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Zweibeiner sprechen, war die erste Erfahrung, die es uns vermittelte, als wir uns vorsichtig und neugierig näherten. Das Wesen sagte: „Ich heiße Guro. Ab heute werde ich euch alles lehren.“

Ich erwiderte, daß ich Beth heiße, und fragte, ob er mit uns spielen wolle. Guros Lächeln galt uns als Einwilligung.

Noch am selben fag rief uns Guro am Ufer des Sees zusammen. Mit einem Stock malte er Zeichen in den Sand. „Dies ist für dich, Alfa, und das für dich, Beth.“

Ich versuchte sofort, es nachzuzeichnen. Die anderen wollten nicht zurückstehen, holten sich Stöcke und kritzelten im Sand. Ilona schrie, als wäre sie selbst verletzt, als Eta aus Versehen auf ihr kraklig dürres Epsilon trat und es verwischte. Guro war sofort zur Stelle, tröstete sie und übte mit ihr. Er erklärte uns fast jeden Tag neue Zeichen. Als das Spiel den Reiz der Neuheit verloren hatte, mußte Guro zu jedem Zeichen eine Geschichte erfinden, um unser Interesse zu wecken.

Gamma meinte Jahre später, daß Guro eine Abkürzung für „Genialer Universalroboter“ sein müßte, die Erdmenschen erfänden auf diese Art Namen. Beweisen konnte sie es nicht, und Guro verschwieg uns den Ursprung des Namens — auch sein Wissen kannte Grenzen.

Guro hatte viel Arbeit mit uns. Nimmermüde beantwortete er die Fragen der Kleineren, zeigte uns manchen Trick, gab uns Ratschläge für unsere Spiele und später dann Unterricht.

Als mehr Geschwister zu uns in den Naturpark stießen, sagte Guro: „Ihr werdet zu viele, ich muß mich verdoppeln.“

Wir lachten, bis wir sahen, daß im Schatten des Felsens, nur wenige Schritt hinter ihm, ein zweiter Guro stand. Sie glichen einander so sehr, daß uns schon bald jegliche Unterscheidung unmöglich wurde. Oft fragten wir einen Guro etwas und rannten gleich darauf abgelenkt davon, in solchen Fällen konnte auch der andere antworten. Wir wunderten uns nicht wenig, waren aber froh, daß es einen doppelten Guro gab: So konnte er uns mehr erzählen.

Zwei Roboter, die von einem entfernten Computer gesteuert werden — wie wenig Geheimnis barg Guros Verdopplung in sich. Mit seinem Wissen, den in den Informationsspeichern des Schiffes gesammelten Erfahrungen der Menschheit, ist er mir zu jeder Zeit hoch überlegen. Aber seine Genialität und Universalität sind auf die beschränkte Welt des Schiffes zugeschnitten. Heute löst er meine Probleme nicht mehr.

Wandern mit Guro

Von dem Zeitpunkt an, als wir acht Ältesten einen Guro bekamen und die Jüngeren einen anderen, begannen wir uns als Gruppe zu betrachten.

Wir, das waren Alfa mit dem zu großen Mund im dunkelbraunen Gesicht, zu der man mit jedem Wehwehchen kommen konnte und von der man nie ungetröstet ging; und die zarte, milchkaffeebraune Gamma, die beim Nachdenken immer ihren Zeigefinger an die Nase hob. Zu uns gehörten die beiden stets dreckverkrusteten Hellhäutigen, das kleine Energiebündel Delth und die flinke, blonde, sommersprossige Ilona. Zeth, Eta und Teth, die drei Jüngsten, hatten noch nicht viel zu sagen, sie suchten noch den Anschluß zu gewinnen und ahmten fleißig nach, was wir ihnen vormachten.

Guro beachtete zwar die damals noch bedeutsamen Altersunterschiede, er versuchte trotzdem, uns allen dasselbe beizubringen, gleich, ob es sich um das kleine Einmaleins oder das Verhalten von Körpern im Wasser handelte. Er erzählte stundenlang, lehrte uns neue Spiele und führte uns auf lange Expeditionen.

„Wir wandern“, sagte er dann und teilte kleine Beutel mit Verpflegung aus. Wir warfen sie uns über die Schulter, und schon ging es los.

Die nähere Umgebung des Hügeleingangs in den Naturpark hatten wir spielend erkundet, ebenso wie die Wiese mit ihren Bewohnern, den See am Rande der Wiese und ein Stück Laubwald, der die Wiese zur anderen Seite hin begrenzte. Jetzt umrundeten wir den See, überquerten die dahinterliegende Heide und erklommen einen kleinen bewaldeten Berg. Stundenlang marschierten wir durch Wälder, dichtes Gebüsch und Wiesen, deren Gräser uns überragten.

Überall am Weg gab es Sehenswertes: den Ameisenhügel, eine Igelfamilie oder einen umgestürzten, pilzbewachsenen Baum. Guro erklärte, dann gingen wir weiter. Er nahm kaum Rücksicht, wenn wir noch ein wenig mit den Igeln spielen oder rasch quer über eine Lichtung laufen wollten, über der bunte Falter tanzten.

„Heute wollen wir weit gehen“, erinnerte er uns und nahm den Marsch wieder auf. Guro schien auch unsere Klagen über müde Füße zu überhören. Endlich erreichten wir einen Sumpf, rasteten und aßen. Fliegen setzten sich auf unsere Brote, Mücken umschwirrten uns und stachen immer häufiger. Dreckig und abgekämpft, wie wir waren, schmeckte uns jeder Bissen.

Dann liefen wir über schwankende Mooshügel und vorbei an verkrüppeltem Gehölz. Ständig mußte uns Guro in den Bereich zurückrufen, wo der unsichere Boden sein Gewicht noch trug. Delth und ich spielten mit der kalkulierten Gefahr. Wir wußten, daß Guro ohne Zögern im Sumpf versunken wäre, um uns zu retten. Einmal glitt mein Fuß ab — das Bein stak sofort bis zum Knie im schwarzen Morast. Der Schreck ging wie ein Frost durch meinen Körper.

„Bring das Seil zu Beth, Alfa.“ Guro hatte vorgesorgt, und ich stand schnell wieder auf festem Boden.

„Wie verhält man sich in Gefahr, Beth?“

„Bedächtig“, antwortete ich, wie er es uns gelehrt hatte.

Guro nickte.

Trotz aller Warnungen Guros, trotz seiner Ermahnungen und Aufmerksamkeit ging kaum ein Wandertag ohne kleinere oder größere Verletzungen zu Ende. Wie entsetzt schrie Ilona, als eine kleine gelbe Schlange sie biß! Guros Spritze fand sie dann schon wieder interessant.

Ungern traten wir den Rückweg an, der Sumpf hatte uns noch so viel zu bieten, wir hatten nicht einmal eine Libelle gefangen! Aber Guro ließ nicht mit sich handeln. Der Weg wurde länger und länger. Guro schritt flott aus, und wir wollten uns „bloß mal ein bißchen“ ausruhen. Er kannte kein Erbarmen. „Strengt euch ruhig etwas an. In einer Stunde sind wir da.“

„Ich will nicht mehr“, protestierte ich. „Du bist groß und aus Metall, dir macht es nichts aus!“ Ich stolperte, lief dann doch weiter.

Erschöpft kamen wir an, stopften das Abendbrot in uns hinein und schliefen sofort ein. Am nächsten Tag wollten wir wieder wandern.

Ein Märchen

Guro hat uns viele Märchen erzählt. An eins aber erinnere ich mich nach all diesen Jahren besonders deutlich.

Wir saßen, wie immer etwas unruhig, doch bei den spannenden Passagen ganz Ohr, im Halbrund um Guro. Unsere Finger zerpflückten Gräser oder verflochten Halme. Wir ließen Käfer über die Hände laufen und schauten ins grüne Dickicht, Zentimeter über dem Boden, wo sich manche Ameise mit unmöglich großen Beutestücken abplagte.

„Heute mal von den Ameisen, Guro!“ wünschte sich der sonst eher zurückhaltende Zeth. Seine schrägstehenden dunklen Augen leuchteten gespannt.

„Ja, warum sie so gemein beißen“, bekräftigte Ilona, die jedes unbekannte Tier sofort anfassen wollte.

„Aber das wißt ihr doch schon“, sagte Guro, „nicht wahr? Heute werde ich euch das Märchen von den Ameisen erzählen, die einen neuen Bau anlegen. Es waren einmal 283 Ameisen, die hatten sich ihre 1698 Füße schon fast alle wund gelaufen, so lange waren sie gewandert, bepackt mit vielen Taschen und Eßbeuteln. Sie liefen immer in einer schmalen Reihe, vorn die Wegbereiter, die Umwege fanden um zu große Pflanzen und zu hohe Steine, die kleinere Hindernisse auch zur Seite räumten und jeder Gefahr mutig Trotz boten unter Einsatz von Zangen und Gift. Hinter ihnen kamen die Jäger, die schwärmten oft zur Seite aus und erbeuteten gewaltige Raupen, flinke Hundertfüßler oder auch panzerbewehrte Käfer, die die magere Marschverpflegung angenehm bereicherten. Hinter den Jägern kamen die Träger mit Sack und Pack, wie alle Ameisen schwitzten sie nie und schimpften nicht über ihre Last, die mitunter das Siebenunddreißigkommavierfache ihres Körpergewichts ausmacht. Sie wurden beschützt von den Kriegern mit gewaltigen messerscharfen Kiefern, die die Nachhut bildeten. Zwei Wochen waren sie so gezogen, das ist für Ameisen eine schrecklich lange Zeit.