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„Prith, Secca, kommt her!“ rief Szina. Nackt und über und über sandverkrustet, tauchten sie auf unserer Terrasse auf.

„Was gibt’s denn, Szina?“ fragte Prith ungehalten. „Ich muß dringend spielen.“

Gamma lachte über seine Ernsthaftigkeit, und Szina begann ihren Kindern die Größe des Augenblicks zu erklären. Ihr Tonfall war der eines weiblichen Guros, ich mußte schmunzeln.

„Man merkt sofort“, flüsterte mir Gamma ins Ohr, „daß sie nicht nur die Lehrprogramme aus dem Schiff verwenden, sondern sich bemühen, in der Ausführlichkeit und Genauigkeit der Beschreibungen ihren Roboter-Vorbildern möglichst nahezukommen.“

Die Kuppel riß auf. Sie wurde wie eine Apfelsine geöffnet. Der winzige blaue Punkt, an dem sich vier Risse trafen, verbreiterte sich zu einem quadratischen Fenster zum nur noch von einzelnen Wolken verdeckten blauen Himmel. Wir schauten empor. Und Prith verlangte Erklärung auf Erklärung.

Ich setzte mich gerade hin. „Wißt ihr“, sagte ich, „jetzt häutet sich Oasis, um zu wachsen. Vielleicht bildet euer kleines Dörfchen den Kristallisationskern für eine riesige Stadt, die Jahrhundert um Jahrhundert ins Land wuchern wird, die größte womöglich auf Andymon, denn schon jetzt habt ihr weit mehr Einwohner als City. Stellt sie euch vor in tausend Jahren… Wie ihre Häuser, bunt und bizarr wie Orchideen, sich in den Himmel recken, Pylonen, verkleidet mit hängenden Gärten, gläserne Brücken über schwindelerregenden Abgründen, Canons aus Stahl und Stein. Diese Lichterpracht in der Nacht. Dieses Leben zu jeder Stunde. Millionen Menschen voller Ideen und Ambitionen. Welche Vielfalt der Kulturen, der Lebensweisen, welche Verfeinerung der Sitten…“

Szadeth lachte, daß ich mich unterbrach. „Beth, Beth, welche Stadtutopien erträumst du. Wer weiß, wie Andymon in tausend Jahren aussieht… Ich ziehe es vor, in unserer Zeit zu leben. Ich liebe das freie Land, das ungezwungene, wenn auch manchmal harte Leben als Pionier, als Siedler. Mir gefällt es, zu den ersten zu gehören, den Grundstein zu legen für die kommende Zivilisation, mit meinen Freunden die unwirtliche Natur zu bezwingen. Jetzt und hier gelte ich als einzelner, meine Kraft ist wichtig, und das Ergebnis meiner Anstrengungen kann jeder sehen, kommt jedem zugute. Ich bin froh, nicht in deiner zukünftigen Millionenstadt zu leben. Und sei sie noch so großartig, bunt, überwältigend, sie ist nichts für mich.“

Die Risse hatten nun den Boden erreicht, vorsichtig stiegen die Kopter in die Höhe, bis die vier Plastbahnen fast senkrecht in der Luft standen. Dann begannen sie sich zu senken. Wenn jetzt eine der Trossen risse, würden Tonnen von Plast aus zweihundert Meter Höhe in die Tiefe stürzen, zerschmettern, was sie trafen — am dichtest-besiedelten Punkt Andymons. Doch das war nicht zu befürchten. Meine Geschwister waren vorsichtig.

Langsam legten sich die Bahnen Falte um Falte auf den Platz, der dafür geräumt worden war. Man hätte sie auch einfach abtransportieren, in eine Gebirgsschlucht oder ins Meer werfen können. Material, das der Erosion Jahrhunderte trotzen würde, einfach in die Gebend zu werfen widerstrebte uns jedoch. Zerkleinert und umgeschmolzen würden wir es erneut verwenden können.

Meine Gedanken kehrten zu unserem Gespräch zurück. Ich machte mich zum Fürsprecher künftigen Großstadtlebens. „Ich glaub dir ja, Szadeth, daß du lieber heute als in der Zukunft lebst. Aber sie hat ihre Vorteile. Denke an die kulturelle Vielfalt, die erst durch das Leben in einer großen Gemeinschaft möglich wird. Etas Weg werden viele betreten, mit den verschiedensten Stilarten. Die Kultur der Erde bietet in Hülle und Fülle anregende Traditionslinien, an die die zukünftigen Andymonen nach ihrem eigenen Geschmack anknüpfen können.

Unsere Nachfahren werden sich über Probleme unterhalten, die wir nicht ahnen und vielleicht nicht einmal nachempfinden können. Was wissen wir schon? Ein wenig über die Natur, über Technik, am wenigsten darüber, wie man eine Gesellschaft entwirft, ganz zu schweigen davon, wie unsere eigene Psyche funktioniert. Sie werden Andymon bis in den letzten Winkel durchstöbern, mehr über den Kosmos wissen, als selbst das Wesen von Gedon wußte. Sie werden — so hoffe ich — ihre Zivilisation so gestalten, daß jeder einzelne alle seine Fähigkeiten entwickelt, sie werden genug Muße haben, um ihr Innerstes zu erkennen. Gegen sie werden wir bornierte Barbaren sein, die nur ein Ziel kennen und ein einseitiges und nach ihren Begriffen armes Leben führen.“

Gamma schaute mich mit ihren großen dunklen Augen an, meine Worte versickerten. „Was hast du?“ fragte ich.

Sie lachte und strich mir über das Haar.

„Ich weiß“, sagte ich, „jedes Leben hat seinen Reichtum, man muß ihn nur erkennen und sich seiner erfreuen.“

„Vielleicht“, setzte Gamma meinen Gedanken leicht ironisierend fort, „vielleicht sehnen sie sich später einmal zurück in unsere heroischen Zeiten, wünschen sich, wie wir unberührtes Land umzugestalten. Sehen uns als die Riesen der Anfangszeit, Spaten in der einen Hand, den Setzling in der anderen. Wahrscheinlich wird es Filme geben über uns, Theaterstücke mit den Personen Beth und Szadeth, die uns nur in Hautfarbe und Gestalt ähneln. Und wenn sie sich plötzlich in unserer Zeit befänden, sie wären unfähig, hier zu leben, würden sich schnell in ihre bequeme, hochzivilisierte Welt zurückwünschen.“

Die Kopter schwebten wenige Meter über dem Boden, Staub wirbelte auf, die dreieckigen Zipfel senkten sich herab, legten sich auf die gefalteten Bahnen. Die Kopter klinkten die Trossen aus und landeten auf dem nahe gelegenen Flugfeld.

Wie wenig wissen wir, was kommen wird, dachte ich, als ich über das urbare Land zu den fernen Gebirgszügen schaute. Kilometerweit grünte es. Ein Windstoß wehte von den Bergen am Horizont herüber, trug frische, natürliche Andymonluft über Oasis.

„Mir gefällt mein Leben“, kommentierte Szina unsere Diskussion.

„Erzählst du uns wieder mal so ein schönes Märchen wie das von den Ameisen mit den vielen Füßen?“ fragte mich Prith. Zufrieden nahm er meine bejahende Antwort entgegen. Dann verabschiedete er sich formvollendet: „Tschüs, Gamma, tschüs, Beth, ich muß jetzt wieder spielen.“

Szadeth lächelte sichtlich stolz, als seine Kinder lärmend in der nächsten Baumgruppe verschwanden.

Die alte Schale war aufgebrochen. Unser Utopia wuchs.

Berührung des Bodens

Ohne Bedenken hatten wir uns auf unsere Technik verlassen, immer. Sie hatte ihre Funktionstüchtigkeit selbst überprüft und sich selbst repariert. Im Schiff. Aber Banalitäten, jahrelang als gegeben hingenommen, können ihre Selbstverständlichkeit über Nacht verlieren.

In der kurzen Zeit, die Gamma und ich auf dem Planeten zu verbringen gedachten, wurden wir mit Einladungen überschüttet. Auch zum „Kastell“, wie Myth die Siedlung am Meer wegen ihres kompakten Charakters getauft hatte. Im Gegensatz zu Oasis und City wohnten dort die Geschwister nicht in separaten Häusern, sondern in einem ursprünglich quadratischen Komplex, der sämtliche Einrichtungen beherbergte.

Laath und Bhriga wollten uns ihre Fortschritte bei der Belebung der weniger salzhaltigen Gewässer und natürlich ihr Kastell zeigen.

Die Hangars von City standen leer, aber etwas abseits entdeckten wir auf dem Flugfeld einen Kopter. Wir stiegen ein, ich überprüfte den Wasserstoffvorrat und startete. Bald flogen wir hoch über dem Boden.

Das Land unter uns war eine Freude für das Auge. Um City und vor allem um Oasis erstreckten sich weite sattgrüne Flächen, dunkler die Forste, heller die Wiesen, auf denen verschiedene Arten Huftiere weideten, gelbgrüne Rechtecke die Felder. Doch selbst das nicht bebaute Land grünte Dutzende Kilometer im Umkreis. Der Samen schlug Wurzel, wo der Wind ihn hintrug. Völlig kahl ragten nur vereinzelte Felsen heraus. Zwischen Oasis und der Küste wurde das Grün dünner, streckenweise fadenscheinig, doch fehlte es nie völlig.