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»Schaut dort hinüber! Was seht Ihr?« fragte sie atemlos.

Der Kaufmann, der Laurier an der Hand hielt, folgte mit dem Blick der Richtung, die sie ihm bezeichne-te, ohne sein schnelles Tempo zu verlangsamen.

»Ich sehe Staub, der von einer Gruppe von Reitern aufsteigt«, antwortete er.

Nach einem Augenblick intensiver Beobachtung

fügte er hinzu:

»Reiter in roten Uniformen. Sie kommen gerade auf uns zu.«

Der Matrose, der an der Spitze der Kolonne marschierte, hatte sie gleichfalls bemerkt. Zwei Kinder unter jeden Arm nehmend, begann er zu laufen. Dabei rief er den ihm Folgenden zu, sich in den Dünen zu verbergen.

Angélique kehrte zurück, um die Manigaults anzufeuern.

»Schnell, beeilt Euch! Laßt Euren Karren zurück! Die Dragoner sind hinter uns her.«

Nun liefen alle, durch den grundlosen Sand des Weges behindert. Die Röcke der Frauen verfingen sich an den Zweigen der Stechginsterbüsche. Schon begann man das dumpfe Getrappel der galoppierenden Pferde zu vernehmen.

»Schnell! Schnell! Laßt Euren Karren, um Himmels willen!«

Manigault riß seine Frau von der Deichsel los. Sie wehrte sich, suchte sie von neuem zu packen und kreischte wütend, als er sie rücksichtslos voranstieß.

Angélique hatte Jérémies Hand ergriffen, der zum Unterschied zu seinen Eltern flink wie eine Elfe war und, von der Angst vorwärtsgetrieben, mit der ganzen Kraft seiner kleinen Beine lief. Joseph stützte die erschöpfte Jenny.

»Ich kann nicht mehr«, stöhnte sie.

Als die Dragoner die Flüchtlinge entdeckten, stießen sie wilde Schreie aus. Man hatte ihnen gesagt, daß sie fliehende Hugenotten zu verfolgen hätten. Es war nur eine Vermutung gewesen, aber nun sahen sie sie vor sich, über die Heide verstreut, wie toll gewordene Hasen dem Meer zustürzend. Teufel, dieses Gezücht von Ketzern würde ihnen, den »gestiefelten Missionaren«, nicht entrinnen! Sie hatten schon andere aufgespießt, im Poitou und in den Cevennen.

Sie rissen die Säbel aus den Scheiden und setzten auf Befehl des Leutnants zum Angriff an.

Im Vorbeireiten stieß ein Säbel in den verlassenen Karren der Manigaults und warf ihn um. Die Stoffe entfalteten sich, die schönen Fayencen zerbrachen klirrend unter den Hufen der Pferde.

Angélique hörte sie herangaloppieren.

»Diesmal sind wir verloren«, sagte sie sich.

Der wahnwitzige Lauf erinnerte sie an jenen anderen mit Colin Paturel in den Mauern Ceutas. Jérémie stolperte, sie zog ihn am Arm mit sich fort, schließlich gelang es ihr, ihn wieder auf die Füße zu stellen. Dicht an ihrem Ohr stieß Honorine betäubende Schreie aus. Sie lachte, über die wilde Jagd entzückt ... Angélique erreichte die Dünen. Im Schutz der ersten Sandwelle warf sie sich nieder. Ein unsicherer Schutz!

Die Dragoner waren nur noch einige Pferdelängen entfernt. Unmittelbar vor sich hatten sie die beiden Manigaults und Joseph und Jenny, die die Nachhut bildeten.

Plötzlich, als sie bereits die mörderischen Klingen auf sie niedersausen zu sehen glaubte, vernahm Angélique den scharfen Knall mehrerer Musketenschüsse. Pulvergeruch stieg ihr beißend in die Nase. Rauchschwaden zogen über sie hinweg.

Von irgendwoher war die Stimme Nicolas Perrots zu vernehmen:

»Bleibt nicht da! Zieht Euch vorsichtig zum Rand der Klippe zurück! Man wird Euch helfen, auf den Strand zu gelangen!«

Eine Hand berührte sie an der Schulter. Es war der dunkelfarbige Matrose, der offenbar den Befehl erhalten hatte, bei ihr zu bleiben, was auch kommen mochte. Seltsamerweise wurde ihr nun klar, zu welcher Rasse er gehörte, während sie sich am Vortag vergeblich den Kopf darüber zerbrochen hatte.

»Natürlich, ein Malteser!«

Ein wenig zur augenblicklichen Lage passender Gedanke. Er machte ihr ein Zeichen, daß auch sie sich kriechend zurückziehen sollte.

Angélique hob leicht den Kopf über den unter dem Wind sich beugenden Strandhafer. Sie bemerkte inmitten des Rauchs die wiehernden Pferde und auf der Erde reglose rote Uniformen.

In ihrer Verfolgung durch das Musketenfeuer aufgehalten, waren die Dragoner hinter den kümmerlichen Dünen verschwunden und sammelten sich in einiger Entfernung von neuem.

Angéliques Herz füllte sich mit Jubel. Er hatte daran gedacht, daß man sie verfolgen könnte! Er hatte seine bewaffneten Piraten hinter jede Bodenwelle versteckt, um den Zugang zum Einschiffungsort zu verteidigen.

Langsam begann sie zurückzukriechen, die Kleinen ermunternd, ihr zu folgen ... Wenn sie sich umwandte, sah sie bereits die Mastspitzen des in der Bucht mit entfalteten Segeln wartenden Schiffes. Der zum Strand hinunterführende Pfad war nahe.

»Ihr seid nicht verletzt, Dame Angélique?«

Maître Berne glitt neben sie. Er hielt eine Pistole in der Hand.

»Warum seid Ihr zurückgeblieben?«

»Dieser Narren wegen«, antwortete sie mit einer verdrossenen Geste zu den Manigaults.

Diese krochen schwerfällig durch den weichen Sand heran.

»Ich bin verletzt! Ich bin verletzt!« stöhnte Madame Manigault.

Es mochte wahr sein. Sie stützte sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen ihren Gatten, der sie mit sich zog und dabei wie ein Korsar fluchte.

»Wo ist Laurier?« fragte Angélique.

»Die Matrosen sind schon dabei, die Kinder in die Schaluppe zu tragen.

Aber ich war Euretwegen unruhig. Ich bin wieder heraufgestiegen. Gott sei gelobt! Der Kapitän dieses Schiffes hat daran gedacht, uns Deckung zu geben! ... Er ist unten am Strand und leitet das Einschiffen.«

»Er ist da!« wiederholte Angélique. »Ist er nicht ein außerordentlicher Mensch?«

»Da habt Ihr recht! Ein Maskierter, soviel ich gesehen habe, Anführer einer Bande von Freibeutern!«

Wieder rollte eine Salve Musketenschüsse über die Dünen. Die zurückgewichenen Dragoner hatten einen neuen Angriff versucht, der wiederum im Feuer zusammenbrach.

Einzelne warfen sich jedoch von ihren Pferden und begannen gleichfalls, den Dünen zuzukriechen, um ihre Gegner im Kampf Mann gegen Mann zu überwältigen.

Die auf den Klippen verteilten Matrosen der Gouldsboro zogen sich nun zurück, um den Anschluß an die ihren nicht zu verlieren.

Solange sie auf dem Klippenrand blieben und die Einschiffung der protestantischen Flüchtlinge deckten, würde es den Dragonern schwerfallen, sich zu nähern. Sobald jedoch der letzte der Schützen auf dem Strand angelangt wäre, konnten die Soldaten des Königs sie von der Höhe der Felsen aus ungestört unter Feuer nehmen.

Schon holten sie zu einem Umgehungsmanöver aus, und die Klippen rings um die Bucht bevölkerten sich mit roten Uniformen. Glücklicherweise war die Mehrzahl der Dragoner nicht mit Musketen, sondern mit Pistolen und Säbeln bewaffnet. Auf einen Befehl des Leutnants versuchten zwei der Rasendsten, direkt auf den Strand hinunterzuspringen. Aber sie brachen sich beim Aufprall die Beine, und ihr Schmerzgeheul dämpfte den Kampfeseifer ihrer Kameraden so nachdrücklich, daß sie nicht weiter auf diesem taktischen Einfall bestanden.

Der einzig mögliche Zugang blieb weiterhin unter der Kontrolle der Mannschaft der Gouldsboro. Andere Matrosen ließen die Kinder und Frauen von Hand zu Hand gehen und stopften sie in die Schaluppe, die alsbald dem noch vor Anker liegenden Schiff zuruderte. Die Rahen waren mit Matrosen besetzt, die mit Tauen in den Händen bereit standen, die Segel völlig schießen zu lassen und für das Absegeln parat zu halten.

Langsam zogen sich Maître Gabriel und Angélique, die Honorine an der Hand hielt, zurück. Der Malteser hatte Jérémie übernommen. Ebenfalls kriechend und sich duckend, vollzogen die Musketenschützen des Piratenschiffs ihren Rückzug.

Die Stimme des Leutnants schallte herüber:

»Keine Angst, Dragoner! Sobald die Banditen unten sind, werden wir sie nach unserem Belieben abknallen können ... Ihr dort drüben, feuert auf die Schaluppe!«