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„Ob wir den je wieder ganz bekommen?“ fragte ich und griff nach einer der Baugruppen. Die Kontakte waren zum Teil knapp am versiegelten Kästchen, das die Nanoelektronik enthielt, abgebrochen, dieses aber war noch intakt.

Wir schraken zusammen. Mit einem saugenden Geräusch öffnete sich die Tür der Laborschleuse. Alfa und Eta hatten wie wir keine Ruhe finden können.

„Eigentlich gibt es genügend Guros“, sagte ich, „und in den Lagern Reserveguros…“

„Wir müssen Delth rufen“, Alfa trat an das Intercom, „er ist sonst tagelang eingeschnappt.“

Es stellte sich heraus, daß noch kein Geschwister schlief, nicht einmal der an der Zerlegung unbeteiligte Teth.

Wir gingen wieder an die Arbeit, sie war schwerer als das Auseinandernehmen. Wir mußten zuerst alle Baugruppen durchtesten. Einige funktionierten nicht mehr. Ohne die Hilfe des Schiffscomputers und ohne Ersatzteile wäre die Reparatur unmöglich gewesen.

Erst am dritten Tag waren wir so weit, daß wir die Schutzflüssigkeit nachfüllen und die Akkumulatorsäule wieder anschließen konnten. Beim Verschweißen der Plasthaut blieben feine Narben zurück, nur bei genauem Hinsehen zu erkennen.

Als wäre nichts geschehen, stieg Guro vom Arbeitstisch und fragte: „Nun, habt ihr meine Seele gefunden?“

„Hätten wir gewußt, was wir suchten, hätten wir dich nicht analysiert“, konterte Ilona. Sie strahlte wie wir alle.

„Jetzt ist mir wohler“, sagte Teth.

Guro lebte wieder so, wie wir ihn von Kindheit an kannten.

Doch nur bei Robotern kann der Tod zurückgenommen werden.

In der Zentrale

Lange blieb uns eine Reihe von ausgedehnten Sektionen des Raumschiffs versperrt, und selbst Delths beste Werkzeuge vermochten nicht, die Schotte aufzubrechen, die uns den Zugang verwehrten. Dann begann Guro endlich, uns in die Konstruktionszeichnungen des Schiffs einzuweisen, und er erklärte, daß die Kommandosektoren und Antriebsdecks uns bald offenstehen würden.

Ohne weitere Ankündigung war es eines Tages soweit. Ich näherte mich auf dem Weg zum Totaloskopraum einer dieser verschlossenen Türen und stellte verwundert fest, daß das grüne Signal aufleuchtete. Mißtrauisch trat ich näher und bediente den Öffnungsmechanismus.

Sofort fuhren die Schotte beiseite und gaben mir den Weg frei.

Ich warf einen ersten Blick hinein, dann eilte ich mit der Neuigkeit von Raum zu Raum und rief meine Gruppe zusammen. Neidvoll beobachteten uns die Geschwister aus der zweiten und dritten Gruppe. Sie wurden durch die Türsensoren von uns unterschieden und standen weiterhin vor dem Einhalt gebietenden Rot — es sei denn, wir gestatteten, daß sie uns begleiteten.

Gemeinsam lernten wir acht den letzten, uns bisher unbekannten Teil des Schiffs kennen. Wir fuhren mit dem Lift in den Antriebssektor, in dem wir Schutzanzüge tragen mußten, weil weit hinter uns die Fusoren arbeiteten. In den technischen Sektionen herrschte nicht die uns vertraute Schwere. Je nach ihrer Lage mußten wir uns in ihnen unter den Bedingungen fast völliger Schwerelosigkeit oder nur schwacher Zentrifugalkraft bewegen. Zuerst stießen wir uns die Köpfe ein, dann lernten wir, die verschiedenen Halte Vorrichtungen sachgerecht zu nutzen. Im Schutzanzug war die Fortbewegung einfacher, denn dieser verfügte über Magnetschuhe, mit denen man auf den markierten, schwach magnetischen Flächen normal laufen konnte. Die radialen Korridore im luftleeren Deck hinter dem Fusor boten sogar eine besondere Bequemlichkeit — man brauchte sich nur auf den entsprechend markierten Streifen zu stellen, und schon glitt man, von einem im Boden befindlichen Linearmotor getrieben, über die Fläche.

Ein Raum aber übte auf mich eine unwiderstehliche Anziehung aus, die „Kommando-Zentrale I“, die wir bald kurz „Zentrale“ nannten. Ich hatte ihre Lage anhand der Schiffspläne identifiziert und schlich mich von den anderen davon, um sie, das Zentrum aller Vorgänge im Schiff, allein und vor den Geschwistern zu erreichen. Dort angekommen, erkannte ich den Navigationscomputer, die Steuerpulte, Monitore für die Schiffsfunktionen, den Hauptschirm. Genüßlich ließ ich mich in den Sessel des Kommandanten fallen, fühlte mich nun als Herr des Schiffs. Ich griff nach den Steuereinrichtungen und forderte: Positionskontrolle!

Nichts geschah. Kein Computer flüsterte mir Zahlenkolonnen zu, kein Sichtschirm oder Monitor flammte auf, kein Anzeigesymbol veränderte sich. Ich drückte die Fehlerkontrolle, wiederholte den Befehl, schaltete wie besessen - nichts geschah. Die Zentrale blieb tot. Das Schiff gehorchte mir nicht, reagierte auf keinen meiner harmlosen Befehle. Und dabei beging ich keinen. Fehler, hatte keinen Hauptschalter übersehen, kein Programm zu starten vergessen. Nichts.

Hinter mir lachte jemand. Delth lehnte am Astrosimulator und freute sich über meine Ratlosigkeit. „Du bist nicht der Kommandant, Beth.“

„Du etwa?“ fauchte ich verärgert.

„Nein, wir sind zu früh gekommen“, sagte er nüchtern. „Ich denke, daß Guro uns das Schiff ordnungsgemäß übergibt, wenn wir genügend geprobt haben und alles kennen. Bis dahin ist die Zentrale abgeschaltet.“

Delth irrte. Schon als wir am nächsten Tag gemeinsam die Zentrale besuchten, glommen die Bereitschaftsindikatoren. Alle Systeme waren einsatzbereit. Und doch konnten wir mit ihnen das Schiff nicht steuern — die Zentrale hatte sich in einen großen Flugsimulator verwandelt, in dem wir das Schiff beherrschen lernten. Das Training dauerte nur wenige Wochen.

Theoretisch längst eingeweiht, setzten wir uns hinter die Geräte und Steuerpulte und begannen mit einfachen Tests: Funktionsüberprüfung der Computer, Checken der Systeme, Feststellen des Schiffszustandes. Es klappte alles wie am Schnürchen, langweilte uns sogar bald, und wir kamen uns überflüssig vor. Aber dann erfand die Simulationsautomatik Fehlerquellen, vorzugsweise bei den kompliziertesten Manövern. Gerade lavierten wir durch das Mondsystem eines Riesenplaneten, da fiel der Navigationscomputer aus, und die Ersatzsysteme „vergaßen“, sich zuzuschalten. Wir hatten nicht einmal Zeit, die Automatik zu verfluchen, die uns prinzipiell ausgeschlossene Havarien bescherte.

Ohne ein Wort der Absprache wußte jeder von uns, was zu tun war. Alfa steuerte, nur unterstützt von Hilfsgeräten, Gamma kalkulierte auf dem kleinen Rechner den Kurs, und wir anderen versuchten, den Fehler, sei es nun ein falsches Programm oder eine defekte Baugruppe — oder beides —, aufzuspüren.

Wir blieben tagelang rund um die Uhr in der Zentrale, die trotz der Klimaanlage allmählich den Geruch unseres Schweißes annahm. Nachts schliefen wir entkräftet auf ihrem flachen Boden, träumten von gefährlichen Orbits in Mehrfachsystemen, von verkohlter Nanoelektronik, von endlosen Computerprogrammen voller Fehler.

Anfangs murrten wir noch über die Simulationen, die uns als eine unsinnige Anstrengung vorkamen. Unser Schiff war Jahrtausende hindurch perfekt geflogen, hatte nie menschliche Unterstützung benötigt und sich selbst repariert, falls etwas ausgefallen war. Es konnte die kompliziertesten Navigationsmanöver allein ausführen, sogar viel besser, als wenn wir uns einmischten. Keinen realistischen Notfall konnten wir uns vorstellen, der unseren Eingriff erzwang - weshalb also mußten wir uns mit der Steuerung so abplagen?

Wenn der Alarmton durch die Zentrale schrillte, vergaßen wir die Fragen, vergaßen die Simulation, wirbelten durch den Raum, als ginge es jede Sekunde um die Existenz des Schiffs. Wir lernten in dieser Zeit jedes Instrument, jedes Gerät der Zentrale bis ins letzte kennen und wuchsen zu einer gut aufeinander abgestimmten Mannschaft zusammen, in der jeder die Reaktionen der anderen im voraus wußte.

Jeder von uns übernahm im Laufe der Tests sämtliche Funktionen: Kommandant, Navigator, Operator, Reparateur, Antriebsspezialist. Wir waren für die einzelnen Funktionen nicht gleich gut geeignet. Teth gab einen ausgezeichneten Navigator ab, versagte aber beim Reparieren. Gamma übernahm am besten die Computer. Ich schien besonders zum Reservemann befähigt zu sein, der einsprang, wo es kritisch wurde.