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„He, hallo“, hörte ich. Auf dem Pfad kam uns eine kleine Gruppe in kurzen Khakihosen und Khakihemden entgegen. Alle fünf, zwei Mädchen darunter, trugen Gewehre. Ich schätzte sie auf vierzehn Jahre. Als sie uns erkannten, blieben sie in ein paar Schritt Entfernung stehen.

„Ei, wer besucht uns denn hier? Weltkontrolleur Beth persönlich.“

Ich lachte gezwungen. „Was soll die Ironie?“

„Ihr wollt euch wohl ansehen, welchen Ärger wir mit den Mäusen haben? Die kommen euch doch nur recht.“

Es sprach immer derselbe. Vergeblich versuchte ich mich an seinen Namen zu erinnern; ich hatte ihn und seine Gruppe, die zehnte, nur bei wenigen Gelegenheiten gesehen.

„Wieso, was wollt ihr damit sagen?“ fragte Gamma mit einer harten, fast metallischen Stimme, die ungewohnt in meinen Ohren klang.

„Der Ausfall der Ernte, nützt er euch etwa nicht? Da sind wir weiter auf synthetische Nahrung angewiesen, sind weiter von eurer Technik abhängig, uns könnt ihr nichts vormachen“, erklärte eins der Mädchen.

„Blödsinn“, sagte ich, „wir sind wie ihr an einer schnellen Kultivierung Andymons interessiert. Allerdings ist diese unmöglich ohne ein Minimum an Technik. Ohne sie könnten wir alle nicht existieren.“

„Deine Computer haben die Mäuseplage falsch vorhergesagt, erst für nächstes Jahr.“

Ich stöhnte. Durch das vorzeitige Verlassen des Schiffs hatten sie ihre wissenschaftliche Ausbildung zu schnell und oberflächlich beendet. Jetzt sah man das Resultat.

„Das liegt nicht an den Computern“, Gamma versuchte sie aufzuklären, „unvollkommene Modelle, fehlende Meßwerte, ein zu naives Verwenden der Ergebnisse…“

„Jetzt sollen auch noch wir daran schuld sein, daß die Gefahr zu spät erkannt wurde“, höhnte der Anführer, „wer weiß, vielleicht sind die Programme nicht von ungefähr unzulänglich…“

„Nun reicht’s aber!“ fuhr ich ihn an, „wer solche Behauptungen aufstellt, muß sie auch begründen können, ist das klar? Und das kannst du auch deinem großen Meister Resth sagen. Wo steckt der überhaupt, ich habe ein Wörtchen mit ihm zu reden!“

Sie schauten sich gegenseitig an. „Ja, wo ist er denn?“

Plötzlich hob eins der Mädchen das Gewehr, zielte auf mich. Dicht neben mir schlug der Plastschrot in den Boden. Ich sprang zur Seite.

„Eine Maus“, erklärte sie seelenruhig. Es lag tatsächlich eine da.

Gamma war nahe dran, die Beherrschung zu verlieren. „Man zielt nicht auf Menschen! Was habt ihr denn im Totaloskop gelernt! Wenn ihr das nicht begriffen habt, gehören Gewehre nicht in eure Hände!“ Ihr Gesicht war trotz des dunklen Teints blaß geworden.

„Reg dich nicht auf, du weißt doch, daß wir Mäuse jagen. Außerdem habt ihr hier nichts verloren. Ihr gehört nach Andymon-City. Vielleicht habt ihr schon goldene Drähte im Haar und seid an die Computer oder das Monster auf Gedon angeschlossen.“

„Hört auf!“ sagte ich mit erzwungener Ruhe, „und versucht nicht, mich oder euch selbst anzulügen. Ihr wißt so gut wie ich, daß der Schuß als Drohung gemeint war. Und Resth wird sich dafür verantworten müssen, daß er euch aufhetzt. Vergeßt nicht, daß wir Andymon für euch bewohnbar gemacht haben.“

Gamma zog mich am Arm, das hieß: Umkehren, Beth, hier ist es zu gefährlich.

„Ja, damals gab es Delth noch… Und wer weiß…“

Ehe der Sprecher sich’s versah, ehe er die Verleumdung aussprechen konnte, die ich bereits kannte, war ich bei ihm und hatte ihm links und rechts ins Gesicht geschlagen. Gewollt oder ungewollt, die Prügel für Resth hatten einen Empfänger gefunden.

Er war vor allem verblüfft, öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen. Auch seine Geschwister starrten mich reglos an. Mir fielen die Gewehre ein, blitzschnell überlegte ich, die Lethargie der vergangenen Wochen war mit den zwei Schlägen verpufft.

„Du kannst sie Resth weitergeben, ihm gehören sie“, sagte ich. Dann ließ ich meinen Blick wandern, schaute ihnen der Reihe nach in die Augen. „Ich gebe euch den guten Rat: Glaubt Resth nicht all seine Lügen. Versucht mal, selbst zu denken, sie zu überprüfen.“

Sie standen noch wie versteinert da. Gamma wollte mich wieder wegziehen. Aber ich wußte plötzlich, daß ich sie beeindruckt hatte. Irgendeine von Resths Lügen über mich stimmte mit meinem Verhalten nicht überein. Ich mußte diese Unsicherheit sofort ausnutzen.

Entschlossen faßte ich den, den ich geschlagen hatte, am linken Oberarm. „Wie heißt du?“

„Laath.“

„Laath, du führst mich sofort zu Resth. Ich habe das Versteckspiel satt, er soll mir selbst Rede und Antwort stehen — oder ist er so feige, daß er einer Begegnung ausweicht?“

Wir gingen, begleitet von einer bewaffneten Eskorte. Der oberflächliche Beobachter hätte Gamma und mich für Gefangene halten können. Ich aber fühlte mich stark wie nie und zugleich so entrückt, so unwirklich. Wir näherten uns der Kuppel, passierten die nachlässig geöffnete Schleuse - mir war, als hätte ich diese Szene hundertmal im Totaloskop erlebt.

Als wir vor Resths Haus anlangten, sagte eins der Mädchen: „Er ist bestimmt in der Meerwasseraufbereitungsanlage.“

Ich rief herausfordernd: „Resth!“ Dann klopfte ich und trat ein. Unsere Eskorte ging auf Sicherheitsabstand.

Pea, die sich allein im Wohnraum des Hauses aufhielt, stand erschrocken auf.

Der unruhige Blick ihrer Augen entwaffnete mich sofort. „Pea“, fragte ich so sanft wie möglich, „wie geht es dir? Und was macht es? Entwickelt es sich?“

Sie nickte. Ihr war das werdende Leben bereits deutlich anzusehen.

„Tut mir leid, daß wir so hereinplatzen“, sagte Gamma und umarmte Pea, „wir haben Resth gesucht.“

„Ich will nichts von dieser Sache wissen.“ Es waren die ersten Worte, die Pea zu uns sprach.

„Mach dir keine Gedanken, Pea“, versuchte ich sie zu besänftigen. „Resth und ich werden uns schon gütlich einigen. Es gibt kein Problem, über das man nicht reden könnte.“

Erst als wir sie Minuten später verlassen hatten, wurde mir bewußt, daß ich selbst längst nicht mehr an die alles lösende Rationalität glaubte. Hatte ich nicht mit den Ohrfeigen das Gegenteil bewiesen? „Ich wußte nicht, wie sie reagieren würden“, sagte Gamma in der Sicherheit des Kopters. „Bei denen ist alles drin. Sie hätten uns zusammenschlagen können — oder Schlimmeres. Aber die größte Überraschung warst du für mich!“ Sie küßte mich auf die Wange.

„Auch sie sind von Rammas und von Guros erzogen worden“, erwiderte ich wenig überzeugend, „so weit würden sie es nie treiben.“ „Vielleicht sie nicht, aber Resth. Erinnerst du dich: Es geht um das Ganze, um die Zukunft Andymons, um Leben und Tod. Hat er das nicht gesagt?“

Ich konnte mich nicht erinnern.

„Darin zumindest hat er recht, es geht um Leben und Tod.“

„Bitte, Gamma, du bist erschrocken. Aber das, woran du denkst, das ist einfach nicht möglich, nicht bei uns, nicht bei Resth, nicht unter uns Geschwistern. Wir sind alle Schiffsgeborene, haben die gleiche Erziehung, wenigstens in den entscheidenden Jahren. Es ist unmöglich für uns. Wir sind nicht die Menschen von der Erde. Glaub mir, Gamma, wir haben hier einen neuen Anfang. Ohne Blut.“

Gamma schwieg.

Programmierter Alptraum

Ich stand auf Ladym, dem zweiten Mond, und wartete auf den Unfall, meinen Unfall, den ich mit Sicherheit erleiden würde, eher früher als später. Der Skaphander war dicht, und alle Systeme der kleinen Station arbeiteten zufriedenstellend, vielleicht also ein „Meteorit“? Oder ein „amoklaufender“ Roboter?

Andymon ging auf, eine große braune, grüne und graue schlierige Scheibe, Hoffnung zurückzukehren hatte ich kaum; Resth würde das nie zulassen. Ich konnte mir gut vorstellen, wie er die Order erteilt hatte, mich von Andymon zu entfernen, ohne auch nur die Andeutung eines triumphierenden Lächelns, ohne auch nur einen Zug des Hasses, allein bestimmt von jener kalten Notwendigkeit, die sein Handeln leitete. „Solange Beth hier lebt, wird es Zwist geben, Kampf, der unsere Kräfte verbraucht, der das Überleben unserer Siedlung gefährdet. Schließt ihn von jeglichem Funkkontakt aus.“