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Mit der Zeit überwältigten mich immer mehr Bedenken. Was hatte Delth vor? Wollte er den Schiffscomputer zerstören? Es hätte Chaos bedeutet, wahrscheinlich unseren Tod. Selbst bei dem Gedanken an einen programmtechnischen Eingriff in das Kernstück des Computers wurde mir unheimlich, wer wußte, welche Veränderungen wir hervorriefen, welche Systeme plötzlich ausfielen…

Millimeter um Millimeter gruben wir einen rotglühenden Tunnel in das Material.

„Du bist verrückt!“ rief ich Delth über den vom Prasseln gestörten Helmfunk zu, „wenn du den Computer zerstörst, bringst du uns alle um.

Ich sah den Naturpark deutlich vor Augen, wie er sich veränderte, wenn die Temperaturregulation ausfiel, wie sich die Dschungeltiere wärmesuchend zusammendrängten, wie zuerst der See, die Bäche gefroren, dann die Luft als ein feiner weißer Schnee herabsank. Und ich sah uns, wie wir in wahnsinniger Hast zu reparieren versuchten, was wir zerstört hatten. Ein Guro ließ sich wieder zusammensetzen — aber der Hauptcomputer?

Delth schob Ilona an den Laser, dann packte er mich an den Schultern. Durch die beiden trüben Helmscheiben sah ich sein verschwitztes Gesicht. Er griente mich an. Ich kannte ihn gut genug, um die unausgesprochenen Worte zu ahnen: Keine Bange, Beth, so verrückt bin ich nicht… Trotzdem spielte er mit einem zu hohen Einsatz — mit unserem Leben.

Durch die sich automatisch verdunkelnde Scheibe blickte ich auf den Punkt, wo der Laserstrahl die Keramik traf. Winzige Fünkchen flogen nach allen Seiten. Nur noch Zentimeter… Plötzlich erlosch der Laser. Der Computer hatte trotz all unserer Vorsichtsmaßnahmen die Energiezufuhr unterbrochen.

Im Helmfunk ertönte überlaut Guros Stimme: „Gruppe eins sofort zur Zentrale.“

Zugleich erleichtert und bedrückt, legte ich den Schutzanzug ab und machte mich auf den Weg durch die langen Korridore. Schlug der Schiffscomputer jetzt zurück? Rächte sich für unseren hemmungslosen, brutalen Angriff? Delth war ja nahe daran gewesen, das Nervenzentrum des Schiffs zu zerstören.

Wir ließen uns in die Sessel hinter den Steuerpulten fallen und warteten auf Guro, achteten nicht auf die toten Anzeigegeräte und Displays. Auf einmal kam Leben in die Zentrale. Das summende Geräusch der Automaten erfüllte den großen Raum, die Monitore leuchteten auf, und helle Symbole bedeckten die Pulte vor uns.

Die Stimme des unsichtbaren Guro erklang. „Hier spricht der Hauptcomputer. Die Tests haben bewiesen, daß ihr die nötigen Fähigkeiten zum Führen des Schiffs besitzt. Hiermit übergibt der Hauptcomputer die Kommandogewalt an die menschliche Besatzung, Gruppe eins. Sämtliche Roboter und Systeme des Raumschiffs unterstehen ab sofort eurem Befehl.“

Die Stimme verstummte, erleichtert atmeten wir auf. Delth hatte den Computer zur Kapitulation gezwungen. Und er übernahm sofort die antrainierte Rolle: „Hauptcomputer! Sofortige Angabe der Position des Raumschiffs und Überprüfung der Flugsicherheit! Danach ein Bericht über den bisherigen Verlauf des Fluges, Programmerfüllung, Probleme.“

Keiner bezweifelte, daß Delth am besten für den Posten des Kommandanten geeignet war. Auch ich nicht. Aber ich würde ihn kontrollieren.

Wir hatten erwartet, daß nun die Stunde der großen Enthüllungen gekommen sei, und waren dementsprechend enttäuscht über den eintönigen Rapport des Schiffscomputers. Seine Probleme bestanden in einigen harmlosen Milligrammeteoriten, Alterserscheinungen an Systemen und dem Ausfall eines Inkubators. Nachdem er uns genau dreißig Minuten mit einer Aufzählung gelangweilt hatte, fragte Gamma ungeduldig: „Ich möchte endlich erfahren, erstens, wer das Schiff erbaut hat, und zweitens, welchem Zweck die Reise dient, welche Aufgabe wir haben.“

Delth nickte ihr bestätigend zu.

Die uns immer wieder irritierende Stimme Guros antwortete aus dem Lautsprecher: „Darüber sind keinerlei Informationen gespeichert.“

Eta sprang aus ihrem Formsessel auf, als ob sie sich so besser verständlich machen könnte. Sie lief zum Hauptsteuerpult. „Du hast uns ausgetrickst, du Bitpfeife, du; als du gemerkt hast, daß wir dir einheizen, hast du alles gelöscht.“

„Über einen Löschvorgang liegen keinerlei Informationen vor.“

Von unserem Stolz, Beherrscher des Schiffs und seiner Computer zu sein, blieb nicht viel übrig.

Später enthüllte ich Gamma meinen Verdacht. „Der Computer hat uns noch immer in der Hand. Er kennt unsere Forderungen, bevor wir sie aussprechen. Er kann durch gezielte Information unser Handeln lenken.“

Ich sah es, ich spürte es: Das gesamte Schiff war eine titanische Maschinerie mit seit dem Start festgelegten Bewegungen. Selbst unser Freiheitsdrang, selbst meine Gedanken in diesem Moment standen im Kalkül.

Gamma versuchte, mit mathematischen und philosophischen Argumenten meine Ohnmachtsgefühle zu zerstreuen. Das Schiff sei zu groß, als daß jedes Detail vorherberechnet werden könne, mehr noch, dem Schiffscomputer sei es unmöglich, seine zukünftigen Zustände zu ermitteln, dies führe zu Selbstanwendungsproblemen. Real sei nur eine auf Wahrscheinlichkeiten beruhende Fallabschätzung.

Argumente verpuffen, wenn das Gefühl ihnen nicht folgt. Gamma brauchte mir nichts zu beweisen, ich wußte, daß es stimmte, aber… Uns konnte der Computer auf jeden Fall übertölpeln, uns, deren psychische Struktur er erzeugt und kontrolliert hatte. Was wir auch taten, wie wir uns auch entschieden, er hielt seine Variante bereit.

Obwohl der Computer all unseren Befehlen gehorchte, schien mir, daß wir die Herrschaft über das Schiff nur formal übernommen hatten. Erst wenn wir das Schiff, womöglich für immer, verließen, würde ich mich unbeeinflußt fühlen können.

Zieclass="underline" Heimat

„Ich werde euch etwas bieten“, hatte Delth versprochen, „ein Kommandant, der nicht einmal die Systeme kontrollieren muß, will ich nicht sein. Was soll ich in der Zentrale, wenn es nichts zu steuern gibt? Ich hätte Baby im Naturpark bleiben können!“

„Hast ja recht, Delth“, hatte ich erwidert, „aber was kannst du schon unternehmen?“

„Wart’s nur ab, uns fällt schon was ein.“

Nun saßen neben unserer Gruppe drei weitere in der Zentrale, der Platz reichte kaum. War es nur Delths Eitelkeit, ihnen allen einen energischen Kommandanten zu zeigen, oder wollte er tatsächlich keinen, der über dreizehn war, ausschließen?

Die jüngeren Geschwister beugten sich interessiert über die Geräte. Auch ich mußte einiges erklären. „Nein, damit kontrollieren wir die Triebwerke. Hier: Wasserstoffzufuhr, Kerntemperatur, Schub, Strahlungsintensität …“

Sie fragten mit ehrfurchtsvoller Stimme, schauten immer wieder nervös zu Delth hinüber, der sich noch mit Alfa unterhielt. Die lächelte über ihr breites schwarzes Gesicht, sie war glücklich, von ihr stammte die entscheidende Idee.

Delth schaltete den Hauptschirm ein. Schlagartig wurde es still. „Seht ihr den hellen Stern da genau im Zentrum? Ihm fliegen wir entgegen. In etwa einem Jahr werden wir dort sein.“

Eta sprang auf und untermauerte Delths Angaben durch technische Daten wie Abstand, Relativgeschwindigkeit, Beschleunigungswerte. Monitore unterstützten sie durch Dutzende von Kurven. Astrophysikalische Parameter: Masse, Leuchtkraft, Spektraltyp… Sie projizierte ein Schema des Planetensystems auf den Schirm, sechs T-Planeten, fünf J-Planeten, Monde…

Ich langweilte mich und beobachtete, wie es die Kleinen aufnahmen. Mit vor Aufregung glänzenden Augen und belegter Stimme fragten die Jüngsten Eta nach Einzelheiten. Doch so genau hatten wir trotz aller Spektrometer und Interferometer, trotz aller gammaastronomischen und optischen Messungen das System nicht untersuchen können. Von den Planeten wußten wir kaum mehr als ihre Masse.