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„Zufrieden, Beth? Dann zeige mir die Pläne, die du mitgebracht hast.“

Ich holte den kleinen Speicherzylinder aus der Tasche meiner Jacke. Noch während meines Handgriffs veränderte sich der Raum, es wurde langsam dunkel, die Wände schienen sich zu öffnen, zu verschwinden. Daleta faßte nach den Zylindern, gleich darauf schwammen vor meinen Augen die Konstruktionsunterlagen, Netzpläne, Formeln…

„Ja“, sagte Daleta, „gar nicht so übel, nur wenig läßt sich effektiver gestalten.“ Sie wandte sich mir zu. Im Widerschein der projizierten Linien und Symbole leuchtete ihr Gesicht fahl. „Du brauchst keine Minderwertigkeitskomplexe zu bekommen, Beth, ich habe mir auch einen Computer integriert, der für derartige Routinearbeiten ausgezeichnet geeignet ist.“

„Als ob ich…, nein, Daleta, diese Gefahr besteht nicht.“

„Bitte nenne mich nicht Daleta, es stört den Gang deiner Gedanken. Ich bin das Kollektivbewußtsein der vierten Gruppe.“

„Ja, Entschuldigung…“ Beinahe hätte ich wieder Daleta gesagt.

„Insgesamt ist dein Projekt ganz solide. Nur wenig sinnvoll, weil auf zu niedrigem technologischen Niveau. Weshalb willst du langsame Archen bauen, wenn — ehe sie ankommen, ja, wahrscheinlich sogar ehe sie abgeflogen sind — weitaus bessere Möglichkeiten zur Verfügung stehen? Zum Beispiel die künstliche Schaffung und Ausnutzung von topologischen Singularitäten der Raumzeit, wodurch eine Umgehung der relativistischen Schranke möglich wird.“

Ich schluckte, überlegte, verstand. „Schwarze Löcher, durch diese reisen? Aber wird die Materie dabei nicht homogenisiert? Verliert sie nicht ihre Struktur und Information?“

„An diesem Problem arbeite ich zur Zeit.“

„Das ist doch gefährlich, nicht nur für euch, sondern auch für uns, für ganz Andymon!“ Ich war aufgesprungen. „Diese Experimente müßt ihr sofort einstellen!“

„Kein Grund zur Besorgnis, Beth. Alles ist fest unter Kontrolle.“

Das sagt man immer — bis etwas Unvorhergesehenes geschieht, dachte ich. Doch dann erinnerte ich mich an den Grund meines Besuches und konzentrierte mich wieder auf das Gespräch.

„Aber wenn es andere, schnellere Möglichkeiten gibt, warum sind wir dann mit dieser hoffnungslos veralteten, nach Erdzeit mindestens zehntausend Jahre veralteten Kiste von Schiff bei Andymon angekommen — und haben den Planeten nicht längst besiedelt vorgefunden?“

„Richtig“, Daleta nickte — oder vielmehr das Wesen nickte mit Daletas Kopf, „ich werde auch diese Frage lösen.“

„Die Lichtgeschwindigkeit ist die Grenze, das ist die einzige Antwort.“ Langsam wurde ich ärgerlich über dieses sich in einen Mantel von Rätseln und vorgeblicher Überlegenheit hüllende Wesen, das meine Geschwister aufgesogen hatte und nun deren Kräfte für zumindest derzeit unangebrachte und gefährliche Theorien verschwendete, wo ich doch Hilfe so dringend benötigte.

„Du denkst zu einfach, Beth.“

;Na und? Hauptsache richtig.“ Ich stand auf, schlagartig erloschen die Pläne, der Raum gewann seine alte Architektur zurück.

„Ganz ehrlich, Daleta oder du Wesen ohne Namen, ich bin hierhergekommen, weil ich Hilfe erwartet habe, Verständnis für meine Projekte, weil ich dummerweise annahm, hier sei mehr von dem alten Geist der Gemeinsamkeit erhalten geblieben, von dem großen Traum, der uns hat Andymon bezwingen lassen. Aber ich habe mich offensichtlich geirrt, werde mit Wundern vertröstet, die übermorgen geschehen. Tut mir leid, deine Zeit in Anspruch genommen zu haben.“ „Halt, Beth, geh nicht.“

Wäre es eine menschliche Stimme gewesen, so hätte ich Angst aus ihr gelesen, aber so? Ohne zurückzublicken, ging ich zur Tür. Sie öffnete sich nicht.

„Ich kann dir die Erde zeigen, Beth.“ Daleta war zu mir getreten, sie legte mir die Hand auf die Schulter.

Ich mochte diese Hand nicht, ich streifte sie ab. „Versuche nicht, mich mit Lügen zu halten, und laß mich raus.“

Vor einem guten Dutzend Jahren, damals im Schiff, hatte ich lange genug nach der Erde gesucht, doch nicht einmal die Position ihrer Sonne hatte sich ermitteln lassen. Wir hatten es mit Hilfe der spektralen „Fingerabdrücke“ der Sterne versucht, doch dann geriet Andymon, unsere neue Erde, in Sicht und beanspruchte uns ganz.

„Natürlich nicht die Erde selbst, aber ich habe die Koordinaten ihrer Sonne Sol ermittelt“, räumte das Wesen ein.

Die Tür öffnete sich, der Weg war frei. Ich nahm alle meine Kraft zusammen und überschritt die unsichtbare Schwelle. Ich rannte nicht, es wäre zwecklos gewesen. Daleta folgte mir auf den Fersen.

„Ich könnte dich so leicht zwingen, könnte dich in wenigen Sekunden an mich anschließen. Niemand würde dir helfen, auch nicht Gamma.“

Hatte Daleta gesprochen, oder hatte ich es nur gedacht?

Ohne daß ich es verhindern konnte, bewegten sich meine Beine immer schneller, ich hatte mir den Weg zurück nicht eingeprägt, trotzdem ging ich nicht fehl.

„Ich hätte nur gewünscht, du würdest versuchen, mich zu verstehen. Wieviel besser könnten wir alle nötigen Daten und Anschauungen austauschen in gegenseitiger Berührung des Bewußtseins.“

Ich blieb stehen, schaute Daleta an, schüttelte den Kopf. In ihrem Gesicht erkannte ich keine Regung.

„Ich begreife dich nicht“, stieß ich hervor, „was willst du von mir? Was könnte ich dir schon geben? In deinen Augen bin ich doch nicht mehr als ein zurückgebliebener Zwerg ohne jegliches Wissen, ein Achtelhirn im Vergleich…“ Es sollte ironisch klingen, doch irgendwie gerieten mir die Worte nur bitter.

„Ich bitte dich“, sagte das Wesen, das Daletas Körper steuerte, „wenn du fürchtest, ich würde dich nicht zurückkehren lassen, was zweifellos in meiner Macht steht, wie wäre es dann mit einem — Geiselaustausch? Ich schicke Gimth ins All, meinethalben auch auf Andymon, und du schließt dich mir an, und sei es nur für eine Stunde.“

Der Gedanke reizte mich, vielleicht hatte er mich bereits bei meinem ersten Besuch auf Gedon nicht nur abgestoßen, sondern auch angezogen, vielleicht hatte ich gerade deshalb hier Verbündete gesucht. Ich schaute in Daletas schmale Augen, die auf mich gerichtet waren, und ich konnte nicht glauben, daß dies nur die Augen einer willenlosen Puppe seien.

Jetzt bist du in der Falle, zuckte es durch mein Hirn, sie hypnotisiert dich, du mußt widerstehen, dich wehren… Wieder legte mir Daleta die Hand auf die Schulter, seltsamerweise wich gerade dabei der Druck von mir.

„Beth“, sagte sie, „zwingen könnte ich dich jederzeit, aber damit wäre mir nicht geholfen. Du kannst jetzt Gamma sprechen.“

Ich hob den linken Arm mit dem Intercom vor meine Augen, Gammas Gesicht erschien sofort auf dem kleinen Bildschirm.

„Gamma“, die Zunge hing schwer in meinem Mund, „Gamma, ich will es probieren, den direkten Kontakt… Es ist meine eigene Entscheidung, du mußt nicht in Panik fallen.“

„Beth, das ist eine Falle! Komm sofort…“

„Nein, die hätte Daleta nicht benötigt, ich versuche zu vertrauen.“ „Beth, du…, dein Puls ist zu langsam!“ Gamma schrie fast, ich wußte nicht, wie ich sie beruhigen sollte. Sicher alarmierte sie bereits die Geschwister.

„Gimth befindet sich auf dem Weg zu dir. Sobald er eintrifft, beginnen wir“, informierte ich sie.

Wie im Traum folgte ich der kleinen Person durch die hellen Korridore zurück. Ich hörte das laute Schlagen meines eigenen Herzens. Neugier, Furcht und Schmerz kämpften in mir. Es waren lange Minuten im Adaptersessel, in denen ich versuchte, meinen Entschluß rational zu durchdenken. Ich hatte keine Gewähr, ob nicht früher oder später jeder diesen Weg gehen würde. Könnte das Wesen von Gedon uns alle verschlingen, an sich ankoppeln in seiner enormen Überlegenheit? Ich hatte gedacht, Andymon würde zu einer zweiten Erde, doch durch einen absurden Zufall - oder war es kein Zufall? — entstand hier eine neue Art intelligenten Lebens, dem Menschen so sehr überlegen wie dieser dem Affen. Sich wehren, kämpfen - welchen Sinn hatte es? Dann wieder wollte ich aufspringen, noch war es nicht zu spät, wenn ich alle Geschwister mobilisierte… Ich blieb sitzen, starrte vor mich hin, starrte auf Daleta, die mit den technikbestückten Wänden eine Einheit bildete. Etwas paßte nicht in das Bild des Superwesens, ich mußte es ergründen, darin bestand die winzige Chance, die uns verblieben war.