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Eine ungeheure Schwerkraft lastete auf jedermann. Wie nach einer schweren Krankheit waren die Menschen kaum in der Lage, sich zu erheben. Der unermüdliche Biologe hatte jedoch bereits die Luft überprüft.

„Zum Atmen geeignet“, meldete er. „Ich sehe sie mir sofort unter dem Mikroskop an!“

„Nicht nötig“, entgegnete Erg Noor, während er die Gurte des Landesessels losmachte. „Ohne Raumanzüge dürfen wir das Schiff nicht verlassen. Es könnte hier sehr gefährliche Sporen und Viren geben.“

In der Luftschleuse am Ausgang des Schiffs wurden biologische Raumanzüge und „Sprungskelette“ bereitgehalten — das waren mit Leder überzogene Gestelle aus Stahl, welche über den Raumanzügen getragen wurden und mit einem Elektromotor, Sprungfedern und Stoßdämpfern ausgestattet waren. Sie dienten zur Fortbewegung unter den Bedingungen erhöhter Schwerkraft.

Nach sechs Jahren Irrfahrt im interplanetarischen Raum konnte es die Besatzung kaum erwarten, wieder Boden — wenn auch fremden — unter den Füßen zu spüren. Kay Ber, Pur Hiss, Ingrid, die Ärztin Luma und zwei Bordingenieure mussten im Sternenschiff zurückbleiben, um das Funkgerät, die Scheinwerfer und die Instrumente zu bedienen.

Nisa stand mit dem Helm in der Hand abseits von der Gruppe.

„Weshalb zögern Sie, Nisa?“, fragte der Kommandant das Mädchen, während er die Sprechfunkanlage an seinem Helm überprüfte. „Kommen Sie, gehen wir zum Sternenschiff!“

„Ich… glaube, e-es ist ausgestorben und… steht schon lange hier“, stammelte das Mädchen. „Wieder eine Katastrophe, wieder ein Opfer des unbarmherzigen Kosmos. Ich weiß, das ist unvermeidlich, aber trotzdem ist es schwer zu ertragen… besonders nach Sirda, nach der Algrab.

„Vielleicht rettet der Tod dieses Sternenschiffs uns das Leben“, entgegnete Pur Hiss, während er ein Fernrohr mit geringer Brennweite in Richtung Schiff hielt, das nach wie vor dunkel dalag.

Acht Expeditionsteilnehmer kletterten in die Übergangssektion und warteten.

„Luft aufdrehen!“, befahl Erg Noor den im Schiff Zurückgebliebenen, von denen sie bereits durch eine undurchdringliche Wand getrennt waren.

Erst als der Druck in der Schleuse zehn Atmosphären erreicht hatte, vermochten die hydraulischen Winden die hermetisch abgeschlossene Tür nach außen zu drücken. Zwar schleuderte der Luftdruck die Menschen beinahe aus der Schleuse hinaus, verhinderte aber dafür gleichzeitig, dass etwas Schädliches aus der fremden Welt in das kleine Stück Erde dringen konnte. Die Tür schlug heftig hinter dem Expeditionstrupp zu. Das Scheinwerferlicht bahnte den Forschern einen hellen Weg, auf dem sie ihre bleiernen Körper mithilfe der Sprungbeine mühsam fortbewegten. Am Ende der Lichtbahn erhob sich das riesige Schiff. In ihrer Ungeduld und geplagt von den heftigen Erschütterungen, die sie bei jedem ihrer ungelenken Sprünge auf dem unebenen, mit kleinen Steinchen übersäten und von der schwarzen Sonne stark erhitzten Boden verspürten, kamen ihnen die anderthalb Kilometer endlos vor.

Durch die dichte, feuchtigkeitsgeladene Atmosphäre des Planeten schimmerten die Sterne wie matte, verschwommene Flecke, und der Himmel über ihnen vermittelte nur einen schwachen Eindruck von der glänzenden Pracht des Kosmos. Die trüben Lichter der Sterne waren machtlos gegen die Dunkelheit auf der Planetenoberfläche.

Inmitten der tiefen Finsternis, die das Schiff umgab, zeichneten sich seine Umrisse besonders plastisch ab. Die dicke Bor-Zirkonium-Lackschicht war an manchen Stellen abgeschrammt. Das Sternenschiff war wahrscheinlich lange im Kosmos unterwegs gewesen.

Eon Tal stieß einen Ruf aus, der in allen Kopfhörern widerhallte, und zeigte mit dem Finger auf die offen stehende Tür, die wie ein schwarzer Fleck vor ihnen gähnte. Dahinter sah man den heruntergelassenen Aufzug. Auf dem Boden neben und vor dem Eingang und unter dem Schiff ragten unzweifelhaft Pflanzen hervor. Die dicken Stängel trugen in etwa ein Meter Höhe schwarze parabolische Blätter oder Blüten mit gezackten Rändern, die sie wie reglose Zahnräder aussehen ließen. Sie machten einen Unheil verkündenden Eindruck. Noch furchterregender war das lautlose Gähnen der Tür. Unberührte Pflanzen und eine offene Tür — das hieß, dieser Weg war schon lange nicht mehr von Menschen benützt worden, und die kleine irdische Welt im Innern des Schiffes war der fremden schutzlos ausgeliefert.

Erg Noor, Eon und Nisa stiegen als Erste in den Aufzug, der Kommandant drückte auf den Knopf. Mit einem leichten Knirschen setzte sich der Mechanismus in Bewegung und brachte die drei Forscher folgsam in die sperrangelweit offen stehende Luftschleuse. Die anderen folgten ihnen. Erg Noor bat die Kollegen auf der Tantra, den Scheinwerfer auszuschalten. Die kleine Gruppe von Menschen verlor sich augenblicklich in der abgrundtiefen Finsternis. Die Welt der eisernen Sonne umhüllte sie, als wollte sie augenblicklich dieses schwache Fünkchen irdischen Lebens auf dem Boden des riesigen Planeten ersticken.

Die Forscher schalteten die in ihren Helmen integrierten, sich drehenden Stirnlampen ein. Die Tür vom Übergangssektor in das Innere des Schiffs war geschlossen, jedoch nicht versperrt und deshalb leicht zu öffnen. Sie traten in den mittleren Korridor, wobei sie sich in den dunklen Gängen leicht zurechtfanden. Die Konstruktion des Sternenschiffs unterschied sich von der Tantra nur in Details.

„Das Schiff wurde vor einigen Jahrzehnten gebaut“, sagte Erg Noor und trat näher an Nisa heran.

Das Mädchen wandte sich nach ihm um. Durch den Silikollhelm hatte das kaum beleuchtete Gesicht des Expeditionsleiters etwas Geheimnisvolles an sich.

„Ein absurder Gedanke“, fuhr Erg Noor fort. „Aber vielleicht ist das…“

„Die Parus“, rief Nisa aus. Sie hatte vergessen, dass das Mikrofon eingeschaltet war, und sah, wie sich plötzlich alle zu ihr umwandten.

Der Erkundungstrupp war in den Hauptraum des Schiffs, in die kombinierte Bibliothek- und Laborkabine, und von da aus in die Steuerzentrale vorne im Bug vorgedrungen. Der Expeditionsleiter humpelte schwankend dahin in seinem skelettartigen Panzer, stieß gegen die Wände und gelangte schließlich zum Schaltbrett. Die Schiffsbeleuchtung war eingeschaltet, aber Strom war keiner vorhanden. Nur die phosphoreszierenden Zeiger und Zeichen brannten in dem dunklen Raum. Erg Noor fand den Notschalter, und zur allgemeinen Überraschung leuchtete ein mattes Licht auf, das sie alle zu blenden schien. Offensichtlich brannte nun auch im Aufzug Licht, da in den Helmsprechgeräten die Stimme von Pur Hiss ertönte, der sich nach dem Verlauf der Besichtigung erkundigen wollte. Bina, die Geologin, antwortete ihm, da der Kommandant plötzlich wie angewurzelt an der Schwelle der Steuerzentrale stehen geblieben war. Nisa folgte seinem Blick und erblickte oben zwischen den vorderen Monitoren eine doppelte Aufschrift — Parus in der Sprache der Erde und dem Code des Großen Rings. Darunter, durch einen Strich getrennt, standen die galaktischen Rufzeichen der Erde und die Koordinaten des Sonnensystems.

Sie hatten das Sternenschiff wiedergefunden, das vor achtzig Jahren verschollen war. Und zwar genau in jenem vorher unbekannten System der schwarzen Sonne, das man bisher für eine Dunkelwolke gehalten hatte.

Die Besichtigung der Schiffsräume erbrachte keinerlei Hinweise über den Verbleib der Insassen. Die Sauerstoffreservoirs waren nicht leer, die Vorräte an Wasser und Verpflegung hätten noch mehrere Jahre gereicht, aber von der Besatzung der Parus gab es keine Spur.

Auf den Gängen, in der Steuerzentrale und in der Bibliothek waren an manchen Stellen sonderbare dunkle Lachen zu sehen. Auf dem Fußboden der Bibliothek war ein Fleck, der aussah, als wäre eine Flüssigkeit verschüttet worden. Sie war mit einem mehrschichtigen welligen Film überzogen. Im Heckmaschinenraum hingen abgerissene Leitungen vor der weit offen stehenden Tür des hinteren Schotts herab, und die massiven Ständer der Kühlanlage aus Phosphorbronze waren stark geknickt. Da der Rest des Schiffes vollkommen unversehrt war, blieb die Ursache dieser Beschädigung ein Rätsel. Möglicherweise rührten sie von mächtigen Stößen her. Während die Forscher das Schiff durchsuchten, um den unzweifelhaften Tod der Parus-Besatzung aufzuklären, gerieten sie in vollkommene Erschöpfung.