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Danach drangen die Truppen des Gouverneurs ins Innere des Poitou, um dort die protestantischen Banden zu verfolgen. Da sie wußten, daß es den drei Brüdern de La Morinière gelungen war, bedeutende Kräfte um sich zu sammeln, forderten sie die Unterstützung der Miliz von Bressuire. Diese vorwiegend protestantische Stadt stellte jedoch nur wenige Männer. Monsieur de Marillac erfuhr alsbald, daß sich die kleine Armee de La Morinières in das seiner Verteidiger entblößte Bressuire geworfen und die Waffenarsenale geplündert hatte.

Der Gouverneur hielt es für unter seiner Würde, die Stadt wieder einzunehmen. Er mochte sich noch nicht eingestehen, daß diese blutigen Scharmützel allmählich den Charakter eines Religionskriegs, wenn nicht gar eines Bürgerkriegs annahmen. Er kam nach Plessis, um Montadour zu konsultieren.

In den Ausläufern des Waldes von Nieul verborgen, konnten die Hugenotten die graue Schlange der Armee mit den dichten Gattern ihrer Piken über die römische Straße ziehen sehen.

Doch schon am folgenden Tage zogen sich die Truppen wieder zurück, nachdem sie den Dragonern Montadours einige Verstärkungen dagelassen hatten. Die Feindseligkeit selbst der katholischen Bevölkerung, die den Soldaten Brot und Wein verweigert und sie mit Steinwürfen empfangen hatte, beunruhigte den Gouverneur. Es schien unmöglich, die ganze Truppe in der Umgebung zu halten, ohne größere Unruhen zu riskieren. Infolgedessen führte er seine Soldaten bis hinter Poitiers zurück und reiste nach Paris, um mit dem Minister Louvois über die zu treffenden Maßnahmen zu sprechen.

Wie eine Wahnwitzige brach Angélique durch das Buschwerk, wütend an ihrem Umhang zerrend, um sich, ohne auf die ihr ins Gesicht peitschenden Zweige zu achten, aus der Verstrickung zu lösen.

»Ihr habt unsere Vereinbarungen gebrochen!« rief sie dem Herzog zu, sobald sie seiner ansichtig wurde.

Düster neben dem Stein der Feen stehend, schien er ihr hassenswert, die Verkörperung des Bösen. Und je mehr er ihr Angst einflößte, desto heftiger gab sie sich.

»Ihr habt mich getäuscht! Ihr habt das Bündnis mit den Katholiken gefordert, um sie desto leichter vernichten zu können. Ihr seid ein Mensch ohne Ehre.«

Sie verstummte, gelähmt, wie betäubt, und der runde Mond, der über den Wipfeln der Eichen am Rande der Lichtung schwamm, schien wie in wilden Sprüngen zu tanzen. Die Berührung mit dem Stein brachte sie wieder zu sich.

»Ihr habt mich geschlagen«, hauchte sie erstickt.

Er hatte seinen Handschuh ausgezogen und sie mit der nackten Hand ins Gesicht geschlagen.

»Ihr habt mich geschlagen!«

Ein grimmiges Lächeln erhellte die dunklen Züge des Patriarchen.

»So geht man mit unverschämten Frauen um. Niemals hat eine von ihnen gewagt, in solchem Ton mit mir zu sprechen.«

Die Demütigung ließ Angélique den einzigen Pfeil finden, der imstande war, die Selbstgerechtigkeit dieses Fanatikers zu durchdringen.

»Die Frauen? ... Glaubt mir, sie würden die Huldigungen Satans den Euren vorziehen!«

Sie bedauerte ihre Worte, als er sie brutal bei den Armen packte und heftig zu schütteln begann.

»Meine Huldigungen! ... Wer spricht von Huldigungen, gemeines Geschöpf der Sünde, unheilvolle Kreatur!«

Er preßte sie unbeherrscht an sich, und sein glühender Atem fegte über ihr Gesicht. Sie wußte nun, warum sie ihn immer gefürchtet hatte. Unbewußt hatte sie vorausgeahnt, daß er sie töten, daß sie von seiner Hand sterben würde. Er würde sie erwürgen oder erdolchen. Es würde ihm leichtfallen in diesem abgelegenen Winkel des Waldes, und der Opferstein war nahe.

Verzweifelt wehrte sie sich gegen seine Umarmung. Doch allmählich überwältigte sie die Kraft ihres Gegners, und ihre Furcht verlor sich in der aufquellenden Woge eines anderen Gefühls, aus dem das animalische Verlangen des Fleisches, blind und gierig, nicht ausgeschlossen war. Das erotische Fieber, das sich des Mannes bemächtigt zu haben schien, lähmte ihren Widerstand, unterminierte ihren Willen, ihm zu entkommen.

Sie lag auf dem Boden, die Kehle schmerzend vom keuchenden Atmen, die Augen vom Licht des Mondes geblendet, das voll auf ihrem Gesicht lag.

Ihre Bewegungen wurden matt und ziellos.

Sie hatte vergessen, was er war ... wer er war. Ihr Kopf sank zurück, und sie fühlte die Frische der Erde unter ihren nackten Lenden.

Aber während sie sich schon aufgab, weckte ihr jäh von wahnwitzigen Visionen heimgesuchtes Gehirn Halluzinationen in ihr, in denen sich die Hexereien des druidischen Opferplatzes und die Weissagungen der Zauberin mischten.

Sie schrie auf. Mit wildem Aufbäumen entwand sie sich seiner Umklammerung, schnellte über den Boden, sprang auf und warf sich zwischen die Büsche.

Sie lief lange, von ihrem Schrecken vorwärtsgetrieben. Ihr Instinkt ließ sie die dunklen Pfade finden, über die sie während der letzten Monate so oft gegangen war. Sie verirrte sich nicht. Manchmal hielt sie inne, um vor Erschöpfung zu weinen, die Stirn gegen einen Baumstamm gedrückt. Sie war nahe daran, den Wald zu hassen, der unerschütterlich und gleichgültig die Gebete der Mönche, den Psalmengesang der verfolgten Hugenotten, die Untaten der Wilderer, die Paarung der Wölfe und die gottlosen Riten der Zauberinnen in sich verschloß.

Sie war verwundet wie ein Kind, das keine Zuflucht mehr auf dieser Welt besitzt, verwundet durch den Schmerz des Lebens. Die Nacht war noch tief, als sie in die Nähe des Schlosses Plessis gelangte.

Sie stieß zweimal den Ruf des Käuzchens aus, ihre Hände wie selbstverständlich vor den Mund wölbend. Die Diener wachten. Die Antwort kam von der Höhe des Turms.

Malbrant Schwertstreich wartete, einen Lichtstumpf in der Hand, im Keller neben der Pforte des unterirdischen Ganges.

»Ihr könnt es nicht mehr lange so treiben, Madame«, mahnte er. »Nachts den Wald zu durchstreifen - was für ein Wahnsinn! Das nächste Mal werde ich Euch begleiten.«

Der alte Stallmeister mußte die Unordnung ihrer Kleidung und ihres Haars und die kaum verwischten Spuren der Tränen auf ihren Wangen bemerkt haben. Sie nahm sich zusammen und setzte ihr gewohntes Gesicht auf, während sie in ihrem Mantel nach einem Taschentuch suchte.

»Ja, das nächste Mal begleitet Ihr mich, Ihr oder besser La Violette, denn der Wald ist zu feucht für Eure Schmerzen. Obwohl ich nicht allzuviel Vertrauen zu ihm habe«, fügte sie mit einem Seufzer hinzu. »Aber wem kann man überhaupt vertrauen?«

Aus dem Keller traten sie in die schweigenden Räume des Schlosses. Sie zwang sich zu einem leichten Lächeln.

»Schläft das andere Untier?« fragte sie mit einer Geste in Richtung der Räume, in denen Kapitän Montadour kampierte.

In ihrem Zimmer streifte sie ihre zerrissene Kleidung ab und wusch sich lange. Es schien ihr, als ob die Arme des hugenottischen Anführers noch immer auf ihrem Rücken brannten, als ob seine rauhen, heißen Hände noch immer ihre Haut berührten.

Sie nahm den Krug mit frischem Wasser und übergoß ihren nackten Körper. Dann hüllte sie sich in einen Pudermantel und kämmte die Überbleibsel des Waldbodens aus ihrem Haar.

Auch jetzt fühlte sie sich noch wie zerschlagen. Der Gedanke an das, was ihr in dieser Nacht im Wald geschehen war, verließ sie nicht. Es rief ihr die bittere Erfahrung ins Gedächtnis zurück, die sie dem hysterischen Narren Escrainville verdankte. »Ich glaubte, das Schlimmste erlebt zu haben«, sagte sie sich. Sie kehrte aus dem Waschkabinett in ihr Zimmer zurück und stellte die Kerze vor den Spiegel.