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Dieses: Und wenn du sie nicht überzeugen kannst, dann überrumple sie, es geschieht, ja in ihrem Interesse. Ihm kam es nicht darauf an, andere zu verstehen, ihre Gedanken nachzudenken. Er wußte ja, daß seine richtig waren, absolut, und jede Abweichung von ihnen den Untergang unserer Zivilisation heraufbeschwören würde. Daher konnte er mich nicht tolerieren. Im Kampf auf Leben und Tod heiligt der Zweck die Mittel. Auch die letzten, die allerletzten. Ich erschauderte.

Mit steifen Fingern nahm ich die Adapter ab. Vielleicht war es ein schreckliches Unrecht von mir, ihm einen Mord zuzutrauen. Ich hatte ja nur ein Szenarium erlebt, eine Zukunftsmöglichkeit. Eine programmierte noch dazu, die auf einem Personogramm von Resth beruhte, das Gamma erarbeitet hatte. Möglich, daß sie ihre Befürchtungen in die Sprache der Formeln übertragen hatte. Die Rückkopplung meines Gehirns mit dem Totaloskop hatte zusätzlich meine sicherlich subjektiv verzerrten Vorstellungen von Resth eingebracht. Wunschtraum und Alptraum können eins sein.

Ich stieg aus dem Totaloskop, wollte die frische, freie Luft Andymons im Gesicht spüren. Als ich den Turm verließ, knirschte der Kies leicht unter meinen Füßen. Ich atmete tief durch. Handeln mußte ich. Aber bist du jetzt nicht zu voreingenommen? dachte ich. Wenn dir nun Resth begegnet, wie kannst du dich ihm gegenüber unbefangen und gerecht verhalten? Nach all diesen irrealen Erfahrungen aus dem Totaloskop, die sich trotz aller Vernunftsgründe in dein Unterbewußtsein eingraben?

Sabotage

Während ich grübelte, wie ich Resth entgegentreten sollte, verlief das Leben auf Andymon auf gewöhnliche Weise, als gäbe es keine sich verschärfenden Konflikte, als handelten wir alle in völligem Einklang. Die Geschwister legten Obstplantagen und Mischwaldschonungen an, ich selbst war dabei, als das Bett für einen Fluß freigesprengt wurde. Automaten gruben nach Bauxit, montierten Produktionshallen, und drei oder vier Babys waren unterwegs. Nichts konnte den Fortschritt unserer Gemeinschaft stören. Scheinbar nichts.

„Beth, deine Chemieanlage löst sich auf“, teilte mir Ilona über das Videofon mit.

„Was?“ fragte ich verstört, „was heißt auflösen?“

„Na, ich bin kein Experte. Ich komme gerade von einem Medizinertreff drüben in Oasis, und als ich den Bauplatz überfliege, da sehe ich, daß, na, daß sich die Anlage auflöst, sich demontiert sozusagen.

Ich dankte kurz und setzte mich sofort mit dem Projektcomputer in Verbindung. Konnte durch einen absurden Systemfehler das Bau-programm invertiert worden sein? Überraschenderweise informierte mich der Computer, daß das Chemiewerk nicht mehr zu seinem Aufgabengebiet gehöre. Dabei war diese Anlage mein Projekt, ich zeichnete verantwortlich, und nur ich hätte eine derartige Programmänderung einleiten dürfen.

Ich lief hinaus, zwischen den jungen Bäumen hindurch zu den Hangars. Die Kopter waren alle fort. Zum Glück fand ich in der Garage einen Rover. Ich fuhr mit Höchstgeschwindigkeit los. Teth, den ich in eine Staubwolke hüllte, schüttelte den Kopf und deutete mit dem Finger an seine Stirn; er liebte derartige Hektik nicht.

Bald lag Andymon-City hinter mir. Während der zwanzig Kilometer sehr unebener Piste zum Werk hatte ich Zeit zu überlegen. Schon einmal, in der Planungsphase, hatte es Schwierigkeiten mit dieser Anlage gegeben. Shinth beanspruchte dieselben Ausrüstungen für eine Düngemittelfabrik, die in der Nähe von Oasis errichtet werden sollte. Ich hatte ihn damals überzeugen können, daß mein Projekt wichtiger sei. Die hier produzierten chemischen Verbindungen, unter anderem Säuren, wurden für die Produktion verschiedener Plastmaterialien dringend benötigt. Plaste bildeten eine der Grundlagen unseres Lebens. Wir setzten sie zu den verschiedensten Zwecken ein: Holzimitation für Möbel, Baumaterial, Maschinenelemente… Und die Vorräte des Schiffs waren so gut wie erschöpft.

Was ich Shinth verschwiegen hatte, war, daß in dieser Fabrik auch — später einmal — superfeste siliziumorganische Verbindungen hergestellt werden konnten, die für die Konstruktion von Raumschiffen eine große Rolle spielten. Ich wollte, obwohl bislang kein positiver Entschluß über meine kosmischen Projekte gefallen war, für diese günstige Voraussetzungen schaffen. Ob hier ein Zusammenhang zu der von Ilona beobachteten „Demontage“ bestand? Allerdings hatte ich Shinths Wort, und bisher war alles wie geplant gelaufen.

Der Rover erklomm eine Bodenwelle. Von oben aus ließ sich das Gelände gut einsehen. Ilona hatte sich nicht getäuscht. Die senkrecht stehenden Zylinder der Katalysereaktoren waren verschwunden, und ein schwerer Tieflader fuhr auf der Piste in Richtung Oasis. Hatte mich der Streit der Transporter um den Transformator noch erheitert, so spürte ich jetzt eine heiße Welle des Zorns in mir aufsteigen. Den letzten Kilometer jagte ich den Rover über die holprige Piste, daß ich mich am Lenkrad festkrallen mußte. Mir klammheimlich eine ganze Fabrik zu stehlen!

Die Bremsen kreischten auf, der Rover stand, ich sprang hinaus. Wo noch vor zwei Tagen das Hirn des Werkes, der Prozeßrechner mit den Kontrolleinrichtungen, gestanden hatte, war nun der planierte und betonierte Boden zu sehen. Ich rannte mitten hinein zwischen die Krane, die einzelne Träger, aber auch komplette Stahlkonstruktionen und Aggregate auf die Fahrzeuge luden, zwischen die kleinen Konstruktionsroboter, die nicht viel mehr konnten als Schweißen, Bohren und Nieten. Ich achtete nicht auf Lasten über meinem ungeschützten Kopf oder auf die Wege der verschiedenen Fahrzeuge. Ich verhielt mich, als könnte ich mit der bloßen erhobenen Faust all die Automaten und Motoren stoppen.

Und tatsächlich: Der Kran, der ganz in meiner Nähe tonnenschwere Rohre durch die Luft hob, stieß ein Warnsignal aus und verharrte mitten in der Bewegung. Schlagartig erstarrten auch die Roboter, bremsten die Fahrzeuge, verebbten die Geräusche der Demontage.

„Bist du verrückt, Beth, du läufst in die Maschinen!“ rief eine Stimme.

Die Tür eines Kopters, den ich bislang nicht hinter den Rohranlagen erspäht hatte, stand weit offen. Ein Mädchen und ein Junge stiegen heraus. Sie trugen orangefarbene Schutzhelme und Khakibekleidung. Als sie auf mich zurannten, erkannte ich den Jungen, es war Laath, der, dem ich kürzlich die Ohrfeigen versetzt hatte.

„Mensch, Beth, sei froh, daß wir dich rechtzeitig entdeckt haben! Was suchst du hier?“

Einen Moment war ich vor Zorn und Überraschung sprachlos. Sie atmeten schwer vom kurzen Sprint und boten einen ebenfalls verärgerten Eindruck.

„Das frage ich euch“, sagte ich und betonte jedes Wort, „was sucht ihr hier? Woher nehmt ihr die Frechheit, meine Arbeit zu zerstören?“ „Was?“ fragte das Mädchen, Bhriga, erstaunt, nahm den Helm ab und fuhr mit dem Handrücken über die Stirn. „Wir sind hier, um die Teile des nicht benötigten Werkes abzutransportieren, damit sie für die Düngemittelfabrik genutzt werden können“, sagte sie.

„Nicht benötigt, was heißt nicht benötigt?“ Schon als ich die beiden gesehen hatte, war mir klargeworden, daß nicht Shinth seine Meinung geändert, sondern Resth seine Hand im Spiel hatte. „Das hat euch Resth gesagt?“ fragte ich, „und euch befohlen, hier alles zu demontieren?“

„Ja, wenn keine Schiffe gebaut werden, brauchen wir auch keine siliziumorganischen Verbindungen.“ Also doch!