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„Himmel“, fuhr ich sie an, „nicht nachplappern! Ihr müßt selbst denken! Hab ich euch das nicht längst gesagt? Diese Fabrik hier sollte hunderterlei Plastmaterialien herstellen. Die könnten wir jetzt gut gebrauchen für Plastkuppeln und Hauswände, als Isoliermaterial, für Gefäße und Gehäuse… Natürlich wären ein paar der Verbindungen auch für den Schiffbau verwendbar — es gibt kaum Produktionsanlagen, für die das nicht zutrifft. Wißt ihr, wobei ich euch ertappt habe? Bei Sabotage, ganz eindeutiger, gemeiner Sabotage!“

Laath, der sich vorsichtig auf Distanz begeben hatte, war verlegen. „Aber…“ Er hielt ein und scharrte mit dem Fuß auf dem Boden.

„Aber Resth hat gesagt — nicht wahr? Na gut, ich weiß, wer die Verantwortung trägt. Allerdings seid ihr nicht ohne Schuld. Fabriken stehlen! Ihr laßt euch wohl von eurem Bandenchef alles einreden? Angeblich will die erste Gruppe alle bevormunden, nicht wahr? Lächerlich! Das ist die Spezialität eures Möchtegernbosses!“

Ich mußte mich zusammennehmen, meinen Zorn zügeln. Den wollte ich mir für Resth aufheben. „Wo ist er?“ fragte ich scharf. Diesmal durfte er mir nicht wieder ausweichen. Ich mußte ihn in seinem Versteck aufstöbern und zur Rede stellen, und wenn ich ihm um ganz Andymon nachjagte.

„Bei dem Düngemittelwerk“, antworteten sie kleinlaut.

„In Ordnung“, beschwichtigte ich sie, „paßt auf, ich nehme mir jetzt euren Kopter und fliege sofort zu Resth. Und ihr steigt in meinen Rover und fahrt nach City. Ihr informiert Gamma und ruft mit ihr für morgen eine Generalversammlung aus, klar? Alle sollen kommen, ganz gleich, wo sie arbeiten, auch die von Ladym.“

Sie nickten stumm. Mitleid ergriff mich, ich konnte mir gut vorstellen, wie sie sich fühlten: abgekanzelt, ohne genau zu wissen, wofür, hin- und hergeschoben. Um sie aufzumuntern und für mich zu gewinnen, griff ich nach ihren Händen, eine archaische, irdische Geste, und schüttelte sie.

„Kopf hoch! Tschüs — und grüßt Gamma.“

Erleichtert liefen sie zum Rover und fuhren davon. Ich blickte ihnen nach, dann stieg ich in den Kopter. Er war neben den normalen Instrumenten mit einem kompletten Leitzentrum für Konstruktionsarbeiten ausgerüstet — eine gute Idee, solange man sie nicht zur Demontage einsetzte. Seufzend startete ich und nahm Kurs auf Oasis, Kurs auf Resth.

Unter vier Augen

Resth war damals einundzwanzig Jahre alt. Heute erscheint mir schwer vorstellbar, wie es ihm gelingen konnte, so jung einen so überwältigenden Einfluß zu gewinnen. Seine den Gepflogenheiten unserer Gemeinschaft widersprechenden Methoden und seine demagogischen Fähigkeiten erklären dies nur zum Teil. Der Ausfall der auf Gedon lebenden vierten Gruppe, durch den eine Lücke zwischen den älteren drei, die vorwiegend in Andymon-City lebten, und den jüngeren, den „Wühlmäusen“ von Oasis, entstand, trug sicher dazu bei. Denn für letztere war Resth nicht zu jung, und seine Pea erwartete ein Baby. Er hatte sich zum Kommandanten der Kuppelbewohner gemacht, und er wußte sehr wohl, daß die Kluft zwischen den Bewohnern beider Siedlungen seinen Einfluß stärkte.

Einundzwanzig Jahre… Mit einundzwanzig Jahren verunglückte Delth, und er war in diesem Alter durchaus in der Lage gewesen, unsere kleine Gemeinschaft kompetent anzuführen.

Ich landete den Kopter in sicherer Entfernung vom Baugetriebe um die entstehende Düngemittelfabrik. Gleich auf den ersten Blick erkannte ich Teile, die von meinem Werk stammten. Einige der Katalysereaktoren lagen am Rande des Bauplatzes kreuz und quer durcheinander. Sie waren zerschrammt, und an einigen Stellen war der schützende Farbüberzug abgeplatzt. Obwohl es selten regnete, würden sie bald zu rosten beginnen — denn verwenden konnte sie Resth nicht.

Die Materialverschwendung brachte mich wieder in die richtige Stimmung. Zielstrebig lief ich auf das kleine, auf vier dünnen Metallsäulen stehende Haus zu, das Resthals Kommandowarte diente. Eine Metalleiter führte nach oben. Ehe ich die Einstiegsluke öffnete, glaubte ich eine Reihe von Stimmen zu hören, zumindest die von Szadeth und Szina zu erkennen. Dann wurde es still. Ich schob meinen Kopf durch die Luke, Resth war allein.

„Ich habe dich erwartet, Beth“, sagte er und half mir hoch. „Es ist an der Zeit, daß wir einmal unter vier Augen miteinander sprechen.“ Ich konnte ein nervöses Lachen kaum unterdrücken. „ ‚An der Zeit‘, Resth? Seit Tagen, nein Wochen, versuche ich vergeblich, dich zu erreichen. Immer mehr hat sich angesammelt. Ich bin sehr gespannt, wie du mir manche Dinge erklären willst.“

Resth bot mir einen Platz an. Nur wenige Monitore an den Wänden waren eingeschaltet, sie zeigten Maschinen an der Arbeit. Resth setzte sich selbst, er tat dies mit der Sicherheit Delths, und doch, da war ein Unterschied.

„Ich werde dir vielleicht nicht alles erklären können, Beth, aber ich hoffe, daß du zumindest mein Hauptanliegen verstehst.“

„Du wirst dich nicht nur vor mir rechtfertigen müssen, sondern vor allen. Was du dir erlaubt hast, ist unglaublich und verstößt gegen all unsere Verhaltensnormen. Du sabotierst unsere Arbeiten und säst Zwietracht.“

„Ich bin zu jeder Rechtfertigung bereit.“ Resth nickte, er redete langsam und ruhig, aber seine Hände umkrampften die Armlehnen des Stuhles. „Denn meine Person ist ganz unwichtig.“

Er schwieg, ich wußte nicht, worauf er mit dieser Bemerkung hinzielte, und wollte schon den Katalog meiner Beschwerden eröffnen, da setzte er fort: „Dein Ziel wie meines ist, Andymon bewohnt zu machen, darin stimmen wir doch überein? Ich würde für dieses Ziel nicht nur all meine Kraft, sondern selbst mein Leben geben, und ich bin sicher, du auch.“

„Versuche nicht, mich mit Allgemeinplätzen einzulullen, Resth. Ich verlange Rechenschaft, weshalb du meine Fabrik zerstört hast und damit dein oberstes Ziel sabotierst!“

Um Resths Mund zuckte es. „Dein Luxusprojekt, das Andymon nicht dient? Es gibt vorerst Dringenderes als Plaste. Plaste für den Schiffbau, mich täuschst du nicht.“

„Du irrst“, grollte ich, „nicht Luxus, sondern Notwendigkeit. Und wenn wir uns etwas nicht leisten können, dann Sabotage, den Kampf gegeneinander.“

Resth stand auf, ging vor den Kontrollpulten auf und ab. Plötzlich wußte ich, worin sich Delth von ihm unterschied: Delth hatte sich nie in dieser Absolutheit im Recht geglaubt — und selbst dann hätte er gewußt, wann er nachgeben mußte.

„In letzterem stimme ich mit dir völlig überein. Aber mich beschwatzt du nicht wie den leichtgläubigen Shinth, daß deine Projekte nötig sind. Ich habe seinen Fehler korrigiert. Und jetzt kommt es darauf an, daß du mir hilfst, die Zwietracht ein für allemal auszuräumen. Beth, wenn du morgen öffentlich bekennst, daß du unter dem Vorwand, für Andymon zu arbeiten, den Schiffbau vorbereitet hast, und versprichst, künftig derartige Eskapaden zu unterlassen, sind alle Differenzen ausgeräumt.“

Ich sprang auf, es war unglaublich, wie Resth die Dinge verdrehte. Ich griff ihn am Ärmel seines dunkelgrauen Overalls und sagte es ihm. Ich konnte und wollte nicht ruhig und sachlich bleiben. Ich sollte mich selbst öffentlich als Lügner bezeichnen! Für wie dumm hielt mich Resth? Glaubte er, ich wäre ein Laath, würde für ihn, den großen Meister Resth, ins kalte Wasser springen?

Resth befreite sich fast zaghaft von meinem Griff. Seine Stimme flehte: „Versteh mich wohl, Beth, ich muß lediglich um jeden Preis verhindern, daß du durch den Schiffbau uns alle ins Verderben stürzt, daß wir in dieser entscheidenden Phase unsere Kräfte lebensgefährlich zersplittern. Was aus mir dabei wird, ist mir egal. Was ich verlange, dient nur Andymon. Und in zehn oder zwanzig Jahren könnten wir erneut über dein Projekt diskutieren.“

Er bettelte beinahe, der selbsternannte Planetenchef, appellierte an meinen Gemeinschaftssinn, und der suggestive Eindruck seiner Argumente war so stark, daß ich mir erst die von ihm verbreiteten Gerüchte ins Gedächtnis rufen mußte, um nicht nachzugeben.