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Szadeth begleitete mich noch bis zum Kopterlandeplatz vor der Kuppel. „So unterschiedlich unsere Vorstellungen auch sind“, sagte er mir, „in einem stimmen wir überein: Wir müssen offen zueinander sein.“

Ich dankte ihm, verabschiedete mich und flog mit Höchstgeschwindigkeit nach Andymon-City. Psychologisch gesehen war es wohl ein großer Nachteil, daß wir nicht - wie im Schiff - alle zusammen wohnten und lebten. Doch so konnten wir besser Fuß fassen auf Andymon.

Kaum angekommen, berichtete ich Gamma von allem.

Sie war aufgebracht, wie ich sie selten erlebt hatte. „Warum hast du ihnen nicht die Meinung gesagt, Beth? Warum bist du nicht gleich zu Resth gegangen und hast ihn verdroschen? Wie konntest du das nur auf dir sitzen lassen! Du bist viel zu gutmütig, Beth. Stell dir vor, was Delth getan hätte! Resth würde nie wieder wagen, seinen Mund so weit aufzureißen!“

„Ich kann doch nicht einfach… Nein, man muß so etwas erst überdenken…“ protestierte ich schwach, „vielleicht war es eine bewußte Provokation von Resth.“

„Desto schlimmer! Es gibt Situationen, Beth, in denen muß man handeln. Und in diesem Fall kann ich dir das auch nicht abnehmen.“

„Was soll ich denn tun?“ fragte ich kleinlaut. Aber da wußte auch Gamma keine Antwort, zumindest keine, die vernünftig schien. Hingehen und Resth Prügel anbieten? Das war mir zu kindisch. So ließ ich die Sache erst einmal auf sich beruhen.

Und Fith stritt ab, unsere Unterhaltung kolportiert zu haben. „Ich bin kein Schwätzer“, behauptete er.

Herbst der Mäuse

Krankheiten stellen sich in den meisten Fällen zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt ein. Ich hatte mir gerade in dem Moment eine fiebrige Erkältung zugezogen, als sich die Auseinandersetzungen zwischen City und Oasis zuspitzten. Das schlimmste dabei war, daß mit der Schwächung meines Körpers ein Nachlassen meiner Willenskraft einherging.

Ich litt unter einem hartnäckigen Schnupfen, nichts schmeckte mir mehr, die Nase tropfte, und vor allem gegen Abend brummte mein Kopf. Seit ich mit Szadeth gesprochen hatte, war ich kaum aus meinem Zimmer herausgekommen. Ich lungerte herum, schlief oder las und ließ mir von Gamma Dampfbäder hinstellen. Schnupfen war nicht eingeplant gewesen, nicht vorgesehen für Andymon. Doch alle Desinfektionen, alle biologischen Barrieren konnten nicht verhindern, daß auch er sich eine neue Welt eroberte, ständiger Begleiter der Menschen.

Manchmal saß ich an meinem Arbeitstisch, doch statt zu arbeiten, starrte ich aus dem Fenster über den großen Platz von Andymon-City, auf den eine Giebelwand unseres Hauses zeigte, zum Turm hinüber und zu den darüber ziehenden niedrigen Wolkengebilden. Mit offenen Augen träumte ich von den Schiffen, die ich bauen wollte, herrlichen, metallisch glänzenden Zylindern in der Schwärze des Alls, technischen Kunstwerken von kosmischer Dimension. Ein Niesanfall riß mich in die Realität.

Ganz entfernt nur wußte ich, daß die Auseinandersetzung mit Resth bevorstand und daß ich ihm nicht die Initiative überlassen durfte. Aber wenigstens bis zu meiner Gesundung war es doch erlaubt, untätig zu bleiben?

Zwei Tage später ging es mir besser.

„Du mußt endlich handeln“, drängte mich Gamma, „Resth wartet nicht. Du mußt seinen Einfluß auf die Jüngeren brechen. Ich habe Ilona gerufen, sie soll dich noch einmal untersuchen.“

Als Antwort schniefte ich nur.

Ich bevorzugte Ilona als Hausarzt. Mit rührendem Stolz pflegte sie ihre seidigen blonden Haare, die bis heute einmalig auf Andymon sind. Dazu zogen mich ihre betont femininen Formen an, ihre schlanke, aber an keiner Stelle magere Gestalt. Und ich hörte gern ihre rauhe Stimme mit dem eher Väterlichen Tonfalclass="underline" „Na, wie geht’s uns denn heute, Beth? Endlich überm Berg?“

Ich verdrehte die Augen und winkte mit tapferer Geste ab.

„Und ich hatte schon gedacht, daß du vielleicht gar nicht gesund werden willst, Beth, daß es dir gefällt, dich mit ein paar nasal gestammelten Worten aus der Affäre ziehen zu können.“

Nein, ich empörte mich nicht, das hatte ich getan, als Gamma diese Beschuldigungen zum erstenmal vorbrachte. Natürlich hatte ich vor ihr nicht verbergen können, wie zuwider mir diese aufgezwungene Auseinandersetzung war. Als müßte ich hinabtauchen in den Sumpf von Kleinlichkeiten. Ja, damals in Kindertagen, der Streit mit Delth, das war eine ehrliche und offene Sache gewesen!

„Tjaja, Andymon erschöpft uns alle. Nur die Symptome sind unterschiedlich. Und gerade jetzt, wo das Gröbste geschafft ist, zeigen sie sich.“

Ich lachte gezwungen. „Das Gröbste vielleicht, aber nicht das Problematischste.“

Als Ilona gegangen war, trank ich ein Glas säuerlichen Fruchtsaft. Dann schlug ich mit der flachen Hand auf die Tischkante. Was sein mußte, mußte sein!

Über das Videofon versuchte ich, Kontakt mit Resth zu bekommen, um ein Treffen zu vereinbaren. Doch der Schirm zeigte nur den blauen pulsierenden Punkt, das Besetztzeichen. Nach einer Viertelstunde probierte ich es noch einmal mit dem gleichen Erfolg. Resth war für mich nicht zu sprechen, was sollte das anderes bedeuten. Ich zuckte die Schultern, froh, zumindest für diesen Tag kein unangenehmes Gespräch führen zu müssen.

Ich setzte mich wieder an meinen Arbeitstisch und schaute hinaus auf die farbigen Häuser am anderen Ende des Platzes. War ich feige? Wenn Resth heute nicht zu sprechen war für mich, würde er es morgen genausowenig sein. Wollte ich überhaupt noch eine vernünftige Klärung, dann mußte ich ihn aufstöbern, ihn stellen. Ich rief Szadeth an, er zum Glück ging an den Apparat. Als er mich erkannte, zog er die Brauen hoch.

„Hallo, Szadeth“, sagte ich, „kannst du mir ein Treffen mit Resth vermitteln oder mir zumindest sagen, wo er steckt?“

„Hm, ich glaube nicht, daß er dich wird sehen wollen. Ich weiß auch nicht, wo er ist, Beth. Bei uns geht augenblicklich alles drunter und drüber. Wir haben eine Mäuseplage da draußen“ - er meinte die Felder um die Kuppel - „sie fressen alles weg. Wir wollen sie nicht vergiften wegen der Vögel, also stellen wir Fallen, schießen sie ab. Und wir versuchen, so schnell wie möglich zu ernten, was übriggeblieben ist.“

„Das schau ich mir mal an“, sagte ich, „vielleicht treffe ich Resth dabei.“

„Sollte mich wundern.“ Szadeth schwieg eine Weile. „Ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn du kommst. Die Stimmung ist nicht gerade für dich.“

„Desto wichtiger ist es“, sagte Gamma, die hinter mir stand.

„Wenn ihr unbedingt wollt“, Szadeth zuckte mit den Schultern, „hm, ich werde versuchen, euch zu treffen.“

Gamma begleitete mich auf dem Flug nach Oasis. Sie begründete es mit meinem Gesundheitszustand, und ich hatte nichts dagegen einzuwenden, denn ich hatte das Gefühl, mit ihr unschlagbar zu sein.

Unterwegs überlegte ich, was ich Resth sagen wollte, doch meine Gedanken drehten sich im Kreis. Was ist in dich gefahren, weshalb verbreitest du Lügen über mich? Wozu das? Weshalb haßt du mich? wollte ich ihn fragen. Als wir auf dem Landeplatz bei der Kuppel von Oasis aufsetzten, hatte ich mir noch keinen Satz definitiv zurechtgelegt.

Wir stiegen aus und beschlossen, Resth zuerst in der Umgebung der Kuppel zu suchen. Auch interessierten uns die befallenen Felder.

Wir folgten einem Trampelpfad quer über eine Wiese, auf der einzelne junge Kühe weideten. Wahrscheinlich kannten unsere Geschwister noch jede von ihnen mit Namen. Das Weizenfeld sah weniger schlimm aus, als ich es mir nach Szadeths Worten vorgestellt hatte. Die Halme standen gelb und reif im Wind, die Ähren waren prall gefüllt, nicht alle natürlich. Hier und da erkannte ich im Boden kleine Löcher.

„Eine übertriebene Mäuseplage“, sagte ich zu Gamma.

„Das überschaust du nicht“, antwortete sie knapp.