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»War es wirklich dieser Mann da auf der Anklagebank?« La Flitche sah sich noch einmal Gregory St. Vincent an, als gäbe es auch für ihn nicht den geringsten Zweifeclass="underline" »Dieser Mann war es!«

»Er will nicht mit uns zurückgehen. Aber John und ich sagen: >Du gehst.. .<, und er geht.«

»Sagte er etwas?«

»Ich fragte ihn, was geschehen ist - ich habe ihm viele Fragen gesagt. Aber er ruft nur immer: >Oh! Oh! Oh! Oh! Oh!< und weint.«

»Ist Ihnen noch etwas aufgefallen?«

»Ah, ja, Blut an seinen Händen.«

Durch die Reihen lief ein erregtes Gemurmel, aber der Zeuge fuhr fort zu erzählen. Seine Mienen und seine Gesten begleiteten die ganze Erzählung mit der Ausdruckskraft des Naturmenschen.

»John macht Licht mit der Kerze, die er in seiner Tasche hat, und da liegt Bella auf dem Boden! Bella stöhnt wie eine Robbe, wenn sie einen Schuß durch den Leib hat. Und in der Ecke liegt Borg. Ich sehe ihn an. er atmet gar nicht. Da schlägt Bella die Augen auf, und ich sehe hinein, und da weiß ich, daß sie mich erkennt. Sie hat gleich gewußt, daß ich der Pierre bin. >Wer hat es getan, Bella?< frage ich. Da dreht sie den Kopf herum und flüstert, ach, so leise, so langsam: >Ihn tot?< Ich weiß, daß sie Borg meint, und ich sage: >Ja.< Da stützt sie sich auf einen Ellenbogen und sieht sich um. Wie sie den Mann da sieht, sucht sie nicht mehr weiter und rührt sich nicht mehr. Nur immer angesehen hat sie ihn, immer nur ihn. Und dann hat sie noch einmal die Hand hochgehoben und hat auf ihn gezeigt und hat gesagt: >Ihn!<«

La Flitche ahmte jede Bewegung der sterbenden Bella nach. Als sein Finger jetzt auf den Angeklagten wies, zitterte er, wie die Hand der Sterbenden gezittert hatte. »Sie sagt nur: >Ihn! Ihn! Ihn!<, und ich frage wieder: >Bella, wer hat es getan?<, und sie sagt wieder: >Ihn! Ihn! Ihn!! St. Vincent ihn tun es getan.< Und dann.«

La Flitche ließ seinen Kopf kraftlos auf die Brust sinken und ahmte das Verröcheln Bellas nach, bis zum letzten matten Hauch. Dann richtete er sich plötzlich wieder auf, stand in seiner natürlichen, aufrechten Haltung da, und seine weißen Zähne blitzten, als er schloß: »Bella tot.«

Der Ankläger stellte die üblichen Fragen, die natürlich nur dazu dienen sollen, die Aussagen des Belastungszeugen zu erhärten.

»Was wissen Sie von dem Kampf, der vorausgegangen ist? Der schwere Tisch war doch zerschmettert, der Ofen umgeworfen?«

»Es sah schrecklich aus«, bekräftigte La Flitche. »Nie in meinem Leben hab’ ich so etwas gesehen.«

Brown überließ mit einer Verbeugung Frona das Verhör, und sie dankte ihm mit ihrem liebenswürdigsten Lächeln. Es schien ihr gut, mit dem Gegner auf möglichst freundschaftlichem Fuß zu stehen, und sie wußte genau, was das Lächeln einer jungen Frau in dieser Versammlung bedeutete. Im Grunde wollte sie die Verhandlung nur hinziehen, bis ihr Vater kam. Ihr galt es bei jeder Frage nur, Zeit zu gewinnen. Zeit, Zeit, Zeit! Endlich mußte eine Vertagung eintreten, und dann konnte sie Gregory unter vier Augen sprechen. Er war so verängstigt, so bis in die letzten Nerven verstört, daß es jetzt unmöglich war, Einzelheiten aus ihm herauszuholen. So stellte sie an La Flitche eine unendliche Reihe von Fragen, aber nur bei zwei Antworten kam ein neues Moment an den Tag.

»Sie sprachen von einem ersten Schuß, Herr La Flitche. Aber die Wände einer Blockhütte sind sehr dick. Glauben Sie, Sie hätten bei geschlossener Tür einen Schuß gehört?«

Er schüttelte den Kopf. Seine dunklen Augen verrieten ihr, daß er schon wußte, wo sie ihn festzunageln trachtete.

»Also, Herr Zeuge, wenn Sie vom ersten Schuß sprechen, so meinen Sie nicht den ersten Schuß, der gefallen ist, sondern den ersten, den Sie gehört haben?«

Wieder nickte er. Sie hatte schon den Eindruck seiner Zuverlässigkeit um eine Spur geschwächt.

»Sie sagen, daß es sehr dunkel war?«

»Ah, ja, ganz dunkel!«

»Wie konnten Sie sofort wissen, daß es John war, den Sie zuerst trafen?«

»John macht viel Lärm, wenn er läuft. Ich kenne seinen Lärm genau.«

»Aber Ihre Augen haben Ihnen nicht gesagt, ob es John war oder ein anderer Mann, der beim Laufen Lärm macht.«

»O nein!«

»Dann frage ich Sie eins, Herr Zeuge, und ich bitte Sie, sich die Antwort sehr genau zu überlegen! Wie konnten Sie wissen, daß an den Händen von Herrn St. Vincent Blut war?«

Er zeigte mit einem Lächeln seine blendenden Zähne und dachte keine Sekunde über die Antwort nach.

»Wie? Ich fühle etwas Warmes an seinen Händen. Was kann das sein? Meine Nase sagt mir alles. Den Rauch vom Jagdlager weit fort. Das Loch, wo ein Kaninchen sich versteckt. Die Fährte, die ein Elch gezogen hat.« Er warf den Kopf zurück, mit einem gespannten Ausdruck, mit geschlossenen Augen und zitternden Nüstern zeigte er, wie alle anderen Sinne eines Jägers ruhen, der sich ganz auf die Wahrnehmungen seiner Nase verläßt. Dann öffnete er die Augen wieder und betrachtete Frona fast traurig.

»Ich rieche Blut an seinen Händen, warmes Blut, ich rieche das heiße Blut an seinen Händen.«

»Dafür kennen wir ihn! Die beste Nase von Klondike!« rief ein Mann aus der Versammlung.

Frona warf unwillkürlich einen Blick auf St. Vincents Hände und bemerkte mit Entsetzen rostbraune Flecken auf den Manschetten seines Flanellhemdes. Als der Zeuge abgetreten war, tat der Ankläger Bill Brown ein paar Schritte auf Frona zu und reichte ihr die Hand. »Ich freue mich, einen so sympathischen Verteidiger begrüßen zu dürfen.«

Sie zeigte ihm ihr liebenswürdigstes Lächeln, aber dann fragte sie rasch:

»Ist das vornehm, wie man uns behandelt? Sagen Sie selbst, als Gegner, muß man uns nicht Zeit lassen, die Verteidigung vorzubereiten? Ich weiß doch nichts von der Sache, als was Ihre beiden Zeugen vorgebracht haben. Als gerechter und vornehmer Gegner, Herr Brown, finden Sie nicht, man müßte die Verhandlung bis morgen aussetzen? Wollen Sie Ihr Plädoyer gegen einen Mann führen, der keine Gelegenheit hatte, sich so zu verteidigen, wie es jedes Gesetz verlangt?«

Er sah auf die Uhr und sagte nachdenklich: »Das ist keine schlechte Idee. Außerdem ist es schon fünf Uhr, wir müssen alle an unser Nachtessen denken.«

Wie sie ihm dankte! So kann, ohne ein Wort zu sprechen, nur eine Frau danken. Er sah ihr in die Augen und fühlte sich mehr belohnt als durch viele Worte. Dann trat er auf seinen Platz zurück und wandte sich an die Versammlung: »Nach Beratung zwischen Ankläger und Verteidiger, in Anbetracht der vorgerückten Zeit, angesichts der Tatsache, daß die Verhandlung heute zu keinem gerechten Abschluß mehr gebracht werden kann, beantrage ich die Vertagung auf morgen vormittag.«

»Dem Antrag wird stattgegeben«, erklärte der Vorsitzende, als kein Protest sich erhob. Dann stieg er von seinem Richterstuhl herab und machte sich eilig daran, das Feuer zu schüren und Kessel zuzusetzen. Er war ein Bewohner dieser Hütte und hatte an diesem Tag Küchendienst.

*

»Ich kann dir nichts erklären, Frona«, sagte Vincent, als sie jetzt unter vier Augen waren. »Ich fühle, daß mein Verstand stillsteht. Du mußt mir einfach glauben, daß ich unschuldig bin. Schwöre mir, Frona, daß du mir glaubst!« In ihrem Gesicht flammte das Blut auf.