»Wie schön du bist! Ach, wie schön du bist, mein Schätzchen!« seufzte sie mit verzückter Miene. »Deine Brust ist so fest, daß sie all dieser Verschnürungen gar nicht bedarf.«
»Bin ich nicht zu tief dekolletiert, Nounou?«
»Eine große Dame soll ihre Brüste zeigen. Nein, wie schön du bist - und für wen, großer Gott?« seufzte sie mit erstickter Stimme.
Angélique sah, daß über das Gesicht der alten Frau Tränen rannen.
»Weine nicht, Nounou«, sagte sie, »du nimmst mir ja allen Mut!«
»Ach, du wirst ihn brauchen, mein Kind ... Neig den Kopf, damit ich deine Halskette festmache. Was die Haarperlen angeht, so überlasse ich Margot das Feld. Ich verstehe mich nicht auf diese Schlangengebilde!«
Sie ließ sich auf die Knie nieder, um auf dem Boden die Schleppe zu ordnen, und Angélique hörte sie schluchzen.
»Vergib mir, daß ich dich nicht zu bewahren vermocht habe, mein Kind, ich, die ich dich mit meiner Milch genährt habe. Aber seitdem ich von jenem Manne reden höre, kann ich kein Auge mehr zutun.«
»Was sagt man von ihm?«
Die Amme richtete sich auf; wieder einmal bekam sie ihren starren, prophetischen Blick.
»Voller Gold! Voller lauteren Goldes ist sein Schloß ...«
»Es ist doch keine Sünde, Gold zu besitzen, Amme. Schau dir all die Geschenke an, die er mir gemacht hat. Ich bin ganz beglückt.«
»Laß dich nicht täuschen, Kind. Auf diesem Gold liegt ein Fluch. Er macht es mit seinen Retorten und Zaubersprüchen. Einer von den Pagen, der, der so gut Tamburin spielt, Henrico, hat mir gesagt, daß es in seinem Palast in Toulouse eine ganze Zimmerflucht gibt, die niemand betreten darf. Derjenige, der den Zugang bewacht, ist ein vollkommen schwarzer Mann, so schwarz wie der Grund meiner Kochkessel. Eines Tages, als der Wächter sich entfernt hatte, hat Henrico durch eine Türspalte einen großen Saal voller Glaskugeln, Retorten und Röhren gesehen. Und das pfiff und brodelte! Und plötzlich gab es eine Flamme und ein donnerähnliches Geräusch. Henrico ist davongelaufen.«
»Dieser Bursche hat eine blühende Phantasie wie alle Leute aus dem Süden.«
»Ach, es lag ein Ton von Aufrichtigkeit und Entsetzen in seiner Stimme, der einen nicht täuscht. Dieser Graf Peyrac ist ein Mann, der Macht und Reichtum vom Teufel erworben hat. Und auch die Frauen lockt er durch seltsame Zauberkünste an«, flüsterte die Amme weiter. »In seinem Palais finden Orgien statt. Der Erzbischof von Toulouse soll ihn von der Kanzel herab bloßgestellt und verdammt haben. Und der gottlose Diener, der mir die Geschichte gestern in meiner Küche unter unbändigem Gelächter erzählte, hat gesagt, auf die Predigt hin habe Graf Peyrac seinen Leuten befohlen, die Pagen und Sänftenträger des Erzbischofs zu verprügeln, und es sei bis in die Kathedrale hinein zu Schlägereien gekommen. Glaubst du, so etwas wäre bei uns möglich? Und all das Gold, das er besitzt - woher bekommt er es? Seine Eltern haben ihm nichts als Schulden und überbelasteten Grundbesitz hinterlassen. Er ist ein Edelmann, der weder beim König noch bei den Großen seine Aufwartung macht. Man erzählt, der Graf habe, als Monsieur d’Orléans, der Statthalter des Languedoc, nach Toulouse gekommen sei, sich geweigert, das Knie vor ihm zu beugen, unter dem Vorwand, es strenge ihn zu sehr an, und als Monsieur ihn ganz gelassen darauf aufmerksam machte, daß er an höchster Stelle große Vorteile für ihn erwirken könne, soll Graf Peyrac geantwortet haben .«
Die alte Fantine hielt inne und heftete hier und dort einige Nadeln an den gleichwohl gutsitzenden Rock.
»Was soll er geantwortet haben?«
»Daß ... daß, wenn jener auch einen langen Arm habe, er selber dadurch kein längeres Bein bekäme. Das ist eine Unverfrorenheit!«
»Es stimmt also, was man sich erzählt, daß er hinkt?« fragte sie, um einen gleichgültigen Ton bemüht.
»Es stimmt leider Gottes, mein Herzchen. Ach, und du bist so schön!«
»Schweig, Amme. Ich habe genug von deinem Geseufze. Ruf Margot, damit sie mich frisiert, und hör mir mit diesen Geschichten über den Grafen Peyrac auf. Vergiß nicht, daß er von nun an mein Gatte ist.«
Als es dunkel geworden war, hatte man im Hof Fackeln angezündet. Die auf der Freitreppe installierten Musiker bildeten ein kleines, aus zwei Viellen, einer Laute, einer Flöte und einer Hoboe bestehendes Orchester, das gedämpft die lärmenden Unterhaltungen begleitete. Angélique verlangte plötzlich, man möge den Dorfmusikanten holen, der sonst den Bauern auf der großen Wiese zu Füßen des Schlosses zum Tanz aufspielte. Ihr Ohr war an diese andere, ein wenig gezierte, für den Hof und die Feste der Adligen geschaffene Musik nicht gewöhnt. Ein letztes Mal wollte sie die sanften Dudelsackweisen und den kecken Klang der Schalmei hören, den das dumpfe Stampfen der bäuerlichen Holzschuhe skandierte.
Der Himmel war mit Sternen geschmückt, aber von einem leichten Dunst überzogen, der einen goldenen Hof um den Mond legte. Die Schüsseln und die guten Weine zogen unaufhörlich vorbei. Ein Korb mit runden, noch warmen Semmeln wurde vor Angélique gestellt und blieb dort stehen, bis die junge Frau den Blick zu dem erhob, der ihn ihr darreichte. Sie sah einen großen Mann, der mit einem jener weiten, hellgrauen Gewänder bekleidet war, wie sie die Müller tragen. Da ihn das Mehl wenig kostete,
waren seine Haare ebenso reichlich gepudert wie die der Schloßherrn.
»Hier ist Valentin, der Sohn des Müllers, der der Braut sein Angebinde überbringen möchte«, rief Baron Armand aus.
»Valentin«, lächelte Angélique, »ich habe dich seit meiner Rückkehr noch nicht gesehen. Fährst du immer noch mit deinem Kahn durch die Kanäle, um für die Mönche von Nieul Angelika zu pflücken?«
Der junge Mann verbeugte sich sehr tief, ohne zu antworten. Er wartete, bis sie sich bedient hatte, dann nahm er seinen Korb und bot ihn reihum an. Er verlor sich in der Menge und in der Nacht.
»Wenn all diese Leute schweigen würden, könnte ich zu dieser Stunde die Unken im Moor hören«, dachte Angélique. »Wenn ich nach Jahren wiederkommen werde, höre ich sie vielleicht nicht mehr, denn dann wird das Moor trockengelegt sein.«
»Ihr müßt unbedingt von diesem hier kosten«, sagte an ihrem Ohr die Stimme des Marquis d’Andijos.
Er bot ihr ein Gericht von wenig einladendem Aussehen an, dessen Geruch jedoch köstlich war.
»Es ist ein Ragout aus grünen Trüffeln, Madame, die ganz frisch aus dem Périgord gekommen sind. Ihr müßt wissen, daß die Trüffel magische Kräfte besitzt. Es gibt kein begehrteres Gericht, um den Körper einer jungen Braut auf den Empfang der Huldigungen ihres Gatten vorzubereiten. Die Trüffel macht das Herz warm, das Blut feurig und die Haut für Liebkosungen empfindlich.«
»Nun, ich sehe keinen Anlaß, heute abend davon zu essen«, sagte Angélique kühl, indem sie die silberne Schüssel wegschob, »da ich meinem Gatten erst in einigen Wochen begegnen werde .«
»Aber Ihr müßt Euch darauf vorbereiten, Madame. Glaubt mir, die Trüffel ist die beste Freundin der Ehe. Bei solch auserlesener Kost werdet Ihr am Abend Eurer Hochzeit die Zärtlichkeit selbst sein.«
»In unserer Gegend«, sagte Angélique, während sie ihm mit einem feinen Lächeln ins Gesicht blickte, »stopft man die Gänse vor Weihnachten mit Fenchel, damit ihr Fleisch in der Nacht, da man sie gebraten verspeist, schmackhafter ist!«
Der angetrunkene Marquis brach in Lachen aus.
»Ach, wie gern wäre ich derjenige, der diese kleine Gans knabbert, die Ihr seid«, erklärte er, während er so nahe heranrückte, daß sein Schnurrbart ihre Wange berührte. »Gott soll mich verdammen«, fügte er hinzu, indem er sich, die Hand auf dem Herzen, aufrichtete, »wenn ich mich zu weiteren unschicklichen Worten hinreißen lasse. Ach, ich bin ja nicht allein schuldig, denn man hat mich getäuscht! Als mein Freund Joffrey de Peyrac mich bat, bei Euch die Rolle des Ehemanns zu spielen und die Formalitäten zu erledigen, ohne zugleich die entsprechenden reizvollen Rechte zu haben, da ließ ich ihn schwören, daß Ihr bucklig seid und schielt, aber ich sehe, daß es ihm wieder einmal gar nichts ausmacht, mich in schlimme Gewissenskonflikte zu stürzen. Ihr wollt wirklich nichts von diesen Trüffeln?«