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Im Schilfrohr versteckt, kicherten sie heimlich. Dann entfernten sie sich mehr und mehr, und die Rufe erstickten im Gewirr der Zweige: Erlen, Ulmen, Eschen, Weiden und hohe Pappeln ...

Valentin pflückte die Blätter der Angelikapflanze, des Engelwurz. Sie lutschten und rochen abwechselnd an ihnen. »Um deine Seele zu haben«, sagte Valentin.

Er war nicht gesprächig wie Nicolas. Er wurde leicht rot und verfiel in unversöhnliche Zornausbrüche. Die Protestanten waren es, die, man wußte nicht recht, warum, seinen Haß auf sich zogen. Mit Angélique lauerte er den aus der Schule kommenden hugenottischen Kindern auf und schleuderte ihnen Rosenkränze ins Gesicht, um sie »Teufelszeug!« schreien zu hören. Angélique erinnerte sich daran, während der Teppich der Wasserlinsen unter dem Bug mit dem Geräusch leise fallenden Regens zerriß.

Valentin liebte auch jetzt die Protestanten nicht, aber er war für die Goldstücke empfänglich gewesen, die ihm die Marquise du Plessis-Bellière gegeben hatte. Er hatte seine Schlüssel genommen und die Frauen und Kinder in die Barken steigen lassen.

Ein stärkerer Lufthauch verriet, daß der Tunnel sich verbreitert hatte. Das erste Boot stieß auf festen Boden. Der Mond schwamm in einem dunstigen Lichtkreis über den Bäumen. Er enthüllte den Wohnsitz der d’Aubignes, der, von Weiden umstanden, inmitten ungeschnittener Rasenflächen schlief. Das Schloß erhob sich auf einer jener unzähligen Inseln des einstigen Golfs des Poitou, deren flache Felsenufer früher vom Meer umspült worden waren. Während des Winters stieg das Gewässer noch immer bis zur untersten Stufe der großen steinernen Treppe. Es war ein Renaissancebau, von einem Baumeister errichtet, den die Spiegelung der weißen Mauern in dem unergründlichen Gewässer und vielleicht auch die Unzugänglichkeit des Ortes gereizt haben mochte. Ein besserer Unterschlupf für Verschwörer ließ sich nicht denken.

Hunde bellten .

Eine Tür öffnete sich, und Mademoiselle de Coesmes, die Kusine des alten Marquis, erschien mit einem Leuchter in der hoch erhobenen Hand. Mit verkniffenem Gesicht hörte sie zu, während Angélique von dem jammervollen Zustand der armen Frauen, Witwen zumeist, berichtete, die sie in der Hoffnung hierhergeführt habe, daß man sich ihrer annehmen und ihnen helfen werde, La Rochelle zu erreichen. Die Einmischung einer Katholikin von so zweifelhaftem Ruf in die Angelegenheiten der Reformierten gefiel Mademoiselle de Coesmes nicht. Die Zügellosigkeiten Madame du Plessis’ waren vom Versailler Hof bis hierher gedrungen. Dennoch ließ sie sie eintreten, und während die Bäuerinnen in die Küchenräume geführt wurden, musterte sie das einfache Barchentkleid, das Angélique auf ihren nächtlichen Expeditionen unter einem Mantel zu tragen pflegte, die flachen, schlammbedeckten Schuhe und das Tuch aus schwarzem Satin, mit dem sie ihr Haar zusammenhielt.

Die alte Jungfer preßte von neuem ihre schmalen Lippen zusammen, nahm die Miene einer in ihr Schicksal ergebenen Märtyrerin an und teilte ihrer Besucherin mit, daß sich der Herzog de La Morinière im Schloß aufhalte.

»Wollt Ihr ihn sehen?«

Die Eröffnung verwirrte Angélique.

Sie spürte, daß ihr das Blut in die Wangen stieg, und erklärte, daß sie den Herzog nicht stören wolle.

»Er ist über und über mit Blut bedeckt hier angekommen«, flüsterte Mademoiselle de Coesmes, die sich trotz allem von so vielen Ereignissen überaus angeregt fühlte. »Ein Gefecht mit den Dragonern des infamen Montadour . Er hat sich nicht rechtzeitig lösen können und ist in die Sümpfe geflüchtet. Sein Bruder Hugues hat sich, wie es scheint, nach Pouzanges geworfen. Monsieur de La Morinière bedauerte es sehr, Euch nicht treffen zu können.«

»Wenn er verletzt ist .«

»Laßt mich ihn benachrichtigen.«

Sie wartete zitternd, aber als sie den Schritt des hugenottischen Patriarchen auf den Stufen der Treppe vernahm, riß sie sich zusammen und empfing ihn, als er sich ihr näherte, mit unerschrockenem, hartem Blick.

Eine tiefe Wunde lief quer über seine Stirn. Die entzündeten Ränder waren noch nicht vernarbt. Der klaffende Einschnitt trug nicht dazu bei, seinen Anblick zu mildern. Sie fand ihn größer, kraftvoller und schwärzer denn je.

»Ich grüße Euch, Madame«, sagte er.

Er hielt ihr zögernd seine bloße Hand entgegen.

». Werdet Ihr unserem Bündnis treu bleiben?«

Angélique war es, die ihre Augen vor seinem Blick senkte. Sie machte eine Bewegung zu den Küchenräumen, durch deren offenstehende Türen sie den unruhigen Lichtschein des Feuers und die beruhigten Stimmen der protestantischen Frauen wahrnahmen.

»Ihr seht es.«

Sie hätte nicht geglaubt, daß der Vorfall, der sich am Stein der Feen zugetragen hatte, sich ihr in einem solchen Maße aufdrängen, sie so verwirren und lähmen könnte. Unterlag sie dem Einfluß einer Persönlichkeit, von der manche ihrer Zeitgenossen erklärten, daß sie mit Zauberkräften begabt, wenn auch unerfreulich im Umgang sei? Seine Brüder, seine Frau, die Frauen seiner Brüder, seine Töchter und Neffen, seine Diener und seine Soldaten hatten es nie vermocht, ihm den Gehorsam aufzukündigen. Er hatte nur zu erscheinen brauchen. »Obwohl nahe bei Gott, gab es in ihm etwas Diabolisches«, schrieb man von dem protestantischen Grandseigneur, der sich zu seiner Stunde kurz, aber grausam vor dem Angesicht Ludwigs XIV. drohend erhob.

Er entschuldigte sich nicht bei ihr. Hatte es seinen maßlosen Stolz beleidigt, daß sie zwei seiner Aufforderungen zu einem Zusammentreffen nicht gefolgt war?

»Pouzanges, Bressuire«, sagte er endlich. »Die Bürger nahmen uns mit offenen Armen auf. Wir plünderten die Arsenale der Garnisonen und bewaffneten die in der Umgebung ausgehobenen Banden. Die Truppen, die Monsieur de Marillac im Norden zurückgelassen hatte, zogen sich ostwärts zurück, so daß wir ihre Stellungen in der Gâtine besetzen konnten. Die Truppen Monsieur de Gormats und Montadours sind von jeder Hilfe abgeschnitten und wissen es noch nicht.«

Mit heißem, erregtem Gesicht starrte sie ihn an.

»Ist es möglich? Ich wußte es nicht.«

»Woher hättet Ihr es wissen sollen? Ihr habt auf meine Botschaften geschwiegen.«

»Dann«, murmelte Angélique, als spräche sie zu sich selbst, »kann mich der König nicht mehr erreichen .«

»In ein paar Tagen werde ich das Moor verlassen und Montadour von Euren Ländereien jagen.«

Sie hielt seinem Blick stand.

»Ich danke Euch, Monsieur de La Morinière.«

»Verziehen?«

Das Wort mußte ihn übermenschliche Anstrengungen gekostet haben, denn es zuckte in seinem Gesicht und Blutstropfen sickerten von den Rändern seiner Wunde.

»Ich weiß es nicht«, sagte sie und wandte sich ab.

Während sie zur Tür ging, murmelte sie:

»Ich muß nach Plessis zurück .«

Er folgte ihr zur Treppe, die sie gemeinsam hinunterstiegen. In der Allee, die zur Landungsstelle führte, packte er mit einer krampfhaften, unwiderstehlichen Bewegung ihre Taille.

»Ich bitte Euch, seht mich an, Madame.«

»Vorsicht«, flüsterte sie mit einer Geste in die Dunkelheit, wo Meister Valentin und seine Barke warteten. Er stieß sie hinter eine Weide und nahm sie, von fallenden Blättern überrieselt, in seine knotig-muskulösen Arme.

Die gleiche Regung von Widerwillen und Verlangen ließ sie, an ihn gepreßt, erstarren. Ja, die Liebe des Patriarchen mußte schrecklich und ungewöhnlich sein. Ihr ganzer Körper verriet sie. Ihre verkrampften Hände umklammerten die Schultern des Hugenotten, ohne daß sie wußte, ob sie ihn zurückstieß oder sich auf ihn stützte wie auf einen unbezwinglichen Fels, dessen Unerschütterlichkeit ihre bedrohte Existenz brauchte.