügelei gegeben, eine große, gewaltige Prügelei, wie sich’s ab und zu in einer Goldgräberbar gehört. Er wollte nicht mitmachen. Rundheraus gesagt, er war zu feig, daß es einen Hund erbarmen konnte. Einfach zum Kotzen war’s, wie er sich benommen hat.«

»Erstens ist das doch alles nur Gerücht. Und außerdem kann es gar nicht wahr sein. Er hat mir selbst bald darauf von der Geschichte erzählt. Ausgesehen hat er keineswegs wie ein Feigling, sondern wie ein Mann, der beim Boxen gehörig eingesteckt hat. Jedenfalls hätte er nicht davon gesprochen, wenn es so gewesen wäre, wie du sagst.«

»Soll keine Anklage sein«, unterbrach Jacob Welse sich hastig, als fürchtete er, zuviel gesagt zu haben. »Manchmal ist man nicht disponiert, ich habe gute Männer kneifen gesehen, die bei einer anderen Gelegenheit wie der Teufel losgegangen sind. Hören wir auf davon! Ich habe das Gefühl, daß ich dich auf festes Land führen wollte und selbst in den Sumpf geraten bin. Ich wollte dir vielleicht einen Rat geben, aber unsereins ist alt und plump, man soll besser die Hände von so zerbrechlichen Sachen lassen.«

»Ich weiß, wie gut du es gemeint hast, Daddy.«

Sie ließ sich auf die Knie fallen und lag so zärtlich an seiner Brust, wie er es sein Leben lang nicht gefühlt hatte.

»Du guter Daddy, machst dir soviel unnütze Sorgen um mich.«

Dies war der letzte Augenblick, in dem er ihr das sagen konnte, was ihm eigentlich auf der Zunge lag:

»Was geht es uns an, Frona, uns beide, was die Welt sagt? Du bist eine Welse und hast deinen Kompaß in der Brust, du brauchst nach Himmel und Hölle nicht zu fragen, wenn du etwas tust. Und wenn du es dir einfallen läßt, ganz ohne Kirche und Standesamt ein Kind zu bekommen, nur weil du eben ein Kind haben willst, dann wird es trotz allem ein Welse sein, und wir beide fragen den Henker danach, von wem es ist.«

Als die letzte Glut im Kamin zerfiel und die Wärme das Zimmer verließ, lag sie immer noch an seiner Brust. Er erzählte ihr, was sie eigentlich hören wollte, von ihrer Mutter, die ihr so heroisch das Leben gegeben hatte, von all den mutigen Welses, die vor ihm gelebt hatten, und von dem großen einsamen Kampf bei Treasure City, in dem sein Vater den Tod gefunden.

Die lange vorbereitete Theatervorstellung fand statt und wurde ein so riesiger Erfolg, wie Dawson ihn höchstens einmal in jedem Jahre erlebte. St. Vincents Regiekunst war außer Zweifel. Er hatte aus all den ungefügen Menschen eine Art richtiger Schauspieler gemacht und schien selbst auf der Bühne ein Fachmann zu sein, kein Dilettant. Sie hatten »Nora« von Ibsen gespielt, nichts zum Lachen, sondern ein Stück, das die Menschen quälte und zugleich erhob. Unter seinem Einfluß, von seinem Talent mitgerissen, war Frona, die die Nora gab, weit über ihre Grenzen hinausgewachsen. Sie hatte Töne des Leides und der Leidenschaft gefunden, die jeden ergriffen.

Unter endlosem Beifall war der Vorhang gefallen. Dann sammelte Frau Sheffield die Honoratioren der Gesellschaft um sich und hielt die Kritik in so flammend begeisterten Ausdrücken, daß Jacob Welse sich ärgerte. Auch Dave Harney knurrte in das allgemeine Lob hinein, erstens sei das Stück wie vom Teufel gespielt worden, und zweitens sei es wirklich ein verdammt gutes Stück, und drittens hätte er schon, wer weiß wie lange, keinen so schönen Abend gehabt. Aber dann flüsterte er dem Polizeioffizier zu: »So ‘n bißchen Schleiertanz hätte man schließlich auch gern gesehen. Und mehr Mädel, vor allem mehr Mädel! Und warum hat der Ibsen, oder wie der Bursche heißen mag, denn gar keine Schlager hineingedichtet?«

»Das hätte verdammt schlecht gepaßt«, belehrte ihn Onkel Matt, der nicht hören konnte, daß man an irgendeiner Leistung Fronas Kritik übte. »Die Frona hat das so großartig gespielt«, sagte er, »so verdammt großartig, daß andere Mädel nur gestört hätten. Das gebe ich Ihnen schwarz auf weiß, wenn Sie es wollen.«

»Haben Sie Gummi gekauft?«

»Gummi?«

»Aber natürlich, was hab’ ich Ihnen denn geraten? Wenn das Tauwetter kommt, steigen die Gummistiefel ins Aschgraue, habe ich Ihnen gesagt. Dies Jahr kommen sie auf drei Unzen Gold das Paar, sonst fress’ ich alle alten Besen in Dawson City. Heute können Sie sie noch für eine Unze das Paar kaufen.«