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Sich zu ihm neigend, prüfte sie ihr Gesicht und las in ihm die Verwandlung, die die letzten Wochen bewirkt hatten. Ihre Wangen hatten ihr glattes Oval wiedergefunden. Ihre Augen lagen nicht mehr so tief, ihre Lippen waren rosig und frisch wie das Fleisch wilder Erdbeeren.

Nur unter den Backenknochen lag ein Schatten, den das Leid zurückgelassen hatte und der diesem Gesicht, das lange Zeit einem sehr jungen Mädchen zu gehören schien, die stolze Maske der Reife verlieh.

Nicht mehr Favoritin. Königin.

»Und wenn das Schlimmste darin bestände weiterzuleben?«

Sie wollte dämpfen, was es in seinem Ausdruck an Ungebändigtem gab. Wie würde dieses neue Gesicht unter der Schminke von Versailles aussehen?

Sie öffnete ihren Toilettentisch und entnahm ihm ihre Crèmes und Puder, die sie in Onyxtöpfchen verwahrte. Daneben stand ein Kästchen aus perlmutterverziertem Sandelholz, das sie näher zog und mechanisch öffnete, um aus den in ihm versammelten Reliquien die Phasen ihres Ungewissen Lebens wiederauferstehen zu sehen: eine Feder des Schmutzpoeten, der Dolch Rodogones des Ägypters, das Holzei des kleinen Cantor, der Halsschmuck der Frauen der Plessis-Bellière, den sie nicht tragen konnten, »ohne sofort an Krieg oder Aufruhr zu denken« ... Zwei Türkise Seite an Seite, der des Fürsten Bachtiari Bey und der Osman Ferradjis ... »Fürchte nichts, Firouzé, denn die Sterne erzählen . die schönste Geschichte der Welt .« Nur der goldene Ring ihrer ersten Ehe fehlte, den sie am Hof der Wunder verloren hatte. Vermutlich hatte der Bettler Nicolas ihn ihr eines Nachts gestohlen, während sie schlief.

Es war ein harter Weg für sie gewesen, über Höhen und durch Abgründe, seitdem der Wille des Königs sie in eine Witwe ohne Namen, ohne Recht und Zuflucht verwandelt hatte. Sie war damals erst zwanzig gewesen. Später, nach ihrer Heirat mit Philippe bis zu ihrer Abreise nach Kandia, hatte die im Strahlenglanz des Hofes verlebten Jahre eine Zeit des Friedens für sie gebracht. War es wirklich Friede gewesen? Ja, wenn man das triumphale, über das Maß hinaus erfüllte Dasein der von Fest zu Fest eilenden großen Dame betrachtete. Nein, wenn sie sich der Intrigen erinnerte, in die man sie verstrickt, der Fußangeln, die man ihr gelegt hatte. Aber damals war sie wenigstens der herkömmlichen Regel gefolgt, hatte sie zu den Mächtigen dieser Welt gehört.

Der Bruch mit dem König hatte sie in das Chaos zurückgeschleudert. Was hatte der große Magier Osman Ferradji ihr noch gesagt?

»Die Kraft, die der Schöpfer in dich gelegt hat, wird es nicht zulassen, daß du innehältst, bevor du den Ort erreicht hast, der dir bestimmt ist.«

»Welcher Ort ist es, Osman Bey?«

»Ich weiß es nicht. Aber solange du ihn nicht erreicht hast, wirst du alles auf deinem Wege verwüsten, sogar dein eigenes Leben .«

Sie würde Samuel de La Morinière wiedersehen. Es war nicht zu umgehen. Sie begann sich Vorwürfe zu machen, gereizt durch die ungesunde Verwirrung, die nicht von ihr wich und die sie in seiner Gegenwart von neuem beherrschen würde. Dieser Mensch war wenigstens zwanzig Jahre älter als sie, ein Ketzer ohne Geist, düster und grausam. Aber er bedrängte sie, und sie fragte sich neugierig, ob er wirklich jene anomale Kraft besaß, die sie so sehr erschreckt hatte. Wenn sie an gewisse Momente ihres Kampfes dachte, schnürte sich ihr die Kehle zu.

Mit den Fingerspitzen entnahm sie einem Töpfchen rosigen Crème und begann, leicht ihre Schläfen zu massieren. Der Spiegel sandte ihr, klar wie ein Waldsee, das Leuchten ihres Haars zurück. Aus ihm wuchs eine Ungewisse, schwankende Form, drohend wie ein Alptraum, in deren Mitte nach und nach ein rotes Licht aufglomm: der Schnurrbart des Kapitäns Montadour.

Er war zu ihrem Zimmer geschlichen, hatte den Knauf ihrer Tür gedreht und zu seiner Überraschung keinen Widerstand gefunden. Erschrocken nach einem ersten Aufwallen des Triumphs, ein wenig keuchend, hatte er sich vorgeneigt, um das Halbdunkel zu durchforschen, in dem nur eine einzige Kerze brannte. Er hatte Angélique vor ihrem Spiegel entdeckt.

War sie dabei, sich in eine Hirschkuh zu verwandeln?

Der durchsichtige Pudermantel enthüllte ihre vollkommenen Formen. Ihr gelöstes Haar wellte sich auf den Schultern zu einem von warmen Reflexen überspielten Gehäuse. Sie neigte ein wenig den Kopf, und ihre Finger ließen auf ihren Wangen köstliche rosige Blumen erblühen.

Er hatte sich ihr genähert.

Versteinert wandte sie sich um. »Ihr?«

»Habt Ihr nicht die Güte gehabt, Eure Tür offen zu lassen, meine Schöne?«

Dicke Schweißperlen standen auf seiner Stirn, und sein um Jovialität bemühtes Lächeln ließ seine Augen fast hinter den roten Kugeln seiner Wangen verschwinden. Er roch nach Wein, und seine ausgestreckten Hände zitterten.

»Ihr habt mich doch genug schmachten lassen, meine Hübsche. Euch selbst muß ja die Zeit schon lang geworden sein, jung und schön, wie Ihr seid.

Könnten wir beide uns nicht die Zeit ein bißchen angenehm vertreiben?«

Er war nicht geschickt und wußte es. Aber seine teigige Zunge stolperte über die galanten Komplimente, die er hatte drechseln wollen, und das Resultat waren unverzeihliche Gemeinheiten. Um sich durch brillanteres Handeln zu retten, zwang er die junge Frau in seine Arme. Die sie bedrängende weiche Fülle seines Wanstes verursachte ihr Übelkeit, sie warf sich zurück und stieß dabei einen der Onyxtiegel um, der auf den Fliesen zerbrach.

Männerarme, überall Männerarme, die sie zu umschlingen versuchten: der König, der Landsknecht, der Hugenotte, andere noch, immer Arme von Männern, Männerkörper gegen den ihren ...

Sie griff hinter sich in das Kästchen und riß mit einer schnellen Bewegung, die sie von der Polackin gelernt hatte, den schmalen Dolch Rodogones des Ägypters zu ihrer Verteidigung nach vorn.

»Verschwindet ... oder ich steche Euch ab wie ein Schwein!«

Der Kapitän fuhr zwei Schritte zurück, die Augen weit aufgerissen vor diesem unglaublichen Schauspiel.

»Wahr ... wahrhaftig«, stammelte er, »sie brächte es fertig!«

Sein ungläubiger Blick glitt von der funkelnden Klinge zu den nicht weniger funkelnden Augen derer, die sie gegen ihn zückte.

»Nun, nun ... wir haben uns also nicht verstanden.«

Er drehte sich um und bemerkte die Dienstboten, die sich im Dunkel des Zimmers drängten und ihm den Weg zur Tür verstellten. Malbrant mit seinem Degen, die Lakaien, die Knechte mit Knüppeln und Messern, sogar Lin Poiroux, der Koch, mit der weißen Mütze und seinen Küchenjungen, alle bewaffnet mit ihren Bratenwendern und Spicknadeln.

»Steht etwas zu Euren Diensten, Herr Kapitän?« fragte der Stallmeister in einem Ton, der die Drohung durchklingen ließ.

Montadour warf einen Blick zum offenen Fenster, dann zur Tür. Was wollten sie hier alle mit ihren wilden Augen?

»Schert euch fort!« knurrte er.

»Wir nehmen nur von unserer Dame Befehle entgegen«, erwiderte Malbrant ironisch.

La Violette glitt leise zum Fenster und schloß es. Montadour konnte nicht mehr rufen. Er begriff, daß nichts sie hindern würde, ihn mit ein paar Rapieroder Spicknadelstößen zu ermorden. Seine Männer biwakierten draußen, und zudem befanden sich nur vier von ihnen auf dem Besitz, da er die andern zu einem Dorf geschickt hatte, in dessen Umgebung sich protestantische Banden aufhalten sollten.

Kalter Schweiß feuchtete ihm die Schläfen und rann ihm in den Kragen hinunter. Ein militärischer Reflex ließ ihn zum Degen greifen, entschlossen, seine Haut so teuer wie möglich zu verkaufen.

»Laßt ihn vorbei«, befahl Angélique ihren Leuten. Sie fügte mit eisigem Lächeln hinzu: