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La Flitche schwieg, aber keiner sagte etwas. Da fügte er hinzu: »Ich finde, daß Gau ein verdammt guter Mann ist!«

Frona trat zu Jacob Welse. »Bring mich fort, Vater!« sagte sie. »Ich bin so müde.«

*

Am nächsten Morgen hackte Jacob Welse, Millionär und Goldkönig, vor seinem Zelt das Holz, das im Laufe des Tages gebraucht wurde. Dann steckte er sich eine Zigarre an und ging Baron Courbertin besuchen. Frona wusch das Frühstücksgeschirr auf, hängte die Schlafsäcke in die Sonne und fütterte die Hunde. Danach nahm sie ein Buch und setzte sich auf zwei umgestürzte Kiefernstämme, die eine Art Bank bildeten. Aber sie öffnete das Buch nicht. Ihr Blick schweifte über den Yukon hin, suchte den Stromwirbel und den Felsen, den zu erreichen sie drei Tage früher mit Corliss und dem Schotten so verzweifelt gekämpft hatte.

Wieviel seitdem geschehen war! Wie fern dieser Tag heute schon lag! War sie es wirklich selbst gewesen, die den Tod schon auf der Schulter gefühlt, den schäumenden Tod im eisigen Wasser? Um ein Nichts war es doch gegangen, um das Leben eines fremden Indianers. Hier hatten Mord und Wut getobt, hier hatte man die Schlinge schon um den Hals eines Unschuldigen gelegt, während sie und zwei Männer, drei junge, starke, nützliche Menschen, ihr Leben einsetzten für das eines Unbekannten.

Der Vater hatte ihr mitgeteilt, welche Nachricht der von ihr gerettete Indianer gebracht hatte. Es waren wichtige Entscheidungen in Dawson zu treffen, Fragen, die sich brieflich nicht erledigen ließen. Noch dieser eine Tag, dann sollte sie mit ihm aufbrechen, dann würde all dieses Inselleben hinter ihr liegen, ihr Kampf mit dem Eis, ihr Kampf gegen den Richter Lynch. Es würde alles in der Erinnerung verschmelzen und bald nicht mehr wahr sein.

Wie stand sie zu St. Vincent? Instinktiv wehrte sie sich dagegen, an ihn zu denken. Etwas Dunkles, Furchtbares verband sie noch immer mit diesem Manne. Einmal mußte sie sich mit ihm auseinandersetzen, aber sie wollte die Stunde hinausschieben. Steif und wund waren ihre Glieder, ihre Seele war müd und krank. Sie hatte Angst vor neuen Qualen, sie hatte Angst vor dem Wort, das ihr eigenes Herz sprechen würde.

Das Geräusch von leichten Schritten auf dem trocknen Waldboden näherte sich. Sie sah auf, und St. Vincent stand vor ihr. Er hatte sich völlig erholt, als wären die schrecklichen Stürme, denen ein Mensch begegnen kann, an ihm abgeglitten. Sein Gesicht war fast heiter und so schön, wie es ihr immer erschienen war. Keine Spur hatte sich in diese frischen knabenhaften Züge gegraben.

»Du bist eine Heldin, Frona!« begann er, und es schien, als wollte er sich vor ihr in die Knie werfen. »Du hast um mich gekämpft, und es gibt kein Wort, mit dem ich dir danken könnte. Vielleicht kann ein ganzes Leben voll Dankbarkeit. Aber ich weiß nicht, ob ich es dir anbieten darf. Nur das weiß ich: Ohne deine Tapferkeit, ohne deine Treue, ohne deine Liebe wäre ich nicht mehr. Der schimpflichste Tod war mir gewiß. ohne dich, Frona!«

»Was soll ich sagen?« dachte Frona. »Ich hasse ihn, ich verabscheue ihn!«

Sie hatte die Hände ineinandergepreßt, ihre zitternden Hände, und über ihre Wangen liefen Tränen.

Dann auf einmal brach sie in ein grelles schluchzendes Lachen aus.

»Du hast furchtbar gelitten, Frona!« flüsterte er mit einer Zärtlichkeit, so weich und gut, wie sie nur ihm gegeben war.

»Jetzt erst weiß ich, wie furchtbar du gelitten hast.«

Sie lachte noch heftiger, sie lachte wie eine Kranke.

»Es ist ja alles vorbei, Frona. Ich lebe, du fühlst mich, ich liebe.«

Dabei legte er den Arm um sie. Ganz nahe waren ihr seine Lippen, von denen es kein Entrinnen gab, wenn sie noch einmal die ihren fanden. In einer Todesangst, die sie in den reißenden Strudeln und zwischen den kalbenden Eisbergen nicht empfunden hatte, stieß sie ihn mit beiden Fäusten von sich.

»Du hast mich schmutzig gemacht! Meine Lippen sind schmutzig von deinen Küssen! Nie wieder! Nie wieder!«

Er starrte sie an, er verstand nichts.

»So sprichst du mit mir?«

»Ein Feigling.«, hauchte sie und rieb ihren Mund, rieb ihre Hände. Jeder Fleck ihrer Haut ekelte sie, den er einmal berührt hatte.

»Du nennst mich Feigling? Und das ist alles, was du mir zum Vorwurf machst? Aber diese andern, die mit Messern und Revolvern aufeinander losgehen, all diese Burschen, in denen ein Henkersknecht steckt und danach brüllt, sich einmal austoben zu dürfen. all diese andern sind Helden?« Er ließ sich zu ihren Füßen nieder, und jetzt weinte auch er.

»Ich habe ihre Nerven nicht, Frona. Ich kann nicht töten. Ich kann keine Wunden schlagen. Meine Kraft gilt anderen Zielen. Aber ich glaube, daß ich besser lieben kann als diese Helden. Ist das nichts, Frona?«

»Wenn du doch gestorben wärst, Vincent! Wenn du in der Nacht in Borgs Hütte gestorben wärst, meinetwegen vor Angst gestorben wärst, wenn auch nicht im Kampf. Ja selbst, wenn du am Galgen gestorben wärst, ich hätte dich grenzenlos geliebt. Ich hätte dich für mein ganzes Leben geliebt. Jetzt geh von mir!«

»Und wenn ich jetzt vor deinen Augen sterbe? Dazu bin ich nicht zu feig, Frona! Wirst du mich dann wieder lieben können?«

»Es ist zu spät, Vincent. Einen schwachen, armen, kleinen Menschen hätte ich lieben können. Ich will kein Heldenweib sein. Ich will nie wieder versuchen, etwas anderes zu sein als eine Frau, wie alle Frauen sind. Aber du hast etwas zerstört, und das kann nicht wieder werden.«

»Was habe ich zerstört?«

»In dir habe ich den tapfersten aller Männer gesehen. Alle Träume, die ein Mädchen träumt, waren in dir Körper geworden. Und das ist vorbei. Das kommt nie wieder. Aber du würdest mich immer daran erinnern. Geh fort!« schrie sie mit so furchtbarer Energie, mit so haßerfüllten Augen, daß er plötzlich nicht mehr zweifeln konnte: hier war sein Spiel ausgespielt.

»Gut, ich gehe. Du wirst nie wieder von mir hören. Vielleicht wirst du einmal lesen und lernen, daß du einen Menschen von dir gestoßen hast, der mehr wert ist als all deine Eisenfresser. Auch mehr als der, der mich verdrängt hat. Denn das laß dir sagen, mein letztes Wort: Ich weiß, daß alles gelogen war! Du hättest mich weitergeliebt, du wärst durch Jammer und Elend mit mir gegangen ohne den, der von da drüben kommt.«

Dabei zeigte er auf ein Kanu, in dem Del Bishop und Corliss herangepaddelt kamen.

»Ich weiß, daß deine Verachtung und dein Heldenglaube nichts ist als Pose! Aber der Mann, mit dem du eine gewisse Nacht, eine ganze Nacht, von der wir nicht sprechen wollen, in Happy Camp verbracht hast, in seinem Zelt, in seinen Decken, der.«

»Vance!« schrie Frona hinaus auf den Fluß: »Komm her und schütze mich!«

Bei diesem Schrei, dessen Echo die Flut widerhallte, verschwand Gregory St. Vincent wie ein Schatten.