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Ich schluckte, sie hätten mir das wirklich früher sagen können.

„Und wann soll es losgehen? Morgen?“ fragte ich mit belegter Stimme. Ihr Anrecht auf alles hier stand außer Zweifel, aber noch wichtiger als dies war mir ihre Arbeitskraft, ihr Fachwissen.

„Beth, du hast versprochen, uns zu helfen“, erinnerte mich Bhriga, „natürlich unterstützen wir dich ebenso. Wir bleiben wie vereinbart noch ein Vierteljahr und werden alle sechzehn in dieser Zeit hauptsächlich das neue Schiff bauen.“

Ich stand wieder auf, packte einen Teil der Papiere ein, dann fand ich meine Stimme wieder und dankte.

Bhriga beschäftigte sich mit dem Computer, als hätte sie nie etwas anderes gelernt. Daleta nahm sich die Listen, noch einmal ging sie Position für Position durch und murmelte vor sich hin, daß sie das Gefühl habe, etwas fehle noch.

Alefth schwieg gedankenverloren, seine Hände bewegten sich, als wollten sie die Gelenkfalten seines Skaphanders glattstreichen. Nach einer Weile schaute er auf. „Du machst einen Fehler, Beth. Du redest immer von deinem Schiff, deinem Projekt. Das stimmt nicht. Die ganze Gemeinschaft hat beschlossen, das Schiff zu bauen. Es ist unser aller Projekt. Du bist lediglich der, der sich am…“, er suchte nach dem richtigen Wort, „am enthusiastischsten dafür einsetzt. Wir sind genauso dafür, wissen auch, daß es notwendig ist, sonst würden wir uns an der Konstruktion nicht beteiligen. ‚Dir helfen‚‘ wäre hier das falsche Wort.“

Gerührt blickte ich ihn an. Daleta und Bhriga bekräftigten lautstark seine Worte. Ich erklärte ihnen, daß ich vielleicht schon etwas zu alt und festgefahren sei und daher meine Rolfe überschätze und falsche Possessivpronomen gebrauche. Sie protestierten. Es war ein wohltuender Gedanke, daß mein Projekt — so schnell konnte ich es mir nicht abgewohnen — nicht mit mir stand und fiel.

Wir arbeiteten, bis die Verbindung der beiden Computersysteme hergestellt war. Das dauerte einige Stunden. Wir hätten auf Gedon bleiben können, doch war es uns angenehmer, zurückzufliegen. Dank des Fusionsreaktors hatten wir zumindest genügend Energie.

Die Fähre hob leicht vibrierend von der raketenstrahlzerfressenen Mondoberfläche ab. Ich bat Alefth, er möge noch einmal dicht über das bebaute Territorium fliegen, und fühlte mich wie ein König, der sein Reich inspiziert. Aus zwei Kilometer Höhe sah alles viel kleiner, spielzeugniedlich aus. Vor Jahren hatte das Wesen mir — schon wieder mir! — Unterstützung zugesagt, alles in allem hatte ich sie überreichlich erhalten.

„Da?“ rief plötzlich Daleta erfreut, „seht ihr dort diesen Rumpf?“

Alefth ging vorsichtig tiefer. Über die Länge von gut zweihundert Metern erstreckte sich halbfertig eine bizarre, nach links und rechts weit ausladende Konstruktion. Die blasenförmigen Wasserstoffbehälter bewiesen mir: ein winziges, seltsam geformtes Schiff.

„Das war die letzte Chance, die letzte grandiose Anstrengung des Wesens, ein Mikroschiff, das uns acht, eingefroren, zu einem anderen System transportieren sollte — auf der Suche nach seinem Ebenbild.“ Dreimal umkreisten wir den gewaltigen Torso. Nutzlast: keine tausend Tonnen. Die niemals vollendete Miniaturausgabe unseres Schiffs. Aber weshalb niemals vollendet? War es nicht günstig, an einem Pilotprojekt zu üben? Ob wir wirklich die Antriebstechnologie beherrschten? Das Schiff nicht beim ersten Anlaufen der Triebwerke verglühen würde?

Wir diskutierten auf dem Rückflug so erregt miteinander, daß ich heiser war, als wir das Schiff erreichten. An diesem Tag verdrängten wir mit unserem ausführlichen Bericht, bereichert von vielen Aufzeichnungen, alle anderen Beiträge aus AN ALLE. Schon in den nächsten Stunden trafen die ersten Stellungnahmen und Vorschläge ein. Wir hatten uns in der Zentrale versammelt, um mit den Geschwistern gemeinsam beraten zu können.

Aus City und Oasis kamen Hilfsangebote für die künftige Siedlung am Meer. Nrada und Dasza tanzten zwischen den Formsesseln. Und Daleta? So ein glückliches Lächeln und solchen Glanz in den Augen hatte das Superwesen ihr nicht geben können. Es war ein Fest.

Für mich aber war Teths Vorschlag der Höhepunkt dieses aufregendes Tages. „Weshalb schicken wir das Schiffsbaby nicht zur Erde? Falls es dort jemanden gibt, den es interessiert, könnten wir schon in fünfhundert Jahren Antwort haben.“

Wenn die Kuppeln fallen

Der Himmel über Oasis war trüb und verschleiert. Ich saß in einem bequemen Korbstuhl, beste Handarbeit, vor Szinas und Szadeths Haus. Sie hatten uns zu einem „historischen“ Ereignis eingeladen. Ich lehnte mich zurück, kippte den Stuhl ein wenig nach hinten und blickte nach oben. Unter mehr als fünf Jahren mit vielen Sandstürmen und unzähligen Regengüssen hatte die ehemals durchsichtige Plastkuppel sehr gelitten, sie war blind und stumpf geworden. Kein feiner Regenbogenschimmer blitzte mehr auf ihr im Sonnenlicht.

Es tat mir wohl, wieder einmal auf Andymon zu sein und die Füße von mir strecken zu können. Für die wenigen Tage, die wir uns in City und Oasis umschauen und erholen wollten, befand sich das Schiff bei der elften Gruppe in besten Händen.

„Ihr könnt froh sein“, sagte Gamma zu unseren Gastgebern, mit denen uns eine immer engere Freundschaft verband, „daß das Klima sich gebessert hat. Wenn noch die heißen, staubigen Winde blasen würden, müßtet ihr unter einem grauen erblindeten Himmel leben.“

Sie griff nach meiner Hand. „Übertreib nicht, Beth, sonst kippst du wieder um.“

„Hat auch genug Arbeit gekostet“, meinte Szadeth und zeigte seine kräftigen Zähne, „wir haben Felsen gesprengt, zwei künstliche Seen angelegt, Dutzende Quadratkilometer Wald angepflanzt, nur damit es hier nicht mehr so heiß und trocken ist.“

Als Hausherr nahm er mit einem gewöhnlichen Plaststuhl vorlieb.

„Ich glaube nicht, daß die Luft draußen unseren Kindern schaden kann“, sagte Szina halblaut.

Wir schauten zwischen den Bäumen zur Linken hindurch. Am Teich von Oasis tollten der vierjährige Prith und seine inzwischen anderthalbjährige Schwester Secca mit Gleichaltrigen. Acht Kinder von fünf Elternpaaren, die von diesen gemeinsam — als Gruppe -erzogen wurden. Ausnahmsweise spielten sie heute unter alleiniger Aufsicht eines Guros. An gewöhnlichen Tagen beschäftigte sich ein Elternpaar mit ihnen. Die vier, die nicht an der Reihe waren, konnten ihrer anderen Arbeit nachgehen. In regelmäßigen Abständen diskutierten alle gemeinsam die Fortschritte und Probleme ihres Nachwuchses.

Ich kippelte, mein Blick schweifte dabei vom trüben Apex der über Oasis gestülpten Hülle hinab auf die mittlerweile fünf Meter hohen Pappeln, die ein- und zweigeschossigen Häuser, die sich jenseits der Kuppel als undeutliche Schemen fortsetzten. Weit über uns riß die Wolkendecke auf, die Sonne Andymons ließ die Kuppel milchig aufleuchten, sie selbst war als ein gleißender Fleck zu sehen.

„Es wird wirklich Zeit“, sagte ich zu Szadeth. Und wie auf Befehl warfen, riesigen Fliegen gleichend, vier Kopter ihre Schattenflecke auf die Kuppel.

Musik wehte zu uns herüber, zierlich-spitze Flötentöne, dagegen dumpf, fast nur zu erahnen, ein Baß. Wir schwiegen, um besser hören zu können. Es war nicht gerade eine Musik, die mich begeisterte, entzückte oder angenehm einlullte. Vielleicht habe ich im Totaloskop zuviel klassische europäische und lateinamerikanische Musik gehört, zuwenig andere. Etas Kompositionen klingen in meinen Ohren sämtlich fremdartig dissonant, bizarr, manchmal fast kalt. Vielleicht kann man Andymon so empfinden, vielleicht muß man dieses Empfinden so in Töne fassen. Einige meiner Geschwister lassen sich von Etas Musik hinreißen. Genau das sei Andymon, sagen sie.

Das Geräusch der Kopter schwoll an, einzelne Flötentöne drangen noch an mein Ohr. Ich beobachtete, wie vier Trossen, dunkle Fäden aus meiner Perspektive, am Scheitelpunkt befestigt wurden.