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„Heizung?“ fragte ich.

„Schon ein“, antwortete Daleta ebenso einsilbig, denn der Frost stach im Mund, in der Kehle, in der Lunge. Unser feuchter Atem setzte sich als Reif auf den Skaphandern und den Wänden fest. Die innere Schleusentür öffnete sich, und wir betraten die Station.

Durch den ebenfalls hellerleuchteten Gang wehte ein leises Stöhnen, die Klimaanlage, vermutete ich. Schweigend gingen wir voran. Unser Ziel war ein kleiner Raum, in dem Computerterminal standen. Er war das Gegenstück zu der um vieles größeren Zentrale des Schiffs, verdiente aber diesen Namen nicht, weil er von der vierten Gruppe nie als Zentrale benutzt worden war. Wozu auch? Das Wesen war eins gewesen mit dem Computer. Dort würden wir uns einen Überblick verschaffen können über alle Geräte und jedes Kilo Material, das sich auf Gedon befand.

Erfreut beobachtete ich, wie sich Bhrigas Neugier gegen die beklemmend kühle Atmosphäre Bahn brach. Bhriga lief voraus, hantierte am Öffnungsmechanismus einer Tür. Sie schüttelte ihre von der eisigen Berührung schmerzenden Hände und streifte die Skaphanderhandschuhe wieder über. Dann schaute sie in den Raum - und lachte. Ich trat hinter sie und verstand: Auch die Zusammengeschalteten hatten ganz gewöhnliche menschliche Notdurft verrichten müssen. Wir schlossen die Tür und folgten den anderen. Die Luft im Gang wurde spürbar wärmer.

„Können wir alles gut gebrauchen, Beth“, sagte Bhriga, „die Toilette und die Küche und was an Einrichtung für Gemeinschaftsund Einzelräume da ist.“

„Hm“, wandte ich ein, „eigentlich sollte das meine Bestandsaufnahme werden. Schön, ich gebe zu, im Demontieren habt ihr mir einiges voraus.“

Bhriga blieb stehen. Hatte ich sie verletzt?

„Immer die alten Sachen.“ Traurig schaute sie mich an. „Weißt du, Beth, deswegen müssen wir eine eigene Siedlung gründen. In Oasis wären wir immer nur Resths ehemalige Anhänger. Jeder zweite Gedanke von den Siedlern wäre: Auf die müssen wir achtgeben, die haben zu Resth gehört.“

Ich besänftigte sie und versicherte ihr, daß ich ihre Gruppe und ihr Vorhaben fördern würde. Meine unvorsichtige Bemerkung sollte kein Grund für hängende Köpfe sein. Von mir aus, sollten sie die Klos und Kochtöpfe einpacken!

Wo waren Daleta und Alefth geblieben? Der Gang vor uns war leer.

„Du rechts, ich links!“ Schnell schauten wir in die Türen. Wieder drangen feine Töne an mein Ohr. Von dunkler Vorahnung befallen, eilte ich durch einen Konservenvorratsraum und Zimmer voller Geräte. Eine Wand, schwarze Blätter vakuumverdörrter Blumen davor, der Sessel, in dem ich gesessen hatte — wie lange war das her?

„He“, rief ich, „Daleta, Alefth, wo seid ihr? Was soll das Versteckspiel?“

„Wo seid ihr?“ echote eine zarte, kaum vernehmbare Stimme. Ich rannte erschrocken auf den Gang, stieß dabei Bhriga fast um.

„Hast du gehört?“ fragte sie mich aufgeregt. Spontan griff ich ihre Hand und zog sie mit. Der Gang gabelte sich. Eine Sekunde verhielt ich lauschend, dann entschied ich mich.

„Wo seid ihr?“ erklang die Stimme eindeutig näher.

Eine Tür vor uns war nur angelehnt. Ich stieß sie mit dem Fuß auf. Ein verwirrendes Lichterspiel überflutete mich. Fleckigbunte Muster erschienen auf einer Projektionswand und erloschen wieder. Eine radioastronomische Himmelskarte? Hirnstrommuster? Computerträume? Es war mir gleich.

Daleta und Alefth lehnten mit offenen Mündern an einer mannshohen Konsole. Über ihre Gesichter lief farbiger Widerschein.

„Wo seid ihr?“ flüsterte halb lockend, halb verzweifelt die Stimme.

„Zum Donnerwetter!“ schrie ich, so laut ich konnte. Die beiden zuckten zusammen, der fremde Bann war gebrochen.

„Das ist unsere Stimme“, sagte Daleta atemlos.

„Ich erinnere mich“, fügte Alefth im gleichen Tonfall hinzu.

„Wo kann ich die verrückte Stimme abschalten und den kaputten Computer löschen?“ fragte Bhriga, die bereits begann, an einem Eingabegerät zu hantieren. Das wirre Licht verblaßte.

„Nein, nicht, es lebt. Das waren einmal wir.“ Alefth löste sich mechanisch von der Konsole. Ich hielt ihn zurück.

Bhriga schaltete aufs Geratewohl. Rote Signale leuchteten auf. Das Flüstern verstummte. Sie drehte sich um. „Das lebt sowenig wie eine Tonbandaufzeichnung. Ich bin zwar nicht so ein Computerexperte wie ihr, dafür weiß ich aber, daß man solch eine Anlage nicht verläßt, ohne sie auszuschalten.“

So konnte es geschehen, daß bei unserer Annäherung der Computer die gespeicherten Erinnerungen des Wesens abrief und dieses ein letztes Mal zu einem Scheinleben erweckte. Ich schaute Daleta an.

„Das steckt noch tief, so tief“, sagte sie mit verlorenem Blick, „diese Suche — und nichts gefunden. Kein ebenbürtiger Partner. Wir waren…, es war“, korrigierte sie sich, „nur auf sich allein angewiesen. Ohne Gesellschaft. Es hat sich in sich gekehrt, bis es in seine Bestandteile zerfiel.“

„Ich kann das nicht beschreiben, diesen Tag“, jetzt sprach Alefth, und seine tiefe vibrierende Stimme unterschied sich wohltuend von der des Computers, „ihr nennt das Gruppengehirn Monster. Das solltet ihr nicht tun. Als es erkannte, daß es nicht weiterexistieren konnte, hat es uns armselige Individuen gerettet. Diese Minuten, sie waren wie ein Traum, nicht, Daleta?“

Sie nickte, übernahm den Faden. „Wir sind einfach in die Fähre gesetzt worden, den Willen, dorthin zu gelangen, hätten wir nicht gehabt. Erst bei euch sind wir langsam aufgewacht.“

Tröstend klopfte ich ihr auf die skaphanderbewehrte Schulter. „Kommt, wir haben viel zu erledigen.“

Wir ließen uns Listen ausdrucken: Fahrzeuge, Geräte, Automaten. Mich überraschte nicht, als ich erfuhr, daß auf Gedon ein Miniaturfusionsreaktor existierte sowie eine Reihe kleinerer, aber wohldurchdachter Produktionsstätten. Das Wesen hatte seinen Anteil am Schiff gut genutzt, wenn auch zu Zwecken, die nicht die unseren waren und die mir weitgehend unverständlich blieben. Fernsehkameras ermöglichten uns Einblicke. All diese Anlagen standen seit einem Vierteljahr still. Eine ungeheuerliche Verschwendung. Ich überlegte.

„Bhriga“, sagte ich, „am wichtigsten ist, das hiesige Computersystem an das des Schiffs anzuschließen. Wir brauchen direkten Zugriff. Und wie auf Ladym können hier Teile für das Schiff produziert werden. Der arme Zeth hat sich auf dem anderen Mond so angestrengt, hier hätte er viel bessere Bedingungen gefunden.“

Sie nickte, brachte dann Einwände vor: Laufzeit der Signale, Synchronisierungsprobleme. Es waren geringfügige technische Schwierigkeiten, die sie überwinden konnte.

Allmählich ergriff mich eine Hochstimmung. „Schaut euch nur um, was uns das Wesen alles hinterlassen hat: Unmengen technologischer Daten, komplette Fabriken, die nur wenig umgerüstet zu werden brauchen, Bergwerke… Endlich komme ich einmal richtig zum Zuge.“

Ich schaltete, die Monitore zeigten neue Bilder. Dunkle Vakuumhallen, in denen handtellergroße Scheiben Nanoelektronik produziert werden konnten, abstrakte Schemata von Bearbeitungsabläufen, einen ganzen Stapel, nein, einen Berg von noch nie eingesetzten Automaten. Experimentalanlagen, deren Sinn mir verschlossen blieb, aber auch ein gewaltiger Teilchenbeschleuniger, der sich problemlos zu einem Solenoid für das Katapultieren von Baumaterial umbauen lassen würde. Sieben Jahre nur hatte das Wesen existiert. Seine Leistung war wirklich übermenschlich. Und hätte nicht die vierte Gruppe sieben Jahre ihres Lebens verloren, so wäre ich für seine Existenz uneingeschränkt dankbar gewesen.

„Bitte, Beth“, sagte Daleta, „setz dich doch.“ Meine Freude hatte auf die Geschwister nicht ausgestrahlt. „Das ist nicht alles für den Schiffbau, Beth. Ich hätte dir das vielleicht schon früher sagen sollen. Wir werden uns mit der zehnten Gruppe am Meer ansiedeln. Nicht nur Gimth. Du verstehst, daß wir einen Teil der Anlagen von hier dafür gut gebrauchen können. Nicht viel, aber immerhin. Keine kompletten Fabriken, das lohnt den Transport nicht, aber eine Menge Automaten, Fahrzeuge, Computer.“