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Montadour schäumte vor Wut und plante einen großen Schlag. Er folterte einen Protestanten, um aus ihm den Zufluchtsort der La Morinière herauszubekommen, und drang mit seinen entschlossensten Männern in den Wald.

Nach einigen Marschstunden hatten die Stille, die Düsternis, das dichte Laubwerk, der mächtige Wuchs der Stämme, die ein Geflecht knotiger Zweige auf sie herabsenkten und unter ihren Stiefeln ein Netz tükkischer Wurzeln spannten, ihren Mut zermürbt.

Das Gekrächz eines jäh erwachten Käuzchens vollendete ihre Niederlage.

»Ihr Signal, Kapitän. Sie stecken da zwischen den Bäumen. Sie werden uns auf den Hals kommen .«

In völliger Unordnung zogen sich die Dragoner zurück. Auf der Suche nach einer Lichtung, einem Stück freien Himmels, einem ausgetretenen Weg verstrickten sie sich im Unterholz, verirrten sich, und als sie in der Dämmerung endlich die Baumgrenze erreichten und bebaute Felder entdeckten, war ihre Erleichterung so groß, daß einige von ihnen auf die Knie fielen und der nächstbesten Kirche eine Kerze versprachen.

Wären sie ans Ziel ihrer Expedition gelangt, hätten sie unverrichteter Sache wieder umkehren müssen. Die hugenottischen Anführer waren gewarnt worden.

Montadour vermochte keinen Zusammenhang zwischen seinen Niederlagen und der neu erblühten Liebenswürdigkeit festzustellen, die seine Gefangene ihm bezeigte. Sie, die so hochmütig und gleichsam unsichtbar gewesen war, richtete jetzt das Wort an ihn, und er hatte es gewagt, sie an »seine« Tafel zu bitten. Es schien ihm, daß sie sich langweile und daß sein weithin bekannter Charme und die Galanterie, mit der er sie bisher umgeben hatte, endlich ihre Früchte trugen. Er verdoppelte seine Zuvorkommenheit. Große Damen wie sie nahm man nicht im Handumdrehen. Man mußte sich schon Mühe geben.

Er begann den Zauber einer lang sich hinziehenden Eroberung zu entdecken und fühlte sich zum Dichter werden. Wenn nur nicht diese verdammten Spitzköpfe von Calvinisten gewesen wären, die ihm immer wieder die Laune verdarben. Er schrieb an Monsieur de Marillac und forderte Verstärkung an. Es sei unmöglich, die Verantwortung für die Bewachung der Marquise du Plessis-Bellière zu tragen und gleichzeitig das Bekehrungswerk fortzuführen, das mit jedem Tag größeren Umfang annehme. Man schickte ihm ein weiteres Regiment, das in der Umgebung von Saint-Maixent stationiert werden sollte. Der Offizier, der es kommandierte, Monsieur de Ronce, benachrichtigte ihn durch Boten, daß er in den vorgesehenen Orten nicht habe Quartier nehmen können, weil bewaffnete Hugenotten ein die Straße und die Sève beherrschendes altes Schloß besetzt hielten. Sollte er das Schloß attackieren?

Montadour fluchte ausgiebig. War es zu glauben? Wollten sich die Protestanten etwa nicht länger terrorisieren lassen? Dieser Ronce sah vermutlich Gespenster. Montadour würde nur zu erscheinen brauchen .

»Wollt Ihr mich schon verlassen, Kapitän?« fragte Angélique mit einem bezaubernden Lächeln.

Sie saß ihm gegenüber.

Man hatte ihr ein Körbchen mit Frühkirschen gebracht, die sie mit Genuß verspeiste. Ihre weißen Zähne hoben sich mit schönem Emailglanz gegen das Rot der Früchte ab.

Montadour entschied, daß Monsieur de Ronce allein mit der Lage fertig werden und sich notfalls ein wenig weiter nördlich in die Gegend von Parthenay begeben müsse. Er selbst hatte angesichts der allgemeinen Feindseligkeit der Bevölkerung genug hier zu tun. Schon streute man Nägel unter die Hufe seiner Pferde. Die Lumpenkerle waren alle gleich, ob hugenottisch oder katholisch. Sie hatten Terrinen voller Taler in ihren Vorratskellern vergraben, fühlten sich aber deswegen durchaus nicht beruhigt. Überall sahen sie die Augen ihrer drei Urfeinde glänzen: des Wolfs, des Soldaten und des Steuereinnehmers.

Da die Flammen einer in Brand gesteckten protestantischen Ernte zuweilen auf katholische Felder übersprangen, hatte die Panik auch die Rechtgläubigen gepackt. Nicht einer dieser Schufte war bereit, auch nur drei Ähren für den Triumph seiner Religion zu opfern. Sie gehörten alle in denselben Sack, diese Poitou-Leute mit den Araberaugen, die ihnen hinter den Rücken mit Fäusten drohten.

»Schickt mir die Übeltäter«, sagte Angélique. »Ich werde ihnen die Leviten lesen.«

Montadours Einverständnis führte zu einem regeren Leben im Schloß. Angélique empfing auch einige ihrer Nachbarn von katholischen Gütern. Monsieur du Croissec, der noch mehr Fett angesetzt hatte und nicht lange zögerte, sich an ihren Plänen zu beteiligen und Anweisungen von ihr entgegenzunehmen, da sie aus einem Munde kamen, den er insgeheim seit Jahren anbetete; Monsieur und Madame de Faymoron, die Mermenaults, die Saint-Aubins, die Mazières. Ein trügerisches Bild geselligen Lebens entwickelte sich zwischen der Verstoßenen und den Einsiedlern der Wildnis von Nieul. Montadour beobachtete diese Besuche mit gerührtem Blick. Er schrieb Monsieur de Marillac, daß Madame du Plessis ihm bei seiner schweren Aufgabe eifrig Beistand leiste, und die Herren vom Heiligen Sakrament rieben sich im stillen die Hände.

Der Kapitän empfand es immer mühevoller, sich der Ausstrahlung einer Gegenwart zu entziehen, deren Reize er täglich neu entdeckte. Schön, in eleganten Roben, mit denen sich zu schmücken ihr von neuem Vergnügen bereitete, begann Angélique wieder über ihr Schloß zu herrschen.

Verdankte sie den frischen Glanz ihrer Haut und ihres Haars dem mysteriösen Gebräu der Zauberin? Eine lichte Kraft durchströmte nun ihren Körper, eine Leidenschaft erfüllte ihre Seele. Wie so oft früher, wenn sie vor einer schwierigen Aufgabe gestanden hatte, wuchs in ihr das berauschende Gefühl, un-besieglich zu sein. Gewiß, dieses Gefühl hatte oftmals getrogen. Der Boden unter ihren Füßen schwankte, das Fieber stieg, das Gewitter bereitete sich vor wie im Juli, wenn sich die Wetterwolken im überhitzten Blau des Himmels türmten.

Der Sommer regierte. Man brachte die Heuernte ein. Allzuoft mußte die Arbeit im Stich gelassen werden. »Dragoner zerrten die Frauen an den Haaren zur Messe, wenn sie sich weigerten, freiwillig zu kom-men. Man versengte ihnen die Fußsohlen, und die Soldaten machten sich über sie her .«

Aber oftmals empfingen auch die mit ihren Dreschflegeln bewaffneten Bauern die Plünderer und Bekehrer.

Die Erregung wuchs.

Der Herzog de La Morinière korrespondierte mit Angélique durch einen abgerichteten Falken, den La Violette auf seiner Faust empfing.

Der Vogel trug stets eine Botschaft. Das Treffen war für die gleiche Nacht im römischen Lager oder am Wiesenstein, an einem Kreuzweg, in der Nähe einer Totenlaterne oder Quelle, in einer Höhle festgesetzt .

Angélique ging immer allein. Weit entfernt, sie zu schrecken, machten die nächtlichen Spaziergänge ihr Vergnügen. Hätte Montadour in dieser in Barchentröcken steckenden Frau, die bei Aufgehen des Mondes aus dem unterirdischen Gang zwischen die Büsche glitt, seine elegante Gefangene wiedererkannt?

Während kurzer Zeit, der Dauer des Weges, kostete Angélique das Glück dieses Ganges durch das Halbdunkel aus. Diamanten funkelten an den Blättern der Buchen, rieselten über das Gefieder der Kastanien, die Eichen schienen wie mit silbernen Fäden gestickt.

Niemals berührte sie die Furcht, wilden Tieren zu begegnen, Wildschweinen, Wölfen oder gar Baren, denen der Wald noch als Zuflucht diente. Der Wald machte ihr weniger Angst als die Gesellschaft der Menschen, die in ihren Herzen tiefe Wunden tragen, und es schien ihr, als finde sie in seinem Schatten wieder zu jener Unschuld, die sie in der Wüste gekannt hatte und nach der sie sich sehnte.

Sobald sie zum Treffpunkt gelangte, verließ sie ihre Euphorie. In einer Mischung aus Ungeduld und Furcht erwartete sie das Eintreffen der Hugenotten. Ihre Schritte waren in der vom Raunen der Blätter erfüllten Stille fernhin zu vernehmen, und sie sah schon von weitem die rötlichen Flammen der Fackeln zwischen den Bäumen leuchten.