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Ich erhob mich, um nicht zu ihm aufschauen zu müssen. Er sprach ruhig und klar und kalt. „Siehst du“, er zeigte auf das Medzentrum, „dort wird die Zukunft Andymons geboren. Eine andere Art der Zukunft gibt es für uns nicht. Wir haben den Weltraum verlassen, auf lange Zeit verlassen, denn wir müssen nun Fuß fassen auf Andymon. Unsere Kinder, wir brauchen Dutzende, Hunderte, werden all unsere Kraft benötigen. Wir werden niemals zulassen, daß die Zukunft Andymons wegen utopischer Traumprojekte gefährdet wird. Nur eins ist unser Zieclass="underline" die Besiedlung Andymons.“

„Aber Resth“, sagte ich langsam, „du siehst das ein wenig überspitzt. Das ist kein Hirngespinst, wir können es realisieren. Ich werde alles erst einmal durchrechnen, Varianten erarbeiten, Aufwandanalysen, Entscheidungsbäume. Dann können wir darüber diskutieren. Weißt du, Resth…“

Ich konnte meinen Satz nicht vollenden. Ein kosmischer Schrei ließ unser Blut erstarren, selbst die Fische im See schienen zu verharren, schossen dann wild durcheinander. Der Schrei dauerte an, brach sich an den verregneten Kuppelwänden, hallte zurück, durchdrang bebengleich alles.

Reflexmäßig schaute ich auf meinen Armbandcomputer. Auf dem kleinen Bildschirm war Szadeth zu sehen, Szadeths freudestrahlendes Gesicht. Der Schrei verstummte. Durch die nachhallenden Echos übertrug der Lautsprecher die stolzen Worte des Vaters: „Der erste echte Andymone, Prith, ist geboren.“

Der Rest seiner Worte ging im Jubel unter und in neuerlichem Schreien. Auf dem kleinen Bildschirm war ein winziger Mensch zu sehen. Ein Ansturm auf das Medzentrum setzte ein, von allen Seiten eilten auch die Kleinsten herbei.

Resth hielt mich noch eine Sekunde am Arm fest. „Ich habe dich gewarnt, Beth!“

Plötzlich war mir kühl. Ich schaute Resth in die Augen, sie hielten meinem Blick stand. Dann zog mich Gamma fort, dorthin, wo die Zukunft Andymons stattfand.

Szina und Prith waren wohlauf. Ganz Andymon feierte.

Brotzeit

Hinterher ist man immer klüger, da weiß man, welche Fehler einem unterliefen, an welchen Punkten man übertrieb, wo man hätte stutzig werden müssen, daß sich Unheil vorbereitet. Denke ich zurück, so erscheint mir meine damalige Einstellung zu den Geschwistern von Oasis engstirnig und mein damaliges Handeln äußerst naiv — aber welche Erfahrungen hatte ich denn bis zu meinem Konflikt mit Resth? Erfahrungen mit Technik und Planeten, Erfahrungen aus gemeinsamem Spielen, Lernen, Arbeiten mit meinen Geschwistern, natürlich auch unangenehme Totaloskoperfahrungen. Aber hatte ich je einen Konflikt um Grundfragen unseres Lebens ausfechten müssen?

Die Wochen nach Priths Geburt waren wie im Fluge vergangen, ich entwarf die ersten Pläne, wie man drei Schiffe mit minimalem Aufwand, doch in akzeptabler Zeit bauen könnte, wurde dann aus all den weitreichenden Projekten gerissen, weil unser ganz Andymon umspannendes Netz von Beobachtungspunkten wieder einmal eine unvorhergesehene Veränderung der Atmosphäre maß. Als ob die Schwierigkeiten mit ihr nie ein Ende nehmen würden.

Ich pendelte zwischen Computerterminal und Bett hin und her, flog dann wiederholte Male zum Schiff, um dessen Labore teilweise zu demontieren und in Andymon-City wieder aufzustellen. Jede von uns gezielt vorgenommene Korrektur in der Mikrofauna Andymons zog eine Kette von Veränderungen nach sich, deren Ergebnis gewöhnlich selbst eines korrigierenden Eingriffs bedurfte. So verging die Zeit mit Arbeit wie einst im Schiff, der einzige Unterschied bestand darin, daß ich jeden Tag mit Gamma einen kurzen Spaziergang um unsere Häuserzeilen unternahm. Dabei bemerkten wir wenigstens, daß wir auf Andymon lebten.

Eines Tages rief uns Alfa an, teilte uns mit, daß die sechste Gruppe eine „Brotzeit“ veranstalten würde. Das war eine Einladung. Gamma lehnte wegen laufender Experimente bedauernd ab, ich aber sollte hinfliegen. „Das ist die Gelegenheit, Beth, deine Schiffbaupläne zu diskutieren, für sie zu werben“, sagte sie.

Ich traf genau im richtigen Moment ein. Außerhalb der großen Kuppel von Oasis hatte sich eine bunte Menschentraube versammelt, bis auf einige ältere Geschwister fast alle Bewohner Andymons. Sie saßen auf Bänken aus synthetischem Holz oder einfach auf Decken, die auf dem Grasboden ausgebreitet waren. Mich begrüßte nur Alfa, die seit Priths Geburt nicht mehr aus Szinas Nähe wegzudenken war. Früher oder später, überlegte ich, wird auch sie ein Kind bekommen — und dann endgültig zu den Jüngeren, den Siedlern, den Bodenständigen gehören und nicht mehr zu uns nomadisierenden Pionieren.

„Ach Beth“, sagte Alfa wehmütig, „ich glaube, es ist hundert Jahre her, daß wir zusammen Verstecken spielten..

Delths Tod war nicht eingeplant, dachte ich, ohne Delth findet sie kein Zuhause.

Dann entdeckte ich den Backofen. Aus seiner Esse stieg dünner Rauch in den immer noch nicht geruchsneutralen Himmel Andymons. Der Ofen bestand aus gebrannten Lehmziegeln und hatte eine halbkreisförmige eiserne Tür. Welch Anachronismus neben der gigantischen durchsichtigen Plastkuppel von Oasis! War nicht das Brotbacken und -essen ein Rückfall in die Steinzeit? Meine rechte Hand ruhte auf der Mappe mit den Plänen, sie gab mir ein beruhigendes Gefühl.

Ungeduldige Rufe wurden laut. Shinth, in weißem Kittel, eine weiße, hohe Mütze auf dem Kopf, öffnete die Backofentür, warf einen Blick hinein und sagte: „Ja, fertig.“

Er war sofort dicht umringt, so daß er Mühe hatte, das lange Brett, eine Art Schaufel, in den Ofen zu schieben und beladen mit Broten unterschiedlichster Form wieder herauszuziehen. Die frischen Laibe dampften.

Erwartungsvolles Schweigen.

„Guckt nicht so gefräßig!“ sagte Shinth und gestikulierte mit einem langen Messer. „Es ist noch zu heiß, ihr verderbt euch nur den Magen.“ Er versuchte, die Brote mit dem Messer zu zerteilen, doch dieses verklebte sofort.

Shinth fluchte, weil die Geschwister ihm die kleineren, etwa faustgroßen Brote mit spitzen Fingern vom Brett stibitzten. Er holte sich ein Tuch, mit dem er die größeren Brote anpacken konnte, zerbrach sie und begann auszüteilen. Zuerst bediente er Szina, die ihr Baby stolz auf dem Arm hielt.

Das Brot war wirklich noch sehr warm, als Shinth es mir reichte. Ich warf es von einer Hand in die andere, riß dann ein Stück von der knusprig braunen Kruste und zerkaute es genüßlich. Es schmeckte. Ein Schälchen mit Salz machte die Runde.

Nichts gegen die halbsynthetischen Nahrungsmittel, die immer noch unsere Speisezettel beherrschten, aber so heiß, knusprig, frisch kamen sie nie in meine Hände — und in meinen Mund. Die altertümlichen Technologien hatten doch ihre Vorzüge.

„Euer Brot schmeckt ganz vorzüglich“, sagte ich halblaut.

Shinth quittierte das Kompliment mit breitem Lächeln, auch anderswo wurden lobende Stimmen laut, Samechas, Joths und andere.

„Aber trotzdem“, meinte ich, „euer Backofen, das ist nur eine Spielerei, ist eigentlich nur Verschwendung unserer Arbeitskraft und -zeit. Wo es doch so viel Wichtigeres zu tun gibt, die Atmosphäre unter Kontrolle zu halten, auf ökologische Fluktuationen zu achten, weitere automatische Produktionsanlagen zu errichten, es gibt so viel Arbeit…“

Schon während meiner Worte bemerkte ich, daß etwas nicht stimmte. Die Gespräche verstummten, und als ich abbrach, herrschte ein eisiges Schweigen, das nicht einmal mehr von Eßgeräuschen unterbrochen wurde.

Was war los? Ich blickte mich unsicher um. Schon immer hatten wir während des Essens unsere Pläne besprochen.

„Du willst ja nur Schiffe bauen!“ Ein scharfer Ruf traf mich. Nein, er kam nicht von Resth, der saß überhaupt nicht mit hier, er kam von einem Jungen, aus der achten Gruppe vielleicht.

„Ich…“, begann ich, nachdem ich mich von der ersten Überraschung erholt hatte, wurde aber sofort unterbrochen.