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»Es wäre mehr als töricht, wenn du dich beklagen würdest, kleines Mauleselchen«, sagte ihr Vater lächelnd. »Hör mir nur einen Augenblick geduldig zu. Graf Joffrey de Peyrac ist ein Abkomme der alten Grafen von Toulouse, deren Ahnen man weiter zurückverfolgen kann als die unseres Königs Ludwig XIV. Außerdem ist er der wohlhabendste und einflußreichste Mann des Languedoc.«

»Das mag schon sein, Vater, aber schließlich kann ich nicht einfach mir nichts, dir nichts einen Mann heiraten, den ich nicht kenne, den Ihr selbst nie gesehen habt.«

»Weshalb nicht?« verwunderte sich der Baron. »Alle jungen Mädchen von Stand heiraten auf diese Weise. Nicht ihnen und nicht dem Zufall bleibt es überlassen, über Verbindungen zu bestimmen, die für ihre Familien günstig sind, und über eine Versorgung, bei der nicht nur ihre Zukunft auf dem Spiel steht, sondern auch ihr Name.«

»Ist er ... ist er jung?« fragte das Mädchen zögernd.

»Jung? Jung?« brummte der Baron ärgerlich. »Das ist mir eine recht törichte Frage für einen Menschen mit praktischem Sinn. Nun ja, dein zukünftiger Gatte ist zwölf Jahre älter als du, aber dreißig ist bei einem Mann das Alter der Kraft und der Verführung. Der Himmel kann dir zahlreiche Kinder schenken. Du wirst ein Palais in Toulouse haben, Schlösser in Albi und Béarn, Equipagen, Kleider .«

Monsieur de Sancé hielt inne, da er mit seiner Phantasie am Ende war.

»Ich für mein Teil meine«, schloß er, »daß die Werbung eines Mannes, der dich seinerseits nie gesehen hat, einen unverhofften, ungewöhnlichen Glücksfall darstellt .«

Sie schwiegen eine Weile.

»Eben das ist es«, murmelte Angélique. »Ich finde diesen Glücksfall allzu ungewöhnlich. Weshalb sucht sich dieser Graf, der alles Nötige besitzt, um eine reiche Erbin zur Frau wählen zu können, ausgerechnet im hintersten Poitou ein Mädchen ohne Mitgift aus?«

»Ohne Mitgift?« wiederholte Armand de Sancé, dessen Gesicht sich aufhellte. »Komm mit mir heim ins Schloß, Angélique, und zieh dich um. Wir werden unsere Pferde nehmen. Ich will dir etwas zeigen.«

Auf Geheiß des Barons sattelte ein Stallknecht im Hof eilig die beiden Pferde. Obwohl das vorausgegangene Gespräch sie beschäftigte, stellte Angélique keine weiteren Fragen. Während sie sich im Sattel zurechtsetzte, sagte sie sich, daß es ja ihre Bestimmung sei, zu heiraten, und daß tatsächlich die meisten ihrer Gefährtinnen sich auf diese Weise mit Bewerbern verheirateten, die ihnen ihre Eltern präsentierten.

Warum widerstrebte ihr eigentlich dieses Projekt so sehr? Der Mann, den man ihr bestimmte, war kein Greis. Sie würde reich sein ...

Angélique verspürte plötzlich eine wohlige körperliche Empfindung, ohne sich gleich deren Ursprungs bewußt zu sein. Die Hand des Reitknechts, die ihr behilflich gewesen war, sich wie eine Amazone auf das Tier zu setzen, glitt jetzt über ihren Fußknöchel und streichelte sie leise, mit einer Bewegung, die der gutwilligste Mensch der Welt nicht als ungewollt hätte bezeichnen können.

Der Baron war im Schloß verschwunden, um das Schuhwerk zu wechseln und einen sauberen Spitzenkragen umzulegen, so daß sie mit dem Knecht allein war.

Sie zuckte zusammen, und das Pferd tat einige erschreckte Schritte.

»Was kommt dich an, Bauernlümmel?«

Sie errötete und ärgerte sich über sich selbst, denn sie mußte sich eingestehen, daß ein köstlicher Schauer sie unter dieser kurzen Liebkosung durchbebt hatte. Der Knecht, ein Herkules mit breiten Schultern, hob den Kopf. Braune Locken fielen über seine dunklen Augen, die in vertrauter Schelmerei glänzten.

»Nicolas!« rief Angélique aus, während das Vergnügen, ihn wiederzusehen, und die Verlegenheit über die Vertraulichkeit, die er sich erlaubt hatte, in ihr miteinander stritten.

»Aha, du hast Nicolas erkannt«, sagte Baron de Sancé, der mit großen Schritten herankam. »Das ist der schlimmste Teufel in der ganzen Umgegend, und niemand wird mit ihm fertig. Weder die Feldarbeit noch die Maultiere interessieren ihn. Ein Faulpelz und ein Schürzenjäger, da hast du deinen einstigen Kameraden, Angélique.«

Der junge Mann schien sich angesichts solcher Würdigung nicht zu schämen. Er schaute Angélique unverwandt mit einem Lächeln, das seine weißen Zähne entblößte, und einer fast herausfordernden Kühnheit an.

»He, Bursche! Hol ein Maultier und folge uns«, sagte der Baron, der nichts merkte.

»Jawohl, Herr.«

Die drei Reittiere trotteten über die Zugbrücke und schlugen den Weg links von Monteloup ein.

»Wohin reiten wir, Vater?«

»Nach der alten Bleigrube.«

»Den eingestürzten Schächten in der Nähe der Abtei von Nieul .?«

»Eben denen.«

»Ich verstehe nicht, wieso dieses Fleckchen unfruchtbaren Landes .«

»Dieses Fleckchen Landes, das nicht mehr unfruchtbar ist und jetzt >Silbermine< heißt, stellt, kurz gesagt, deine Mitgift dar. Du erinnerst dich, daß Molines mich aufgefordert hatte, die Erneuerung des Ausbeutungsrechts meiner Familie wie auch die Steuerbefreiung für ein Viertel der Produktion zu beantragen. Nachdem dies erreicht war, ließ er sächsische Facharbeiter kommen. Da ich sah, welche Bedeutung er diesem bis dahin vernachlässigten Grunde beimaß, sagte ich ihm eines Tages, daß ich ihn dir als Mitgift geben würde. Ich glaube, damals ist in seinem fruchtbaren Kopf der Gedanke an eine Heirat mit dem Grafen Peyrac aufgekeimt, denn tatsächlich möchte dieser Edelmann das Gebiet erwerben. Ich habe die Art der Transaktion nicht recht verstanden, die er mit Molines abgesprochen hat; ich glaube, er ist mehr oder weniger der Mittelsmann für die Maultiere und Metalle, die wir auf dem Seeweg nach Spanien schik-ken. Das beweist, daß es viel mehr Edelleute gibt, als man glaubt, die sich für den Handel interessieren. Ich würde freilich meinen, Graf Peyrac habe es angesichts seines ausgedehnten Grundbesitzes nicht nötig, sich mit solch bürgerlichen Geschäften abzugeben. Aber vielleicht tut er es zu seiner Zerstreuung. Er soll ein Original sein.«

»Wenn ich recht begriffen habe«, sagte Angélique ruhig, »wußtet Ihr, daß man diese Mine haben wollte, und gabt zu verstehen, daß man die Tochter dazunehmen müsse.«

»Wie bizarr du die Dinge immer darstellst, Angélique! Ich finde, die Lösung, dir die Mine als Mitgift zu geben, war ausgezeichnet. Meine Töchter gut untergebracht zu sehen war mein und auch deiner armen Mutter vordringlichster Wunsch. Nun, bei uns verkauft man sein Land nicht; trotz aller bösen Schwierigkeiten ist es uns geglückt, unser elterliches Erbgut unangetastet zu erhalten. Und meine Tochter nicht nur standesgemäß, sondern auch reich zu verheiraten, das ist es, wonach ich trachte. Das Land bleibt in der Familie. Es geht nicht an einen Fremden, sondern an einen neuen Zweig, an eine neue Verbindung.«

Angélique ritt eine halbe Pferdelänge hinter ihrem Vater; so konnte er den Ausdruck ihres Gesichts nicht sehen. Die kleinen, weißen Zähne des Mädchens bissen in ohnmächtigem Zorn auf die Lippen. Sie konnte um so weniger ihrem Vater erklären, wie demütigend ihr die näheren Umstände dieser Werbung vorkamen, als dieser davon überzeugt war, aufs geschickteste für das Glück seiner Tochter gesorgt zu haben. Dennoch gab sie den Kampf nicht auf.

»Wenn ich mich recht erinnere, hattet Ihr die Grube für zehn Jahre an Molines verpachtet. Es bleiben also noch ungefähr vier Pachtjahre. Wie kann man ein Gelände, das verpachtet ist, als Mitgift geben?«

»Molines ist nicht nur einverstanden, sondern wird auch weiterhin für die Rechnung des Grafen Peyrac ausbeuten. Im übrigen hat die Arbeit bereits vor drei Jahren begonnen, wie du sehen wirst. Da sind wir!«

Vater und Tochter stiegen ab, und Nicolas trat herzu, um die Zügel der Pferde zu halten.

Der Ort, der einstens einen so trostlosen Anblick geboten hatte, war von Grund aus verändert. Ein Kanalsystem führte Wasser zu, das mehrere Steinmühlen antrieb. Stößer zermalmten Steine unter dumpfem Getöse, während dicke Felsbrocken mit dem Päuschel zerkleinert wurden.