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»Aus dem Staub machen?« wiederholte sie. »Warum?«

»Alle diese Hugenotten versuchten, ihr Vermögen zu retten, indem sie lieber bei den Feinden Frankreichs Zuflucht suchen, als sich dem König zu unterwerfen.«

»Ich habe niemals etwas davon gehört . Und warum sollte ich auf dieser Liste stehen? Ich brauche mich weder zu bekehren noch habe ich ein Vermögen zu retten.«

»Ihr könntet fürchten, in La Rochelle zu bleiben. Immerhin seid Ihr die Komplizin eines Mörders.«

»Oh, Monsieur!« rief Angélique in gespieltem Erschrecken aus. »Ich flehe Euch an, wiederholt diese Beschuldigung nicht. Ich schwöre Euch, daß sie falsch ist. Ich könnte Euch den Beweis dafür liefern.«

»Ihr wißt also etwas?«

»Ja, ja.«

Angélique verbarg ihr Gesicht in ihrem Taschentuch.

»Ich werde Euch die ganze Wahrheit gestehen, Monsieur.«

»Bravo!« schrie Baumier, dessen Züge ein triumphierendes Leuchten erhellte. »Sprecht, mein Kind. Ich höre.«

»Dieser . diese Männer, die Ihr mir an jenem 3. April, wie Ihr sagt, hinterhergeschickt habt ... ich ... ich muß gestehen, daß ich mich ihrer sehr gut erinnere.«

»Ich habe nicht daran gezweifelt.«

»Vor allem diesen Burschen im blauen Rock. Wie soll ich’s Euch erklären, Monsieur ... ich habe mich geschämt. Aber in Wirklichkeit ist mein Herr im Gegensatz zu dem, was Ihr Euch zusammengereimt habt, ein sehr strenger Mann, und das Leben in seinem Hause bietet wenig Zerstreuungen. Ich bin ein armes Mädchen, das für ihr Kind zu sorgen hat, und ich willigte ein, bei diesem Hugenotten zu dienen, weil er mir guten Lohn bot. Aber er ist nicht sehr nachsichtig. Man muß arbeiten, arbeiten und die Bibel lesen, das ist alles. Als mich jener liebenswürdige junge Mann in der Rue de la Perche ansprach, lauschte ich seinen Worten mit Vergnügen. Seid nicht böse, Monsieur.«

»Warum sollte ich böse sein?« knurrte Baumier. »Es beweist nur, daß er etwas von dem Metier, für das ich ihn bezahlte, verstand. Und dann?«

»Dann haben wir unseren Weg in angenehmster Unterhaltung fortgesetzt, und als wir an meinem Ziel, den Lagerhäusern Maître Bernes, ankamen, glaubte ich ihm zu verstehen gegeben zu haben ... daß ich ihn später gern wiedersehen würde ... unter intimeren Umständen. Ich erinnere mich, daß er mit seinem Kameraden sprach und dabei irgend etwas sagte wie: >Die alte Krabbe hat uns für diese Angelegenheit ganz hübsch die Taschen gefüllt .. .<«

»Die alte Krabbe?« unterbrach Baumier entrüstet.

»Ich weiß nicht, von wem er sprach, Monsieur. Das heißt, jetzt vermute ich fast, daß es vielleicht ... um Euch ging.«

»Fahrt fort!« zischte er wütend.

»Wenn es mir recht im Gedächtnis geblieben ist, sprachen sie darüber, daß sie Geld zu ihrer Verfügung hätten.«

Sie wagte sich sehr weit vor, denn das war ein Detail, von dem sie nichts wußte. Aber sie konnte immerhin vermuten, daß die gedrillten Verführer, die der Präsident der königlichen Kommission auf das Pflaster La Rochelles schickte, mit genügend Geldmitteln ausgerüstet sein mußten, um die Schönen zu blenden.

Ihre Schlußfolgerung traf ins Schwarze, denn er rührte keine Wimper. Angélique faßte Mut.

»Er fuhr fort: >Wenn wir’s schon mal mit einer Lustigen zu tun haben, die uns nicht mit der Hand im Gesicht herumfährt, sollten wir uns unsere Chance nicht durch die Finger gehen lassen. Wart auf mich in der Taverne von Saint-Nicolas und laß dir auf Rechnung des Alten ein Maß geben. Hinterher werden wir uns schon was austüfteln.<«

»Was wollte er damit sagen?« erkundigte sich Baumier, der vor unterdrückter Wut zu dampfen schien.

»Ich weiß nicht, Monsieur ... Ich gestehe Euch, daß ich anderes im Kopf hatte. Er war ein so liebenswürdiger Bursche. Man muß zugeben, daß Ihr Eure Leute gut auswählt. Er war sehr keck. Nicht, daß er mir mißfallen hätte. Mein Dasein bei diesen Hugenotten ist recht wenig unterhaltsam, wie ich Euch schon erklärte, und ich hatte seit langem nicht mehr von gewissen ... Vergnügungen gekostet. Die Gasse lag verlassen .«

Sie erschrak vor sich selbst, weil sie aus dem Stegreif eine so gemeine Geschichte erfand, aber viel wichtiger war, daß Baumier anzubeißen schien. Er beugte sich interessiert vor, und seine Teilnahme regte Angéliques Phantasie nur noch mehr an.

»Unser Pech war nur, daß mein Herr, Maître Berne, uns überraschte.

Er ist sehr aufbrausend und geriet bei unserem Anblick in großen Zorn. Außerdem ist er sehr stark, und mein neuer Freund war kaum in der Lage, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Deshalb hat er sich auch schleunigst davongemacht, was das Vernünftigste war, so, wie die Dinge lagen, nicht wahr?«

»Die Pest soll über diese Laffen kommen! Warum hatten sie sich getrennt? Wenn ich sie zu zweit losschicke, hat das schon seine Gründe.«

»Was mich betrifft, zerrte mich mein Herr in sein Büro, um mich auszuschelten. Er war sehr zornig, wie ich Euch sagte .«

»Eifersucht!«

»Vielleicht«, meinte Angélique mit einer koketten Bewegung. »Sicher ist jedenfalls, daß er mir den Stock zu kosten geben wollte, als Monsieur Grommaire dazwischenkam und mir die Strafe ersparte.«

Baumier rückte auf seinem Sessel unruhig hin und her. Es war offensichtlich, daß die neue Darstellung der Ereignisse seine Vorstellungen verwirrte.

»Ist das alles?«

»Nein, das ist noch nicht alles«, murmelte Angélique, indem sie von neuem den Kopf senkte.

»Was noch?«

»Dieser Bursche im blauen Rock . ich . ich habe ihn wiedergesehen.«

»Wo? Wann?«

»Am selben Abend. Wir hatten eben noch Zeit gehabt, uns ein Rendezvous an den Wällen zu geben. Und am Tag darauf auch .«

Sie tastete sich vorsichtig vorwärts. Würde der Versuch, die Wahrhaftigkeit ihres Berichts zu untermauern, womöglich das zerbrechliche Gebäude ihrer Lügen zum Einsturz bringen?

»Und dann hab’ ich ihn nicht mehr wiedergesehen. Ich nahm an, daß er die Stadt verließ ... Er hat so etwas angedeutet. Trotzdem war ich enttäuscht.«

Baumier bewegte in bitterer Ernüchterung die Schultern.

»Alle sind sie gleich! Man schindet sich, um ihnen einen Beruf beizubringen, man macht sie mit ihrer Aufgabe vertraut, man überträgt ihnen Missionen von größter Wichtigkeit, und sie kneifen bei der ersten Gelegenheit aus, um anderswo ihr Glück zu suchen. Immerhin, von Justin Médard hätte ich derlei nicht erwartet. Wem soll man noch trauen!«

Angélique ließ ihm nicht die Zeit, sich allzu sehr über das unerklärliche Verhalten des unglückseligen Justin Médard zu wundern, der seine Ergebenheit für eine gerechte Sache und seine unerschrockene berufliche Gewissenhaftigkeit mit der jähen Verwandlung in Krabbenfutter hatte bezahlen müssen. Sie flehte:

»Da ich Euch nun alles gestanden habe, Monsieur, werdet Ihr doch hoffentlich nicht allzu hart mit mir umgehen. Ich verspreche Euch, daß ich diese Hugenotten gleich morgen verlassen werde. Es schafft mir zuviel Verdruß, bei ihnen zu sein. Das Maß ist voll! Ich weiß zwar noch nicht, wohin ich gehen könnte, aber ich verspreche Euch, daß ich mit ihnen Schluß machen werde.«

»Keineswegs, meine Hübsche, Ihr werdet nicht mit ihnen Schluß machen«, protestierte er. »Im Gegenteil, Ihr müßt bei ihnen bleiben und mich über alles, was dort vor sich geht, auf dem laufenden halten. Habt Ihr etwas von der geplanten Flucht auf der Sainte-Marie gewußt? Ihr steht auch auf der Liste.«

»Wie sollte ich? Ich weiß nicht, um was es sich handelt, Monsieur. Wenn mein Herr den Plan gefaßt hätte, abzureisen, hätte er mir sicher etwas davon gesagt oder wenigstens doch gewisse Vorbereitungen getroffen.«

»Ihr habt nichts bemerkt?«

»Nein.«

Sie sah ihn so naiv wie nur möglich an. Baumiers Finger spielten mit der verräterischen Liste.

»Und dennoch scheinen meine Informationen zutreffend.«

»Wenn die, die sie Euch liefern, ihr Geld ebenso leicht verdienen wie Euer Justin Médard .«, kicherte Angélique.