Diese beiden Methoden werden auch heute noch von uns angewendet. Unsere Sternenschiffe verwenden für ihre Triebwerke allerdings noch eine andere Art von Kernenergie — das Anameson, das sich uns bei der Beobachtung großer Sterne der Galaxis über den Großen Ring erschloss.
Sobald die Menschen eine Methode gefunden hatten, Zerfallsprodukte außerhalb der Grenzen der Erdatmosphäre zu deponieren, wurde beschlossen, alle seit Langem lagernden Vorräte an alten Kernbrennstoffen — radioaktive Isotope von Uran, Thorium, Wasserstoff, Kobalt und Lithium — auf diese Weise zu vernichten.
Damals, im Zeitalter der Umgestaltung, wurden auch künstliche Sonnen angefertigt und über den Polargebieten gewissermaßen aufgehängt. Dadurch schmolzen partiell die polaren Eiskappen, die sich während der Quartärvergletscherung an den Polen der Erde gebildet hatten, und verursachten einen Klimawandel auf dem ganzen Planeten. Der Meeresspiegel hob sich um sieben Meter, und die Atmosphärenzirkulation veränderte sich grundlegend: Die Kaltwetterfronten wurden stark abgeschwächt, ebenso wie der Passatgürtel, der zur Ausbildung der Wüstenzonen an der Grenze zu den Tropen geführt hatte. Dadurch wurden orkanartige Winde sowie überhaupt alle stürmischen Wetterbedingungen fast vollkommen ausgeschaltet.
Die warmen Steppen dehnten sich nach und nach bis zum sechzigsten Breitengrad aus, und die Wiesen und Wälder der gemäßigten Klimazone überschritten den siebzigsten.
Der antarktische Kontinent, zu drei Viertel vom Eis befreit, erwies sich für die Menschheit als Fundgrube an Bodenschätzen — dort befanden sich noch große unberührte Erzlager, wohingegen derartige Vorkommen auf allen übrigen Kontinenten nach dem unvernünftigen Raubbau an Metallen in der Zeit der weltweiten Vernichtungskriege bereits erschöpft waren. Es gelang, die Spiralstraße über die Antarktis hinwegzuführen und ihre Enden zu einer Ringstraße zusammenzuschließen.
Noch vor der einschneidenden Klimaveränderung waren riesige Kanäle gegraben und Gebirgsketten durchschnitten worden, um die Zirkulation der Wasser- und Luftmassen in Einklang zu bringen. Mithilfe von elektrischen Pumpen konnten sogar die Hochgebirgswüsten Asiens bewässert werden.
Die Möglichkeiten der Nahrungsmittelproduktion stiegen um ein Vielfaches, man erschloss neues Land und nutzte die warmen Binnenmeere für die Züchtung eiweißreicher Algen.
Mit den alten Planetenschiffen, so gefährlich und unsicher sie auch waren, konnten wir immerhin die nächstgelegenen Planeten unseres Sonnensystems erreichen. Die Erde war von einem Netz künstlicher Satelliten umgeben, von denen aus der Mensch den Kosmos aus nächster Nähe studieren konnte. Und dann, vor vierhundertacht Jahren, trat ein Ereignis von solcher Bedeutung ein, dass eine neue Ära der Menschheitsgeschichte — die ÄGR, die Ära des Großen Ringes — eingeleitet wurde.
Seit Langem hatten sich die Menschen über die Übertragung von Bild, Ton und Energie über weite Entfernungen hinweg den Kopf zerbrochen. Hunderttausende hochbegabte Wissenschaftler arbeiteten in einer Spezialorganisation, die heute noch Akademie für gerichtete Strahlung genannt wird, an diesem Problem, bis es ihnen gelang, Energie drahtlos, durch Leitstrahlen über große Entfernungen zu übertragen. Dies wurde möglich, nachdem eine Umgehung des Gesetzes — Energiestrom proportional dem Sinus des Strahlendivergenzwinkels — gefunden worden war. Die Aussendung paralleler Strahlungsbündel ermöglichte eine ständige Verbindung mit den künstlichen Satelliten und über sie mit dem ganzen Kosmos. Der Schirm der ionisierten Atmosphäre, der unser Leben schützt, war stets auch das Hindernis für Nachrichten aus dem und in den Kosmos gewesen. Vor langer, langer Zeit, noch in der ausgehenden Ära der Uneinigen Welt, hatten unsere Wissenschaftler festgestellt, dass sich aus dem Kosmos Ströme starker Radiostrahlen auf die Erde ergießen. Gleichzeitig mit der Strahlung der Gestirne und Galaxien erreichten uns Signale aus dem Kosmos sowie Botschaften über den Großen Ring, die allerdings verzerrt waren oder zur Hälfte in der Atmosphäre untergingen. Obwohl wir bereits imstande waren, diese geheimnisvollen Signale aufzufangen, verstanden wir sie damals nicht und hielten sie für die natürliche Abstrahlung toter Materie.
Der Wissenschaftler Kam Amat, seiner Herkunft nach Inder, kam auf die Idee, auf künstlichen Satelliten Versuche mit Bildempfängern durchzuführen, und probierte zehn Jahre lang mit endloser Geduld immer neue Kombinationen von Wellenbereichen aus.
Eines Tages fing Kam Amat eine Botschaft vom Planetensystem des Doppelsterns auf, welcher seit alters her unter dem Namen Schwan 61 bekannt ist. Auf dem Bildschirm erschien ein Wesen, das uns zwar nicht ähnlich, aber zweifellos auch ein Mensch war, und zeigte auf eine Inschrift, die aus den Symbolen des Großen Rings bestand. Die Inschrift konnten wir erst neunzig Jahre später lesen, und heute schmückt sie — in irdischer Sprache — das Denkmal Kam Amats: ›Gruß Euch, Brüdern, die Ihr Euch unserer Familie angeschlossen habt! Getrennt durch Raum und Zeit, sind wir durch unseren Intellekt in einem Ring von großer Macht vereint.‹
Die aus Symbolen, Zeichnungen und Karten bestehende Sprache des Großen Rings erwies sich als leicht erlernbar für die irdische Menschheit. Schon zweihundert Jahre später konnten wir mithilfe von Übersetzungsmaschinen mit den Planetensystemen der nächstgelegenen Sterne kommunizieren, zusammenhängende Bilder des mannigfaltigen Lebens verschiedener Welten empfangen und weiterleiten. Erst vor Kurzem erhielten wir eine Nachricht von den vierzehn Planeten des großen Lebenszentrums Deneb im Sternbild des Schwans, eines riesigen Sterns mit einer Leuchtkraft von viertausendachthundert Sonnen, der sich hundertzweiundzwanzig Parsec von uns entfernt befindet. Die Entwicklung des Intellekts nahm dort einen anderen Verlauf, hat aber unseren Stand erreicht.
Auch von den alten Welten — den Kugelsternhaufen in unserer Galaxis und dem riesigen bewohnten Gebiet um das galaktische Zentrum — erreichen uns aus unermesslicher Ferne seltsame Bilder und Aufzeichnungen, die wir noch nicht verstehen und dechiffrieren können. Nachdem sie von den Gedächtnismaschinen gespeichert worden sind, gehen sie an die Akademie der Grenzen des Wissens — das ist eine wissenschaftliche Organisation, die sich mit Problemen beschäftigt, die unsere Wissenschaft noch kaum ahnen kann. Wir versuchen eine Denkweise zu verstehen, die uns Millionen von Jahren voraus ist und die sich von unserer Denkweise dank der einheitlichen historischen Entwicklung des Lebens von der niedrigsten organischen Form zu einem höheren, vernunftbegabten Wesen nur wenig unterscheidet.“
Weda Kong wandte sich vom Bildschirm ab, in den sie wie hypnotisiert gestarrt hatte, und warf Dar Weter einen fragenden Blick zu. Dieser lächelte und nickte zufrieden. Weda hob stolz den Kopf, streckte den unsichtbaren und unbekannten Wesen, die in dreizehn Jahren ihre Worte hören und ihre Gestalt sehen würden, die Hände entgegen und sagte:
„Das ist unsere Geschichte, ein mühseliger, schwieriger und langer Anstieg zu den Höhen des Wissens. Wir rufen euch — vereinigt euch mit uns im Großen Ring, um die mächtige Kraft des Intellekts in alle Winkel des unendlichen Universums zu tragen und die träge, tote Materie zu besiegen!“
Wedas Stimme klang feierlich, als ob sie von der Kraft sämtlicher Generationen von Erdenmenschen erfüllt sei, jener Erdenmenschen, deren Entwicklung so weit fortgeschritten war, dass ihre Gedanken und Vorhaben bereits über die Grenzen der eigenen Galaxis hinaus zu anderen Sterneninseln des Universums getragen wurden.
Ein lang anhaltender eherner Ton erklang — Dar Weter hatte einen Hebel betätigt und den Sendestrom abgeschaltet. Der Bildschirm erlosch. Auf der durchsichtigen Täfelung zur Rechten blieb die leuchtende Säule des Leitkanals zurück.